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4. November 2019 Ulrich Bochum

Stress – PSA und Fiat Chrysler in der automobilen Transformation

Foto: Martin Abegglen/flickr.com (CC BY-SA 2.0)

Die verkündete Fusion des französischen PSA-Konzerns (Peugeot, Citroën, DS, Opel) mit FCA – Fiat Chrysler (Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Chrysler, Jeep, Dodge, Ram) macht insofern Sinn, als im anstehenden Transformationsprozess der Autohersteller zur Elektromobilität die vorhandenen Kräfte konzentriert werden müssen, um die Aufgaben stemmen zu können.

Auch andere Hersteller formen in diesem Zusammenhang Entwicklungs- und Produktionskooperationen – so etwa Volkswagen und Ford bei der Nutzung von Plattformen für kommende Elektrofahrzeuge, aber auch BMW und Daimler bei der Zusammenlegung ihrer Car-Sharing-Aktivitäten sowie bei der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens. Klar ist: Das Umsteuern kostet die Autokonzerne sehr viel Geld.

Unter »normalen« Bedingungen wäre eine solche Fusion einfacher zu gestalten, Synergien einfacher zu heben und die Marktanteile auszuweiten. Aber die Automobilindustrie steuert in einen Sturm von großen Strukturveränderungen und hausgemachten Problemen. Nicht nur die Hersteller sind davon betroffen, sondern auch die wichtigen Zulieferfirmen, ohne die gar nichts geht. Bosch, Brose, Continental, um nur einige zu nennen, kündigen einen massiven Personalabbau an und schließen Standorte. Gleichzeitig werden Niedriglohnstandorte in Osteuropa wieder attraktiv.

Von Fiat[1] kann nicht behauptet werden, in Bezug auf die Elektromobilität gut aufgestellt zu sein – eigentlich gibt es im Konzern diesbezüglich kein automobiles Produkt. Dagegen gibt es jede Menge unterausgelastete Montagewerke in Italien. In den USA verdient Fiat gutes Geld mit Spritschluckern wie dem Dodge Ram (5,8m lang, 5,7-Liter-Motor, 401 PS, 2.500kg schwer, 15 Liter auf 100km). Der Gewinn kommt aus den US-Aktivitäten, während in Europa Verluste erzielt werden.

Durch die Fusion mit PSA hat Fiat daher die Möglichkeit, sich in die Elektromobilität »einzukaufen« und von den Aktivitäten des französischen Konzerns zu profitieren. Das war wohl auch das Kalkül in der vorher versuchten und gescheiterten Fusion mit Renault. Die in Zukunft anfallenden CO²-Strafzahlungen ab 2030, die auf die Neuwagenflotte erhoben werden, sollte der CO²-Ausstoß laut EU-Vorgabe nicht um 37,5% gesenkt werden, würden Fiat sehr stark treffen.

Von einer Fusion »unter Gleichen« kann daher wohl nicht die Rede sein, eher von Trittbrettfahrerei. Um die geplanten Synergien von 3,7 Mrd. Euro realisieren zu können, müssen zunächst 2,8 Mrd. Euro ausgegeben werden – es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu Beschäftigungsabbau und Werksschließungen kommen wird.

In Deutschland geht die Sorge um, das Opel im Rahmen der Fusion an Bedeutung und Beschäftigung verlieren könnte. Zwar hat Opel unter dem PSA-Sanierungsprogramm wieder einen positiven Jahresüberschuss erwirtschaftet und massiv Personal abgebaut, aber ob eine nachhaltige Ergebnisverbesserung erreicht worden ist, ist unklar. Doppelkapazitäten in Bezug auf die Motorenwerke bei Opel und Fiat sind vorhanden, andererseits gibt es zwischen Opel und Fiat bereits Kooperationserfahrungen bei der Entwicklung von Antriebssträngen noch aus GM-Zeiten.



Sehr problematisch könnte die Fusion sich allerdings für die britische Opel-Marke Vauxhall auswirken. Für Vauxhall arbeiten im UK 3.000 Beschäftigte mit der gleichen Modellpalette wie bei Opel. Vauxhall produziert jedoch vor allem für den britischen Markt und genießt vonseiten der britischen Regierung keinerlei Schutz – jedenfalls bis jetzt nicht. Während davon auszugehen ist, dass sowohl die französische Regierung als auch die italienische sehr auf Fabrikerhaltung achten werden, ist dies im UK nicht gegeben. Ford hat bereits seine Präsenz in Großbritannien stark heruntergefahren und mehrere Werke geschlossen. Der Brexit wird sich auf die Konzernverbund-Strukturen negativ auswirken und die Kosten für die britischen Werke in die Höhe treiben, dies ist nicht im Sinne des als harten Sanierer beschriebenen PSA-Chefs.

Wie an den Produktionszahlen für die erste Hälfte des Jahres 2019 zu sehen ist, geht die Produktion in den einzelnen EU-Ländern überwiegend zurück – Ausnahmen sind die Slowakei, Rumänien und Ungarn. Am stärksten ist der Rückgang in Italien und im UK. Insgesamt sank die Autoproduktion in der EU um knapp 7%.



Betrachtet man in der EU die Neuzulassungen von Fahrzeugen nach Antriebstechnik, so lässt sich festhalten, dass die alternativen Antriebe an Bedeutung gewinnen. Der Anteil der Batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeuge hat sich von 2018 auf 2019 verdoppelt, insgesamt sind in der EU im ersten Halbjahr 2019 knapp 725.000 Fahrzeuge mit alternativer Antriebstechnik neu zugelassen worden.



Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die Neuzulassungen nach Antriebsarten auch zeigen, dass sich eine Verschiebung zugunsten der Benzin- auf Kosten der Dieselantriebe durchgesetzt hat. Benzin und Diesel machen zusammen immer noch 91% der neu zugelassenen Fahrzeuge aus, der Rest, also 8,9%, entfällt auf alternative Antriebe.

Während VW jetzt massiv und mit großem Aufwand in die Elektromobilität investiert, das Werk Zwickau als Standort für den neuen voll-elektrischen ID3 ausgewählt hat und andere Werke in der Umstellung sind, gleicht diese Umstellung einer »Operation am offenen Herzen« wie der US-Wirtschaftsdienst Bloomberg schrieb. Die Investitionen zur Produktion von drei elektrischen Modellen in Zwickau wird VW 1,2 Mrd. Euro kosten. Zwickau dient dabei als Protowerk, später wird VW bis 2022 sieben andere Werke in Europa und Asien und in den USA ebenfalls umrüsten, davon zwei in China mit einem Output von 600.000 Fahrzeugen. In Zwickau selbst gibt es einen riesigen Trainingsaufwand für die Beschäftigten, und zwar vom Montagearbeiter bis zum Ingenieur. Das ganze Werk wird zu einem einzigen Labor. »Es ist als ob Sie sich in einem Kleiderschrank umziehen«, meinte der Personalchef von VW-Zwickau.

Daran kann man sehen, dass die ganze Transformationsaufgabe für die Autohersteller nicht einfach wird. Ob dann die Haltung von Fiat, jetzt noch schnell durch die Fusion Anschluss zu gewinnen, dauerhaft trägt, darf doch sehr bezweifelt werden.


Quelle: ACEA

[1] Ich danke meiner Kollegin Henriette Bauer für wichtige Hinweise zu Fiat.

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