14. April 2025 Joachim Bischoff: Der Handelskrieg zeigt Wirkungen
Trump riskiert die Erosion des Weltwährungssystems
Auf seiner Nachrichtenplattform Truth Social verkündete der amerikanische Präsident Donald Trump, dass die angeblich reziproken Zölle, die wenige Stunden zuvor erst in Kraft getreten waren, für 90 Tage ausgesetzt würden.
Scott Bessent, der amerikanische Finanzminister, präzisierte später, dass Importgüter in den USA vorerst nur dem universellen Einfuhrzoll von 10% unterliegen würden, der bereits am 5. April in Kraft getreten ist. Auch das zumindest vorübergehende Aussetzen von Sonderzöllen auf elektronischen Produkten trug zu einer Entspannung der Finanzmärkte bei.
Trump begründete sein Entgegenkommen damit, dass mehr als 75 Länder Verhandlungen mit den USA aufnehmen wollten und bisher keine Vergeltungsmaßnahmen ergriffen hätten. Während der Großteil der Nationen aufatmet, verschärft er die Eskalation gegenüber China: Die Importzölle auf chinesische Waren sollen per sofort auf 125% erhöht werden. China werde hoffentlich bald realisieren, dass es nicht länger nachhaltig oder akzeptabel sei, wenn es die USA und andere Länder abzocke.
Der US-Finanzminister Bessent unterstrich kürzlich die unausgewogene Handelsbeziehung und bemerkte, dass amerikanische Exporte nach China sich auf 143,5 Mrd. US-Dollar beliefen, während Importe aus China 438,9 Mrd. US-Dollar erreichten. Peking reagierte trotzig und schwor, »bis zum Ende zu kämpfen« und bezeichnete den Schritt der USA als erzwungen und unvernünftig.
Diese Eskalation gegenüber China bedeutet eine folgenreiche Entkoppelung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Chinas Unternehmen verlieren einen Exportmarkt, der 2024 noch immer 439 Mrd. US-Dollar groß war und 15% aller chinesischen Exporte aufgenommen hatte. Amerikas Konsument*innen werden derweil mit höheren Preisen für Möbel, Waschmaschinen oder Kinderspielzeug klarkommen müssen, zudem muss die US-Agrarwirtschaft auf einen wichtigen Absatzmarkt verzichten.
Trump gesteht implizit ein, dass er mit dem Zoll-Hammer sowohl seine Regierung als auch die amerikanische Wirtschaft überfordert hat. Ob sein Rückzieher ausreicht, um die Märkte nachhaltig zu beruhigen, muss offenbleiben. Seine sehr aggressive Zollpolitik ließ in vielen Hauptstädten und einem Großteil der Märkte die Befürchtung aufkommen, dass man sich auf das Wort aus dem Weißen Haus nicht mehr verlassen kann.
Fakt ist auch: Die Finanzmärkte haben der US-Administration den Übergang zu einem sanfteren Umbau aufgezwungen. Seit seinem »Tag der Befreiung« am 2. April, als Trump hohe neue Zölle angekündigt hatte, sind zunächst die Aktienmärkte weltweit abgestürzt. Die Akteure rechneten damit, dass die Importabgaben sowohl das Wirtschaftswachstum weltweit schwächen als auch die Inflation in den USA erhöhen würden.
Die Abwärtsbewegung griff blitzartig auf die anderen Märkte über. Zu Beginn der Talfahrt der Börsen funktionierten Anleihen als sichere Anlagen: Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen haben noch am vergangenen Freitag einen Tiefstand von 3,86% erreicht, danach kam es zu einem steilen Anstieg. Jetzt notieren sie viel höher als am Vorabend von Trumps Zollankündigungen.
Damit drohen Treasuries ihren Sonderstatus als sichere Anlagen zu verlieren. Steigen die US-Anleiherenditen weiter an, wird dies auch die Bewertung der Aktienmärkte belasten und die Indizes weiter nach unten ziehen. Damit wären alle wichtigen US-Vermögensklassen im Sinkflug: Aktien, Obligationen und auch der US-Dollar. Das Beben zieht immer größere Kreise. Zuerst erschütterte der Handelskrieg des US-Präsidenten Aktien, dann wurden Anleihen erfasst, und jetzt greifen die Verwerfungen auch auf die Devisenmärkte über. Der US-Dollar steht unter Druck. Handelsgewichtet hat die US-Valuta seit Mitte Januar fast 10% verloren. Zwar will auch die Trump-Administration eine Abwertung des US-Dollars erreichen, aber der Sinkflug des Weltgeldes soll gemächlich oder kontrolliert ausfallen.
Der chinesisch-amerikanische Handelskonflikt gilt für viele Kommentatoren als Grund für die steigende Rezessionsgefahr. Die direkten ökonomischen Auswirkungen des Handelskriegs sind noch gering. Gleichwohl geht die Angst vor einer wirtschaftlichen Abschwächung oder gar einer Rezession um. Anleger*innen flüchten in »sichere Häfen« wie Staatsanleihen oder Gold. Die nachlassende Wirtschaftsdynamik wird in vielen Schlagzeilen auf die von Trump vom Zaun gebrochenen Handelskriege zurückgeführt. Im Mittelpunkt steht der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt.
Der Welthandel als Treiber der globalen Wirtschaft steht tatsächlich seit geraumer Zeit auf der Bremse und die Aussichten sind trübe. Die jüngste Ausgabe des Güterhandels-Barometers der Welthandelsorganisation WTO deutet darauf hin, dass der Handel auch 2025 unterdurchschnittlich schwach ausfallen wird.
Ist die Welt wieder auf einem Weg in einen Währungskrieg? Die Handelsökonom*innen Chad Bown und Eva Zhang vom Peterson Institute for International Economics meinen: Ja. Wenn der amerikanische Präsident seine Drohung wahr macht, beinahe alle chinesischen Importe in die USA mit einem Sonderzoll zu belegen, würde sich China einem Zollniveau gegenübersehen, das sich demjenigen des Handelskriegs in den 1930er-Jahren von 45% angenähert hat.
Damals löste das amerikanische Smoot-Hawley-Zollgesetz einen Handelskrieg aus, was die Rezession in den USA verstärkte. Die starken Zollerhöhungen und die Gegenreaktionen anderer Länder waren zwar nicht die Ursache für die Große Depression, sie waren aber Teil einer Abwärtsspirale der Weltwirtschaft. Eine weitere Folge des amerikanischen Protektionismus war die Bildung neuer Handelsblöcke.
Die Akteure auf den heutigen Finanzmärkten sahen die Warnung erfüllt: Nach dem Moratorium konnte das US-Finanzministerium erfolgreich 39 Mrd. US-Dollar an 10-jährigen Staatsanleihen im Markt platzieren. Diese Schuldpapiere dienen Anlegern in turbulenten Zeiten normalerweise als sicherer Hafen. In den vergangenen Tagen verloren sie aber stark an Wert, während auch die Aktienmärkte Verluste erlitten. Das ist eine sehr seltene Kombination, die mancherorts die Sorge weckte, dass Trump einen breiten Ausverkauf von amerikanischen Wertpapieren in Gang gesetzt haben könnte. Der geglückte Verkauf der Staatsanleihen konnte diese Sorg lindern.
Eine weitere Gefahr ist, dass sich der Wert der Anleihenbestände von Banken verringert, insbesondere der von langfristigen Staatsanleihen. Dies kann zu nicht realisierten Verlusten führen, die sich negativ auf die Bilanzen der Banken und ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe auswirken. Das könnte zu strengeren Finanzierungsbedingungen führen, was die Liquidität im System verknappt.
Trump wird den geäußerten Plan, den Dollar nachhaltig zu schwächen, weiterverfolgen. Eine solche Schwächung könnte u.a. auch über die Einführung einer Abgabe erfolgen, welche Halter von US-Staatsanleihen bezahlen müssten. Die Einführung einer solchen Abgabe ginge an die Fundamente des internationalen Finanzsystems. US-Staatsanleihen sind letztlich für die Statik des Systems unverzichtbar. Bereits jetzt würden sich einige Investoren fragen, ob sie einem Staat Geld leihen wollen, der dies möglicherweise mit einer Abgabe oder auf eine anderweitige kreative Art bestraft. Mit solchen Maßnahmen riskierten die USA einen unkontrollierten Umbau des globalen Finanzsystems.