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Konservative Radikalisierung von CDU und CSU?
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Verantwortungsvolle Finanzpolitik für die sozial-ökologische Zeitenwende | Eine Flugschrift
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Heiner Karuscheit
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ISBN 978-3-96488-220-2

31. Oktober 2014 Joachim Bischoff

US-Notenbank reagiert auf den Aufschwung

Siemens hat die Reorganisation des Elektrokonzerns auf die Entwicklungstrends der US-Ökonomie ausgerichtet. Siemens-Chef Kaeser erwartet eine Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten, die dort für 600.000 zusätzliche Arbeitsplätze sorgen werde. Ermöglicht werde dies durch die Erschließung neuer Gasvorkommen, die Kaeser zufolge durch Fracking bewerkstelligt werden soll. Dadurch werde dem amerikanischen Mittelstand zu neuem Wohlstand verholfen.

Infolge der Reindustrialisierung gibt es für Maschinenbaukonzerne neue Wachstumsperspektiven.[1] Der Umbau des Elektrokonzerns wird durch ein Bündnis mit der Telekom abgesichert. Ziel der beiden Konzerne ist es, den Vorsprung der hiesigen Industrie bei der so genannten Industrie 4.0 – also bei der Digitalisierung der industriellen Fertigung – zu verteidigen. »Wir wollen dazu beitragen, dass 4.0 zum Nutzen für die Wirtschaft in Deutschland und Europa ist.« Beide Unternehmen vereinbarten auch eine Forschungs-Kooperation, die über drei Jahre läuft und für weitere Partner offen ist.

Auch das umstrittene EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA könne nach Einschätzung von Siemens-Chef Kaeser für kräftige wirtschaftliche Impulse in Deutschland sorgen. Es werde nicht nur die Wirtschaft stützen, sondern auch »Arbeitsplätze in Deutschland und der Welt sichern«. »Die Chance, einen so großen Wirtschaftsraum zu schaffen, sollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen«, sagte Kaeser vor rund 400 Wirtschaftsvertretern. Zwar würden als Folge des Freihandelsabkommens manche Unternehmen und Wirtschaftszweige unter Druck geraten, die nicht mehr konkurrenzfähig seien. »Aber das würden sie auch so«, fügte Kaeser hinzu. Im Zuge des boomenden Energiesektors in den USA mit konkurrenzlos preiswerter Energie werde der Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren ohnehin wachsen.

Aktuell sind die USA im konjunkturellen Aufwind und versuchen durch wirtschaftspolitische Entscheidungen den Prozess zur Stärkung der ökonomischen Hegemonialposition zu stärken. Das Bruttoinlandsprodukt ist nach einem enttäuschenden ersten Quartal in den Monaten April bis Juni auf das ganze Jahr hochgerechnet mit 4,6% gewachsen. Im dritten Quartal konnte dieses starke Wachstum aufrechterhalten werden; wegen steigender Exporte und Rüstungsausgaben ist das Bruttoinlandsprodukt nun mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 3,5% gewachsen. Ein Großteil der Ökonomen hatte lediglich mit 3% gerechnet.

Die Exporte zogen im abgelaufenen Vierteljahr um 7,8% an. Angekurbelt wurde die Wirtschaft auch von ausgabefreudigen Unternehmen, die 5,5% mehr investierten. Die Verbraucher erhöhten ihre Konsumausgaben – die für etwa 70% des Bruttoinlandsproduktes stehen – um 1,8%. Auch der Staat trug zum Wachstum bei: Er steigerte seine Rüstungsausgaben so kräftig wie seit über fünf Jahren nicht mehr. Die zweitgrößte Ökonomie bleibt damit eine der globalen Wachstumslokomotiven. Sie soll in diesem Jahr mit 2,2% so kräftig zulegen wie kaum ein anderes großes Industrieland, sagt der Internationale Währungsfonds voraus. 2015 soll es sogar ein Plus von 3,1% geben.

 

Normalisierung der Geldpolitik

 Wegen der deutlichen Erholung stellt die US-Zentralbank ihre milliardenschweren Konjunkturspritzen zum Monatsende ein. Seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 hatte sie ihre Bilanz auf mehr als 4 Bio. $ ausgeweitet und durch den Ankauf von Wertpapieren ist neben den niedrigen Zinsen eine offensive Kreditversorgung erreicht worden.

Seit September 2008 ist die Bilanz des Fed um 3,5 Bio. $ auf etwa 25% des Bruttoinlandsprodukts gewachsen. Ab September 2012 sind zunächst monatlich Wertpapiere in Höhe von 85 Mrd. $ gekauft worden. Befürworter der unkonventionellen Politik behaupten, dass ohne Nullzinsen und Anleihekäufe die wirtschaftliche Erholung in den USA – und damit der Welt – viel schwächer ausgefallen wäre. Die positive Entwicklung der US-Arbeitslosenquote spricht für diese Sicht. Und zweifellos hat das Fed zu einem starken Anstieg von Vermögenswerten und insbesondere Aktien beigetragen.

Für die USA und die Weltwirtschaft bedeutet das Ende des Ankaufprogramms den Anfang der Rückkehr zu einer normalen Geldpolitik. Denn die Leitzinsen will das Fed auch nach Beendigung des Anleihekaufprogramms noch »für geraume Zeit« bei 0 bis 0,25% halten, vor allem wenn die prognostizierte Inflation unter dem Zielwert von 2% bleibt. Gegenwärtig beträgt die Teuerung 1,5%. Die Benzinpreise in den USA sind auf dem tiefsten Stand seit vier Jahren, was der US-Wirtschaft zweifellos weiter Schwung verleihen wird.

Zu Beginn des Ende Oktober beendeten dritten Anleihekaufprogramms hatte die Arbeitslosenquote 8,1% betragen; im September betrug sie noch 5,9%. Mit den drei Programmen gingen starke Anstiege der Aktienpreise einher.


Expansive Geldpolitik erfolgreich?

Die Furcht vor einer deflationären Abwärtsspirale war der Hintergrund für das ungewöhnliche Experiment einer expansiven Geldpolitik. Mit dieser Politik wurden die Refinanzierungskosten für notleidende Kredite für den Staat, für Unternehmen als auch für Haushalte tiefgehalten. Das hat Konsum und Investitionen angekurbelt und dadurch die Konjunktur als ganze stabilisiert. Darüber hinaus habe die expansive Geldpolitik den Dollar geschwächt und die Zahl der Arbeitslosen gedrückt, indem sie ein Umfeld schuf, in welchem mehr Arbeitsplätze kreiert wurden. Der Preis für diese Effekte war eine Verzerrung der Vermögenspreise und eine Verschärfung der Schieflage in den Verteilungsverhältnissen.

Das Ende der expansiven Notenbankpolitik ist der erste Schritt zur Normalisierung der US-Geldpolitik. Es wird erwartet, dass eine Zinserhöhung in den nächsten Monaten der nächste Schritt sein wird. Diese Normalisierung wird zunächst auf die USA beschränkt bleiben. Die japanische Notenbank hat bereits erklärt, dass sie dem Vorbild der größten Notenbank nicht folgen wird. Weil auch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank fortgeführt werden wird, sehen wir eine geldpolitische Entkoppelung des alten und neuen Kontinents.

Diese Entwicklung führt zu einer weiteren Stärkung des Dollars. Es zeichnet sich ab, dass der Eurokurs gegenüber dem Dollar weiter schrittweise fallen wird. Das stützt die Konjunktur und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit: Ein schwächerer Euro führt dazu, dass europäische Produkte relativ günstiger auf dem Weltmarkt angeboten werden können.

Dazu kommt: Ein starker US-Dollar hält die Ölpreise, die Inflation und das Zinsumfeld in den USA tief. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft: Der tiefe Ölpreis drückt auch die europäische Inflationsrate und stärkt die produzierende Industrie.

Schlussfolgerung: Die expansive Notenbankpolitik hat in den USA zur Überbrückung einer schweren Wirtschaftskrise beigetragen. Angesichts eines rückläufigen Wirtschaftswachstums in China und bei anderen Schwellenländern rücken die USA wiederum deutlich in die Position der globalen Hegemonialmacht. Gleichwohl ist die proklamierte Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten zunächst ein optimistisches Szenario. Denn noch immer ist die Wertschöpfung in Fernost deutlich mit Wettbewerbsvorteilen ausgestattet. Trotzdem haben die Schiefergasrevolution, das einmalige IT-Know-how und der Unternehmergeist das nach der Finanzkrise gebeutelte Land wieder in eine bessere Form gebracht. Die Demokraten versuchen in den letzten Tagen des Wahlkampfes mit den positiven Daten zu punkten: Obamas Wirtschaftsberater Jason Furman unterstreicht die herausragende Rolle der USA in der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Entwicklung, nicht ohne aber auf die Notwendigkeit hinzuweisen, noch mehr für das Wachstum zu tun. Mehr Investitionen in Infrastruktur, Industrie und Innovation sowie die Erhöhung des Mindestlohns sind die Rezepte der Demokraten. In der Tat: Die Erfolge der Wirtschaftspolitik können nicht bestritten werden, aber es sind eben nur die ersten Schritte. Die Strukturprobleme – hohe Schuldenlast und drückende Verteilungsverhältnisse – sind nach wie vor ungelöst.

[1] Die zwei größten Bahnbau-Konzerne Chinas stehen vor der Fusion. Sie wollen künftig den Weltmarkt für Eisenbahnausrüstungen dominieren und damit den milliardenschweren Bau von Hochgeschwindigkeitszügen in aller Welt. In China soll das Bahnstreckennetz schnell wachsen – aus Gründen besserer Verkehrsanbindung und um die zuletzt lahmende chinesische Konjunktur anzukurbeln. Vergangenen Dezember erhielten die heimischen Konzerne CNR und CSR den Zuschlag für den Bau von 258 Hochgeschwindigkeitszügen im Gesamtwert von gut 7 Milliarden Dollar. Die einst dominierenden Bahnbauer, die Konzerne wie Alstom, die kanadische Bombardier und der deutsche Siemens-Konzern haben den chinesischen Konkurrenten bereits viel Terrain überlassen müssen. In Kalifornien bieten die Chinesen derzeit um einen Auftrag über 95 Hochgeschwindigkeitszüge. Die Vereinigten Staaten sind auch für Siemens ein wichtiger Markt.

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