29. Juli 2025 Detlef Umbach: Die Abwicklung der Hilfsorganisation USAID
USA: Bloß kein Mitgefühl!
Die von Elon Musk bis zu seinem Ausscheiden geführte Behörde für Effektivität DOGE suchte gerade bei USAID nach der Verschwendung von Staatsmitteln, weil Musk davon überzeugt war, dass es sich dabei um »eine kriminelle Organisation« [1] handelt. Donald Trump hatte erklärt, diese Behörde werde von »einer Gruppe wahnsinniger Radikaler«[2] geführt.
Am Tag seiner Amtseinführung hatte der US-Präsident eine »Executive Order« herausgegeben, nach der »neue Verpflichtungen und Auszahlungen von Entwicklungsgeldern für 90 Tage«[3] zu stoppen sind. Die globale Hilfsorganisation USAID, von Präsident Kennedy einst gegründet, hatte 2024 Hilfen für über 35 Mrd. US-Dollar weltweit verteilt. Sie befand sich durch den Präsidentenerlass hinsichtlich der Finanzierung ihrer langfristigen Programme in einer unklaren Situation.
Es kam dann zu einer Auseinandersetzung von DOGE mit den Beschäftigten von USAID, die mit der Schließung der Behörde endete. Bereits Anfang Februar 2025 war USAID weitgehend geschlossen und fast die gesamte Belegschaft entlassen. »Die Idee sei gewesen, alles zu zerstören, sagte ein Experte für globale Gesundheitssicherheit bei USAID, der aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen anonym bleiben wollte.«[4]
DOGE suchte explizit nach »viraler Verschwendung«, also medientaugliche Beispielen von staatlicher Verschwendung. Damit waren Musk und DOGE dann auf eine Weise erfolgreich, die ihre ganze Inkompetenz offenlegte. Am »28. Januar betrat Karoline Leavitt […] das Podium für ihre erste Pressekonferenz als Trumps Pressesprecherin [… Sie erklärte:] ›Es waren fast 50 Millionen Steuergelder, die für die Finanzierung von Kondomen in Gaza ausgegeben wurden […] eine absurde Verschwendung‹«.[5] Trump legte nach, indem er von Kondomen für die Hamas sprach und darüber Witze riss. Mitarbeiter von USAID versuchten erfolglos, die Dinge richtig zu stellen: Es handelte sich nämlich nicht nur um Kondome, sondern um ein Programm zur Familienplanung, und die Mittel gingen in die Provinz Gaza, und diese liegt in Mosambik.[6]
USAID war bis zur Schleifung durch die Trump-Regierung die weltweit größte Hilfsorganisation gewesen. Zu ihren Aufgaben »gehörten die Prävention und Behandlung von Krankheiten wie HIV und Malaria, die Bereitstellung von Nahrungsmittelnothilfen […] sowie die Unterstützung von Gemeinden bei der Bewältigung von Klimaschocks wie Stürmen und Dürren«.[7]
Gerade von linker Seite hatte es immer wieder Kritik an USAID gegeben, weil die Behörde ihre Hilfsmittel fast gänzlich in den USA kaufte. USAID war dadurch immer zugleich ein Faktor der Nachfrage für die amerikanische Landwirtschaft. Und natürlich war die Hilfe nicht gänzlich »selbstlos«, sie war immer auch ein Mittel der Stabilisierung des amerikanischen Einflusses weltweit.
Gerade die medizinischen Hilfen und die Lebensmittelhilfe waren in der amerikanischen Bevölkerung durchaus populär. Daher lehnten rund 45% der amerikanischen Bevölkerung die Schließung von USAID ab, während sie rund 35% gut fanden.[8] Für die weitere Erhaltung von USAID hatten sich die ehemaligen Präsidenten Barack Obama und George W. Bush jun. eingesetzt. Der aktuelle US-Außenminister Marco Rubio hatte sich als Senator immer wieder sehr lobend über USAID geäußert. Beim Untergang von USAID hielt er sich dann aber bedeckt.
»Als die US-Behörde für internationale Entwicklung Anfang Februar aufgelöst wurde, machten sich Hilfskräfte und Beamte in Washington D.C. und in der ganzen Welt daran, zu retten, was zu retten war.«[9] Bis heute geht der Kampf darum weiter, welche Programme in welchen Umfang weitergeführt werden. Wahrscheinlich wird sich im Herbst klären, welche Programme das Außenministerium tatsächlich fortführt. Zurzeit existiert nur noch etwa ein Sechstel der ursprünglichen Programme. Allerding sind es oft gerade die Programme mit großen Volumen.[10]
Eine besondere Katastrophe entwickelte sich bei den bereits bezahlten oder gespendeten Medikamenten und Ernährungsmitteln. Nicholas Kristof berichtete von Lagerhäusern in Westafrika mit Millionen Dosen von Medikamenten gegen die in Afrika weit verbreiteten Krankheiten wie Malaria, Flussblindheit, Wurmkrankheit, Bilharziose u.a. Diese Medikamente werden aufbewahrt und bewacht, aber sie können nicht verteilt werden. Wegen der Schließung von USAID existiert die Organisation zur Verteilung nicht mehr.
Aus den USA berichtete Kristof von fast 700.000 Kartons bezahlter Erdnusspaste-Riegel, deren Hersteller nicht wissen, wohin sie diese liefern sollen. In Afrika ist Erdnusspaste das Rettungsmittel für unterernährte Kinder. Kristof berichtete von seinen Reisen, dass sowohl die Medikamente wie die Erdnusspaste in den von ihm besuchten Dörfern oft dringend gebraucht werden. Dort haben der Hunger und das Sterben wegen ausbleibender Hilfen bereits begonnen.[11] Kristof hat über diesen Skandal monatelang immer wieder berichtet, ohne dass die amerikanische Regierung reagiert hat.
Es gibt nur wenig Hoffnung, dass die ausbleibenden amerikanischen Hilfen von anderen Nationen ersetzt werden könnten. Großbritannien hat seine Hilfen für die Entwicklungsländer um 40% verringert, Frankreich strebt eine Kürzung seiner Hilfen in der Größenordnung von einem Drittel an, und Deutschland hält sich zurück.[12]
Eine in der Zeitschrift »The Lancet« erschienenen Untersuchung belegt, dass die Schließung von USAID in den nächsten fünf Jahren zu ca. 14 Millionen zusätzlichen Todesfällen führen kann, darunter ca. 4,5 Millionen Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren.[13]
Neben Trump war Musk der Hauptverantwortliche für die mit der Schließung von USAID ausgelöste humanitäre Katastrophe. Musk rechnet sich zu den Starken in der Welt, die sich von solchen Katastrophen nicht beeindrucken lassen. Denn, so erklärte er schon vor Jahren, »die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation ist das Mitgefühl […] Liberale und Progressive nutzen einen Fehler (bug) in der westlichen Zivilisation aus, nämlich die Reaktion des Mitgefühls.«[14] Für die rechtsradikalen Republikaner wird die Ablehnung des Mitleids dadurch zu einem Problem, dass sie sich gleichzeitig auch als gute Christen verstehen. Mitleid und Mildtätigkeit sind tatsächlich Kern-Forderungen des christlichen Glaubens. Die scheinbare Lösung des Widerspruchs bietet das Konzept einer »toxischen Empathie«.[15] »In diesem Sinne droht der rhetorische Rahmen der toxischen Empathie, der den Konservativen Seelenfrieden verschaffen soll, Christen gegenüber moralischen Forderungen des Christentums unempfindlich zu machen«.[16]
Detlef Umbach ist Rentner und lebt in Hamburg. Alle Übersetzungen aus dem Amerikanischen ohne Verweise stammen vom Verfasser. Der Text wurde am 25.7.2025 abgeschlossen.
Anmerkungen
[1] The death of foreign aid, The Economist, 6.3.2025.
[2] Ebd.
[3] Chistopher Flavelle u.a., Misssteps, Confusion and ‚Viral Waste‘: The 14 Days That Doomed U.S.A.I.D., New York Times, zitiert NYT, 22.6.25.
[4] Amy Schoenfeld Walker u.a., What Remains of USAID? NYT 22.6.25.
[5] Flavelle u.a., a.a.O.
[6] Vgl. ebd.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Richard Wieke u. Gar Meng Leong, Majorities of American Support …, PEW, 1.5.2025.
[9] Amy Schoenfeld Walker u.a.. a.a.O.
[10] Vgl. Ebd.
[11] Vgl. Nicholas Kristof, Really Secretary Rubio? I’m Lying About ther Kids Dying Under Trump? NYT 31.5.25; Ders., The Waste Musk Created, NYT 21.6.25; Ders., The U.S. Cannot Solve All the World‘s Problems, NYT 25.6.25 ; Ders. u. Kristina Samuelewski, U.S.A.I.D. Might Be Dead, but the Waste is Allife and Well, NYT 2.7.25.
[12] Vgl. The death of foreign aid, a.a.O.
[13] Vgl. Daniella Medeiros Cavalcanti u.a., Evaluating the impact of two decades of USAID interventions and projecting the effects of defunding on mortality up to 2030: a retrospective impact evaluation and forecasting analysis, The Lancet, Vol. 406, S.283-294.
[14] Zitiert nach Robert Reich, Trump, Musk, Republicans, and the Empathy Bug, substrack.com, 1.7.25.
[15] Siehe Allie Beth Stuckey, Toxic Emphathy, How Progressives Expliot Christian Compassion, Sentinel, 2024.
[16] Elisabeth Bruenig, The Conservative Attack on Empathy, The Atlantic, 30.6.25.













