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Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

22. Oktober 2019 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Verteilung des Reichtums in Deutschland

ernie.else/flickr.com (CC BY-ND 2.0)

Das Kapitaleigentum und das sonstige Vermögen in aller Welt sind nach einer Untersuchung der Schweizer Großbank Bank Credit Suisse im vergangenen Jahr um 2,6% auf 360 Bio. US-Dollar gestiegen.[1]

Gemessen am Gesamtvermögen in aller Welt rangierte Deutschland auf dem vierten Platz, beim Pro-Kopf-Vermögen mit 217.000 Dollar jedoch nur auf Platz 19. Immobilien machten in Deutschland einen großen Teil des Haushaltsvermögens aus im Vergleich etwa zu Wertpapieren, d.h. dass 58% des Bruttovermögens der privaten Haushalte auf Sachvermögen entfällt. Und: Die Vermögensunterschiede sind der Studie zufolge in Deutschland größer als in anderen großen westeuropäischen Ländern: Die obersten ein Prozent der Vermögenden kämen in Deutschland auf 30% des Gesamtvermögens, während der Wert in Italien und Frankreich 22% betrage. Und der »Gini-Koeffizient«, der die Ungleichverteilung von Vermögen beziffert und Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann (je höher, desto ungleicher), liege in Deutschland bei 0,82, verglichen mit 0,67 in Italien und 0,70 in Frankreich.

Was ist das Erstaunliche an dieser Tendenz? Seit Jahren ist bekannt, dass die Reichen immer reicher werden. Der wichtigste Indikator für die wachsende Ungleichheit ist besagter Gini-Koeffizient. Dessen kontinuierlicher Anstieg in den vergangenen fünfzig Jahren kann am Fall der USA verdeutlicht werden.



Die große Mehrheit der Bürger*innen ist mit dieser Tendenz zur Verstärkung der Ungleichheit immer weniger einverstanden, auch wenn die Proteste und der Widerstand auch häufig nicht überzeugend ausfällt. Bemerkenswert ist seit einiger Zeit, dass diese Tendenz zur Konzentration des Eigentums samt der daraus resultierenden Einkommen auch aus den oberen Schichten mehr und mehr kritisiert wird. Auch die eigentlichen Nutznießer sehen Veränderungsbedarf, denn diese Zusammenballung wird selbst zum Hindernis für die weitere Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums. Während das reale Einkommen der 60% mit dem niedrigsten Einkommen in den vergangenen Jahrzehnten stagniert hat, ist dasjenige der 40% mit dem höchsten Einkommen kontinuierlich gestiegen.

Diese Tendenz zur einseitigen Verteilung zeigt sich auch in der »Berliner Republik«, die in der Rangliste nach den USA auf Platz vier liegt. Seit Jahren kassieren vor allem die höheren Schichten den Hauptanteil der jährlichen gesellschaftlichen Wirtschaftsleistung ein. Ärmere und durchschnittlich verdienende Personen gehen dagegen weitgehend leer aus. Die deutsche Wirtschaft gehört zu einer der leistungsfähigsten weltweit. Die massive Verschärfung wird im DGB-Verteilungsbericht 2019 offenbar.[2]

Arbeitsmarkt

Die soliden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass seit dem Jahr 2012 eine leichte Aufwärtsbewegung bei der Lohnquote zu erkennen ist. Dies ist in erster Linie auf die gute Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Löhne und Gehälter zurückzuführen bei gleichzeitig geringer steigenden Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Im Jahr 2018 erreichte sie mit 70,8% ihren höchsten Wert seit 15 Jahren. Folglich werden mehr als zwei Drittel der gesamtwirtschaftlichen Einkommen aus abhängigen Beschäftigungsverhältnissen erwirtschaftet. Etwa ein Drittel entfällt auf Einkommen, die aus Unternehmertätigkeit und Vermögen hervorgehen, wie Gewinne, Zinsen, Dividenden, Pachten und Mieten.



Trotz dieser erfreulichen Trends gibt es nach wie vor Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Es entstehen zwar neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, aber Langzeitarbeitslose profitieren kaum vom Aufschwung. Zudem handelt es sich bei neu entstandenen Arbeitsplätzen zum großen Teil um Leiharbeit, Teilzeit- und befristete Beschäftigung. Inzwischen arbeiten mehr als 40% der Beschäftigten in atypischer Beschäftigung, gleichbedeutend mit mehr als 22 Mio. Anstellungsverhältnissen. »Das Ausmaß von atypischer und prekärer Arbeit stieg zuletzt weniger stark als in der Vergangenheit, verharrt aber auf hohem Niveau und ist für viele Beschäftigte keineswegs eine Brücke in den Arbeitsmarkt, sondern ein Dauerzustand.« Ein Problem stellt die Teilzeitarbeit dar. Es gibt viele Hinweise, dass diese häufig unfreiwillig ausgeübt wird.



Im Jahr 2018 arbeiteten über eine Mio. Menschen in einem Leiharbeitsverhältnis. Leiharbeit ist ein höchst unsicheres Arbeitsverhältnis und wird in mehr als der Hälfte der Fälle nach weniger als drei Monaten wieder beendet. Dies ist zusätzlich vor einem dramatischen Einkommensunterschied im Vergleich zu Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen zu sehen. Niedrigeres Einkommen, schlechtere Arbeitsbedingungen, ein erhöhtes Risiko arbeitslos zu werden und geringe Aufstiegschancen müssen auch die 2,8 Mio. befristet Beschäftigten erdulden. So ist es nicht verwunderlich, dass atypisch und prekär Beschäftigte häufig zu den 1,1 Mio. abhängig Beschäftigten gehören, die auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind.

Einkommensverteilung

Trotz der guten ökonomischen Lage und der Verbesserung der Lohneinkommen für größere Teile der abhängig Beschäftigten, hat sich an der Ungleichheit der Einkommen nichts geändert. »Zwar ist die Einkommensungleichheit nach Daten von der europäischen Statistikbehörde Eurostat zuletzt etwas zurückgegangen, doch zeigt die langfristige Perspektive, dass die Einkommen im Trend ungleicher verteilt sind als 2005. Von 2005 bis einschließlich 2016 stieg der Gini-Koeffizient von 0,261 auf nunmehr 0,291.«

Ein temporäres Hoch bei der Einkommensungleichheit wurde im Jahr 2007 erreicht, also unmittelbar vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. »Im Zuge der weltweiten ökonomischen Verwerfungen sanken auch die Kapitaleinkommen erheblich, die in erster Linie von den Einkommensstärksten generiert werden. Zudem mussten auch Besserverdienende Einschnitte bei ihren Gehältern und Jobverluste hinnehmen, mit der Folge, dass sich die Einkommensunterschiede relativ betrachtet anglichen. Diese Entwicklung setzte sich bis einschließlich 2012 fort. Danach stieg die Ungleichheit wieder über das Niveau des Jahres 2007.«



Ein wichtiger Faktor für die leichte Abschwächung
der Ungleichheit, war nach Ansicht des DGB die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes im Jahr 2015. »Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat zu deutlichen Steigerungen des Lohns am unteren Rand der Lohnverteilung geführt. Dies gilt insbesondere für Beschäftigtengruppen, die vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns anteilig überdurchschnittlich häufig unter der Mindestlohnhöhe verdienten. Dazu zählen Beschäftigte in Ostdeutschland, geringfügig Beschäftigte, Personen ohne Berufsausbildung, Beschäftigte in kleinen Unternehmen und Frauen.«

Kritisch ist hier allerdings anzumerken, dass nach aktuellen Untersuchungen des DIW und der Böckler-Stiftung auf Basis des SOEP die Ungleichheit der Einkommensverteilung in den letzten Jahren nicht nur stagniert, sondern zugenommen hat. »Auf Basis der analysierten SOEP-Daten wird klar: Nach dem Jahr 2005 ist der Anstieg der Ungleichheit vorerst stark abgeschwächt. Seit 2010 aber wächst die Einkommensungleichheit wieder deutlich und das ungeachtet der guten konjunkturellen Rahmenbedingungen sowie der äußerst günstigen Arbeitsmarktlage.«[3]

Unstrittig ist allerdings, dass gerade das untere Fünftel der Haushalte den ökonomischen Anschluss an die deutsche Gesellschaft verliert. So haben sich laut DGB-Verteilungsbericht die Einkommen am aktuellen Rand zwar gut entwickelt, »aber in der Langfristperspektive gibt es große Unterschiede. Laut DIW (Wochenbericht 19/2019) »stiegen die realen, also um die Preisentwicklung bereinigten Einkommen des reichsten Zehntels von 1991 bis 2016 um 35%. Im gleichen Zeitraum fielen jedoch die realen Einkommen des ärmsten Zehntels um gut 9%, die des zweiten Zehntels stagnierten.«



Vermögensverteilung

Auch bei der Vermögensverteilung kommen DIW[4] und DGB bei den Entwicklungstendenzen hin zu extremer Ungleichheit zu gleichen Schlussfolgerungen, im Detail der Befunde aber zu nicht zu vernachlässigenden Unterschieden. Ursache sind auch hier wieder unterschiedliche Datenquellen: Während das DIW auf die SOEP-Daten zurückgreift, bezieht sich der DGB-Verteilungsbericht auf den Global Wealth Report der Credit Suisse. Danach besaßen die vermögendsten 10% 2018 über 64% des Nettovermögens hierzulande. Allein das vermögendste Prozent versammelt etwa 30% des gesamten Vermögens. Auf der anderen Seite der Vermögensverteilung sieht es nicht so rosig aus. Ein Fünftel der Bevölkerung verfügt über faktisch kein Vermögen oder hat gar Schulden (2. und 1. Dezil).



Demgegenüber weist das DIW für die oberen 10% einen Vermögenanteil von 56% des Gesamtvermögens aus. »Zieht man nur das reichste Prozent heran, so beläuft sich deren Vermögensanteil auf schätzungsweise 18%. Dies ist ungefähr so viel, wie die ärmsten 75% der Bevölkerung zusammen an Vermögen halten.«

Diese Unterschiede schlagen sich auch bei der Einordnung der Vermögensverteilung im internationalen Vergleich nieder. Die Vermögensungleichheit ist danach in Deutschland sehr viel stärker ausgeprägt als in vielen anderen Industriestaaten. »Die starke Ungleichheit der Vermögen in Deutschland zeigt sich ebenso im Ausmaß des Gini-Koeffizienten, der … die Verteilung der Vermögen über die ganze Gesellschaft misst. In Deutschland ist dieser mit einem Wert von 0,816 sehr hoch und auch im internationalen Vergleich stellt dies ein überdurchschnittliches Ausmaß dar.

Seit dem Jahr 2010 stieg der Gini-Koeffizient in Deutschland um 19,3%, was gleichbedeutend mit einer Zunahme der Vermögensungleichheit ist. Wiederum zeigt sich, dass die Ungleichheit der Vermögen in den USA sowie Schweden sehr groß ist. Am stärksten nahm die Vermögensungleichheit in Irland und Finnland seit dem Jahr 2010 zu. Am geringsten ist die Ungleichheit über die gesamte Bevölkerungsgruppe in Japan, Malta und Litauen. Den stärksten Rückgang der Ungleichheit seit 2010 gibt es in der Schweiz, Australien und Frankreich.«
Demgegenüber weist die Europäische Zentralbank für 2014 für Deutschland unter den Euroländern neben Lettland und Irland die höchste Vermögensungleichheit aus. Danach liegt der Gini-Koeffizient für Deutschland bei 0,76, in Frankreich bei 0,68 und für Italien und Belgien bei 0,60. Höher als in Deutschland ist die Vermögensungleichheit in den USA (Gini-Koeffizient 0,88 für das Jahr 2016).

Handlungsfelder

»Die Einkommen und Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Fakt ist: Die Ungleichheit muss bekämpft werden, hierzulande, in Europa und weltweit. Sie schadet Gesellschaft, Wirtschaft und dem sozialen Zusammenhalt gleichermaßen. Wir dürfen die Bewältigung eines der drängendsten wirtschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit nicht auf die lange Bank schieben, sondern das Problem muss jetzt und unverzüglich angegangen werden. Hier ist vor allem die Politik gefragt.«

Deshalb schlägt der DGB ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, die von der Einhaltung des Mindestlohns über die Zurückdrängung prekärer und atypischer Beschäftigung bis hin zur Stärkung der Tarifbindung und der Mitbestimmung reichen. Darüber hinaus geht es um mehr Investitionen in öffentliche Güter, die allen zustehen: in die Infrastruktur, den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen und in Bildung. Es geht um armutsfeste Rente, bezahlbares Wohnen und um einen sozialgerechten Klimawandel. Schließlich müssen Besserverdienende und Vermögende durch eine gerechte Steuerpolitik wieder stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden.

[1] Credit Suisse, Global Wealth Report 2019. Der Report ist »he most comprehensive and up-to-date source of information on global household wealth«.
[2] DGB Bundesvorstand, Gerecht ist besser – Höchste Zeit für faire Verteilung!, DGB Verteilungsbericht 2019/20.
[3] Dorothee Spannagel, Katharina Molitor, Einkommen immer ungleicher verteilt, WSI-Verteilungsbericht 2019, WSI-Report Nr. 53, Oktober 2019, S. 1.; M. Grabka, /J. Goebel, J./Liebig, S. (2019): Wiederanstieg der Einkommensungleichheit – aber auch deutlich steigende Realeinkommen, in: DIW Wochenbericht (19), S. 343–353. Siehe auch Joachim Bischoff/Bernhard Müller, Eigentum und Arbeitsleistung, in Sozialismus 11/2019 (im Erscheinen).
[4] Markus M. Grabka und Christoph Halbmeier, Vermögensungleichheit in Deutschland bleibt trotz deutlich steigender Nettovermögen anhaltend hoch, DIW Wochenbericht 40/2019. Vgl. dazu Auch Bischoff/Müller a.a.O.

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