23. August 2017 Joachim Bischoff: Das Ziel der US-Außen- und Militärpolitik
»We are killing terrorists.«
Als Präsidentschaftskandidat hat Donald Trump sich gegen US-Militäreinsätze wie im Irak, in Syrien oder Afghanistan ausgesprochen. Nach seinem Amtsantritt ließ der Präsident die Strategie im längsten Krieg, den die USA je führten – in Afghanistan – überprüfen. Jetzt hat Trump seine weiteren Pläne vorgestellt. Es geht um eine neue Strategie in Afghanistan und Südasien.
Das amerikanische Volk sei des seit 2001 dauernden Krieges überdrüssig, eines »Krieges ohne Sieg«. Er teile diese Frustration. »Mein ursprünglicher Instinkt war abzuziehen«, betonte Trump. Seine Sicherheitsberater hätten ihn aber von einem stärkeren Engagement überzeugt. Ein schneller Abzug bringe »vorhersehbare und inakzeptable« Konsequenzen mit sich und sei somit vom Tisch.
Tatsächlich ist das eine Kehrtwende. Trump hatte bereits vor seiner Präsidentschaftskandidatur die US-Kriege im Irak, in Syrien und Afghanistan scharf kritisiert. Sein demokratischer Amtsvorgänger Barack Obama setzte zumindest sein Wahlversprechen, die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, um – nur um später dann wieder eine kleine Präsenz aufzubauen. Afghanistan, in das die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einmarschierten, ist mittlerweile der längste Krieg in der US-Geschichte.
Ganz in der Logik des »America first« werden sich die Vereinigten Staaten Amerika von dem Geschäft der Verbreitung demokratischer Werte verabschieden. Künftig gehe es nicht mehr um »Nation Building» – also den Versuch, in Afghanistan oder anderswo eine Demokratie nach amerikanischem Vorbild zu schaffen. Zu lange habe man sich in der amerikanischen Außenpolitik darauf konzentriert, Staaten nach amerikanischem Ideal wiederaufzubauen, anstatt die Sicherheitsinteressen der Nation zu verteidigen. Der Präsident umschrieb Amerikas Mission mit unmissverständlicher Klarheit: »We are killing terrorists.«
Donald Trump will für die USA den Krieg gegen die Taliban gewinnen. Es gebe für Amerikas Feinde keinen Ort, wo sie sich verstecken könnten. Er versprach, dem Militär alle notwendigen Mittel in die Hand zu geben, um zu kämpfen und uneingeschränkt und rasch Krieg zu führen. Er habe eine klare Definition für »Sieg«: die Terroristen des Islamischen Staats zu eliminieren, die Taliban daran zu hindern, die Macht in Afghanistan zu übernehmen sowie massenmörderische Terroranschläge in Amerika zu verhindern.
Der US-Präsident ordnete an, die US-Armee beim Kampf gegen Netzwerke von Extremisten und Kriminellen mit mehr Befugnissen auszustatten. Die Feinde könnten sich nirgendwo verstecken. »Unsere Soldaten kämpfen, um zu gewinnen«, betonte er. Wie lange der Einsatz dauern soll, ließ er offen.
Die neue Strategie ist ein Zugeständnis die militärischen Berater des Weißen Hauses, die eine Aufstockung der Truppen fordern. Dagegen hatte sich in der Vergangenheit vor allem Trumps nun entlassener Chefstratege Steve Bannon ausgesprochen. Dieser hatte dafür plädiert, einem kommenden Wirtschaftskrieg mit China um die Globalhegemonie alles unterzuordnen. Nun wird die Zahl der amerikanischen Soldaten in Afghanistan erhöht – genaue Zahlen nannte Trump jedoch nicht.
Auch die Strategie gegenüber Pakistan, einst ein Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus, nun »sicherer Hafen« der Feinde Amerikas, will der US-Präsident verschärfen: »Wir haben Pakistan Milliarde um Milliarde gezahlt, während sie die Terroristen beherbergen, die wir bekämpfen.«. Pakistan habe den von Amerika verfolgten Terroristen Asyl gewährt, das werde sofort aufhören. Wie der Präsident das erreichen will, ließ er offen. Es sei für Pakistan an der Zeit, zu beweisen, dass es Zivilisation, Ordnung und Friede verpflichtet sei. Indien müsse mehr zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beitragen. Für seine »Südasien-Strategie«, wie er es nannte, will der amerikanische Präsident auch NATO-Verbündete und Indien verpflichten. Er erwähnte während seiner Rede, dass Indien im Handel mit Amerika gutes Geld verdiene.
Die USA werden also auch die NATO-Verbündeten und andere Partner bitten, in gleichem Umfang zusätzliche Truppen und Geld zur Verfügung zu stellen. »Wir sind zuversichtlich, dass sie das auch tun werden«, sagte der Präsident. Verteidigungsminister James N. Mattis kündigte Beratungen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und den Alliierten an. Einige von ihnen hätten sich bereits verpflichtet, mehr Truppen zu schicken, erklärte der frühere General bei einem Besuch in Jordanien. Der internationale Einsatz in Afghanistan wird von der NATO angeführt.
Donald Trump äußerte in seiner Rede zudem die Hoffnung, dass der Konflikt in Afghanistan nach einem militärischen Erfolg politisch gelöst wird und daran auch Teile der Taliban beteiligt sein können. »Aber niemand weiß, ob oder wann das passieren wird.« NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte umgehend dieses Bekenntnis zum Kampf gegen die Taliban in Afghanistan.
Zwar der US-Präsident die Anstrengungen Afghanistans selbst, eine Befriedung des eigenen Landes zu erreichen, doch stellte er klar, dass das nicht genüge. Die Afghanen müssten mehr tun. Amerikas Engagement sei nicht endlos, die Hilfe kein Blanko-Check und die Geduld nicht unendlich. Amerikas Augen seien weit offen, verhieß Trump und wandte sich dann an Pakistan und Indien, forderte von beiden mehr Beistand.
Mit der »neuen« Strategie soll verhindert werden, dass die radikalislamischen Taliban die Regierung in Kabul stürzen. Wie viele Soldaten zusätzlich an den Hindukusch entsandt werden, sagte Trump nicht. Regierungskreisen zufolge billigte er aber den Plan des US-Verteidigungsministers, die 8.400 Mann starke Truppe um 4.000 aufzustocken.
Unter dem Strich wird sich wenig ändern: Bislang war das Töten der »Extremisten« mit demokratischen Werten verbrämt worden. Das »Nation building« war kein relevantes Ziel. Jetzt wird in Südasien ein Konzeptionswechsel eingeleitet, der die US-amerikanischen Interessen sichtbar macht. Ob die NATO diese neue Strategie insgesamt trägt, wie ihr williger Generalsekretär Stoltenberg verkündet, bleibt abzuwarten. Europas Politiker erhalten so eine weitere Chance, die Werte des »demokratischen Kapitalismus« zu vertreten.