21. Juli 2014 Redaktion Sozialismus
Werner Vitt (1926-2014)
Am 1. Juli 2014 verstarb im Alter von 87 Jahren in Hannover der Gewerkschafter und Sozialist Werner Vitt. Geboren am 30. Dezember 1926 in Baumholder (Kreis Birkenfeld, Rheinland-Pfalz) musste der 17-jährige noch als Luftwaffenhelfer in den Krieg, wurde verwundet und kam in US-Kriegsgefangenschaft. 1947 wurde Werner Vitt Mitglied der SPD und baute die Partei im Unterbezirk Nahe-Hunsrück mit auf.
Er arbeitete ab 1949 in Birkenfeld, später in Koblenz in der öffentlichen Sozialverwaltung und wurde dort zum Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Zum 1. November 1951 wechselte er als hauptamtlicher Jugendsekretär zur IG Chemie-Papier-Keramik im Bezirk Rheinland-Pfalz. 1955 übernahm er die Angestelltenarbeit des Bezirks, dessen Leitung er nur zwei Jahre später, 1957, übernahm.
Auf dem Gewerkschaftstag 1960 wurde Werner Vitt in den geschäftsführenden Hauptvorstand gewählt. Dort war er zunächst für die Hauptabteilung »Jugend und Bildung« verantwortlich, ab 1966 dann für die Hauptabteilung »Betriebsräte-Mitbestimmung«. In dieser Zeit gehörte Werner Vitt zu jenen GewerkschafterInnen, die sich unzweideutig gegen die Notstandsgesetzgebung, für die Verteidugung und den Ausbau der Demokratie in der jungen deutschen Republik engagierten.
Sowohl die Chemie-Jugend wie die Betriebsräte – zwei für die Gesamtorganisation entscheidende Mitglieder- und Funktionskerne – wusste er zu begeistern, die KollegInnen politisch und menschlich zu überzeugen. Seine Integrationsfähigkeit und politische Glaubwürdigkeit waren die Fundamente dafür, dass er fast zwei Jahrzehnte lang, von 1969 bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand 1988, immer wieder als Linker zum stellvertretenden Vorsitzenden der IG Chemie in einer Zeit großer politischer Umbrüche und Richtungswechsel gewählt wurde. Neben vielen anderen Funktionen war er Mitglied im DGB-Bundesausschuss und zeitweise stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Hans-Böckler-Stiftung.
Als einer der Repräsentanten der Partei- und Gewerkschaftslinken war Werner Vitt Mitglied des Parteivorstands der SPD von 1973 bis 1986 – von der Hochzeit der Reformära Willy Brandts bis zum Nürnberger Parteitag, auf dem sich die SPD mit einem Reformprogramm aus der Ära Schmidt zu befreien versuchte. Auf den Sozialisten Werner Vitt war in der SPD Verlass – als Demokrat, dem sein Engagement gegen die Notstandsgesetze früh eine »Vorladung« von Herbert Wehner in die »Bonner Baracke« eingebracht hatte, und als Mitstreiter der Friedensbewegung und gern wie oft gebetener Referent zum Thema »Gewerkschafter für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit«
Werner Vitt war einer »der wichtigsten Vertreter einer offenen und gleichzeitig offensiven Gewerkschaftspolitik... Er wurde zum Ansprechpartner für viele politisch Engagierte inner- und außerhalb der Gewerkschaften«, stellte Hans Janßen (IG Metall, 1924-2011) in dem Band »Demokratie darf am Werkstor nicht enden...« heraus. In diesem Buch mit einer Auswahl von Reden und Schriften Werner Vitts, das Manfred Heckenauer, Klaus Mehrens und Jutta Roitsch im Auftrag eines Freundeskreises anlässlich seines 60. Geburtstags 1986 im VSA: Verlag herausgaben, würdigte Willy Brandt den Jubilar als jemanden, der immer »die Interessen der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften« offensiv vertreten hat – auch über das direkte gewerkschaftliche Engagement hinaus.
Wir dokumentieren ein Referat aus dem Jahr 1975, das unter dem Titel Für eine arbeitnehmerorientierte Reformpolitik in das erwähnte Buch aufgenommen wurde – und auch fast 40 Jahre später noch bedrückend aktuell ist.