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16. August 2019 Joachim Bischoff

Wirtschaft im Abwärtssog

Foto: LoboStudioHamburg/pixabay (gemeinfrei)

Seit Monaten stottert der Wachstumsmotor der deutschen Industrie. Laut den Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Industrieproduktion in Deutschland im Juni um 5,2% gegenüber dem Vorjahresmonat eingebrochen.

Die Tendenz des Niedergangs der industriellen Produktion zeigt sich schon seit einigen Quartalen: Sie ist in vier aufeinanderfolgenden Quartalen gesunken. Seit dem dritten Quartal 2018 betragen die Abschläge stattliche 0,9%, 1,1%, 0,3% und nun 1,8%. Auch in den Zeiten des großen Gewichtes der Dienstleistungsbereiche ist die materielle Produktion oder der gewerblich-industrielle Sektor der wesentliche Impulsgeber für die nationale Ökonomie. Wegen der geringeren Dynamik der Industrie schrumpfte jetzt das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal. Sollte die Wirtschaftsleistung auch im laufenden dritten Quartal zurückgehen, ist die Bundesrepublik in eine Rezession eingetaucht.


Deutsche Industrie auf Talfahrt


Die Ausrede seitens der Politik, es handele sich bloß um eine leichte Delle ist fadenscheinig. Es handelt sich mitnichten nur um die deutsche Industrie oder Exportwirtschaft. Bis zur Jahresmitte 2019 zeigte sich das Wachstum im Dienstleistungssektor zwar robust, aber jetzt verliert dieser Puffer seine Wirkung. Bislang wurde die Konjunktur in Deutschland vom Bauboom und der Konsumfreude der Verbraucher*innen am Laufen gehalten. Zuletzt hatte sich die Konsumlust der Menschen auch eingetrübt. Die Konsumforscher des Marktforschungsunternehmen GfK berichten, dass die Kauflaune im Juli zum dritten Mal in Folge gesunken und auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren gefallen sei. »Die globale Konjunkturabkühlung, der Handelskonflikt und Brexit-Diskussionen verunsichern offenbar mehr und mehr die Verbraucher.« Es gibt damit auch Hinweise auf eine Schwäche im Konsum, der sich bislang als verlässliche Stütze für die deutsche Konjunktur erwiesen hatte. Konsequenz: Schon im zweiten Quartal schreibt die gesamte Wirtschaft rote Zahlen.

Am Jahresanfang war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,4% gewachsen. Gleichwohl war Deutschland in Sachen Wirtschaftswachstum das ökonomische Schlusslicht in der Euro-Zone. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den 19 Ländern der Währungsunion betrug zwischen April und Juni 0,2% im Vergleich zum Vorquartal. Von den großen Euroländern schnitt Deutschland mit einem Minuswachstum von 0,1% am schlechtesten ab%. Der einstige ökonomische Musterknabe trägt mal wieder die rote Schlusslaterne. Die Nummer zwei Frankreich wuchs um 0,2%, während die Nummer drei Italien stagnierte. Spanien und die Niederlande schafften sogar jeweils ein Plus von 0,5%.

Die wirtschaftliche Talfahrt kommt letztlich nicht überraschend. Charakteristisches Merkmal der kapitalistischen Ökonomie ist, dass sie im Zeitablauf bei Produktivitätssteigerungen wächst, dieses Wachstum aber nicht kontinuierlich und gleichmäßig erfolgt. Jahre des Aufschwungs werden abgelöst durch Phasen wirtschaftlicher Schwäche. Für diesen Wirtschaftszyklus gilt: Wachsen die Neuinvestitionen schneller, so beschleunigt sich auch die Kapitalakkumulation. Die durchschnittliche Länge eines solchen Konsumzyklus dauert im OECD-Raum sieben bis zwölf Jahre. Wenn mitten in der Hochkonjunktur die Nachfrage nach Investitionen, die immerhin rund einen Viertel der Wirtschaftsleistung ausmachen, deutlich zurückgeht und gleichzeitig die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern nachlässt, führt dies zu einer großen Verunsicherung mit Potenzial für einen Dominoeffekt.

Gegenwärtig hat der Industriezyklus seinem Scheitelpunkt überschritten. Und die weiteren Risiken sind erheblich. Die ultralockere Geld- und Kreditpolitik hat einiges dazu beigetragen, die Dauer des Zyklus zu verlängern. Jetzt stottert der Motor der industriellen Produktion sowohl national, aber auch in der Globalökonomie.

Nach neun Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs kommt eine Rezession in Deutschland nicht überraschend. Zwar rechnen etliche Ökonomen nicht mit einem tieferen Abschwung und die Bundesregierung hält für 2019 insgesamt noch immer eine positive Entwicklung des Wirtschaftswachstums für möglich. Selbst wenn es in Deutschland im zweiten und im dritten Quartal zu einer jeweils geringfügigen Schrumpfung der Wirtschaftsleistung kommen sollte, wollen die Wirtschaftspolitiker*innen nicht von einer Rezession sprechen. Zwar erfüllten zwei Quartale in Folge mit einem negativen Bruttoinlandprodukt die Definition einer technischen Rezession, doch eine richtige Rezession sehe anders aus. Daher wird die gesamtwirtschaftliche Schwäche immer noch als Delle oder vorübergehende Stagnation klein geredet.

Ein Blick auf die rückläufige Exportentwicklung widerlegt diesen Optimismus. Deutsche Unternehmen verdienen aktuell deutlich weniger Geld mit Exporten, was auf die Abschwächung der Konjunktur in der Globalwirtschaft und auf die wachsende Tendenz zu protektionistischen Handelsbarrieren hinweist. Die starke Exportorientierung der deutschen Wirtschaft wird davon selbstverständlich tangiert. Zudem schlägt sich die Unsicherheit über die Handelskonflikte und die Folgen des Brexit auch im Finanzbereich nieder.

Im Konjunkturzyklus führen Rezessionen zu sinkenden Marktwerten, da die Konsumausgaben und die Investitionen abnehmen, die Unternehmensgewinne einbrechen und die Aktienkurse abbröckeln. Der Begriff »Finanzzyklus« benennt im Wesentlichen die sich selbst verstärkende Wechselwirkung zwischen Bewertungen, Risikowahrnehmung, tatsächlich eingegangenem Risiko und Finanzierungsbedingungen. Diese Wechselwirkung kann Konjunkturschwankungen verstärken und schlägt sich in den ebenfalls miteinander verbundenen Entwicklungen von Krediten und Vermögenspreisen nieder.

Finanzielle Faktoren sind aufgrund einer Reihe wichtiger Veränderungen seit Anfang der 1980er Jahre als Einflussfaktor für Konjunkturschwankungen wichtiger geworden. Gleichzeitig hat die Inflation als Indikator für nicht nachhaltiges Wachstum an Bedeutung verloren. Ursache: die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Deregulierung der Verhältnisse von Lohnarbeit und Kapital. Sofern nicht ausreichende flankierende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, entstand durch die Finanzmarktliberalisierung das Potenzial für größere Aufschwünge und darauffolgende Abschwünge in der Entwicklung von Krediten und Vermögenspreisen.

Der aktuelle Trend insbesondere in der Exportwirtschaft deutet darauf hin, dass Deutschland seine Rolle als Wachstumsmotor Europas einbüßt und als größte Volkswirtschaft der Gemeinschaft auch die Entwicklung der anderen Länder negativ beeinflusst. Fragt man nach den Ursachen des Niedergangs, wird zwar gern auf die negativen Einflüsse der Weltwirtschaft, der Schwäche Chinas und der anhaltenden Handelsstreitigkeiten zwischen den asiatischen Ländern und den USA verwiesen. Und wahrscheinlich liegt darin auch ein Großteil der Wahrheit, schließlich ist die Exportwirtschaft seit Jahren die tragende Säule der deutschen Ökonomie, und nur die ungebrochene Kauflaune der Deutschen verhinderte bisher, dass die Wachstumszahlen noch stärker einbrechen.

Immer lauter werden aber zurecht die Verweise auf hausgemachte Gründe für den stotternden Konjunkturmotor: viel zu wenig öffentliche und private Investitionen, kaum strukturelle Reformen, die Innovationen antreiben, und nicht zuletzt die tiefe Krise der Automobilwirtschaft, von der ein großer Teil der Deutschen direkt oder indirekt lebt.

Die stabile Binnenkonjunktur hat in den letzten Monaten die deutsche Wirtschaft in einem Zustand »zwischen Magerwachstum und Rezession« gehalten. Für die Industrie ist keine Erholung erkennbar, und der Dienstleistungssektor dreht sich ebenfalls langsam abwärts. Ökonomen rechnen daher mit einem Nullwachstum im dritten Quartal und einem insgesamt schwachen zweiten Halbjahr. Die erhoffte Erholung dürfte ausbleiben.

Lange Zyklusdauer

Bei den kapitalistischen Hauptländern gab es im letzten Jahrzehnt eine hohe Akkumulationsdynamik. Die wichtigsten Faktoren für die Beschleunigung des Aufschwunges der Globalökonomie waren:

  • US-Präsident Trump hat die größte Steuerreform seit mehreren Jahrzehnten in Kraft gesetzt. Die Ausweitung des staatlichen Haushaltsdefizits durch Militärausgaben verstärkte diesen Trend.
  • Der Austrittprozess des Vereinigten Königreichs aus der EU (Brexit) hatte bis vor kurzem keine stärkeren Rückwirkungen auf die Wirtschaft. Erst im letzten Quartal zeigt sich die politische Entwicklung in der Bewegung der britischen Währung und des Wirtschaftsprodukts.
  • Der chinesischen Regierung gelang es, die Immobilienmärkte und den Finanzsektor in der VR China zu stabilisieren, die Kapitalflucht einzudämmen und das hohe Wachstum zu stabilisieren.
  • Schließlich haben sich pro-europäische Parteien bei den nationalen Wahlen in Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion durchgesetzt.

Allerdings: In letzter Zeit zeichnet sich ein Ende dieses Trends ab. Die Weltwirtschaft läuft schon seit Anfang 2018 nicht mehr auf allen Triebwerken. Auch in den USA zeichnet sich eine Wende ab: Das Wachstum im 2. Quartal ist auf 2,1% zurückgegangen. Die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden in der Industrie ist im Juli auf ihren niedrigsten Stand seit 2011 gefallen. Die Reallöhne liegen nur leicht über ihrem Niveau von vor zehn Jahren, vor der Großen Rezession. Die realen Investitionen als Prozentsatz vom BIP liegen deutlich unter dem Niveau der späten 1990er Jahre, und das trotz einer Steuersenkung, die angeblich dazu dienen sollte, die Unternehmensausgaben anzukurbeln, aber stattdessen überwiegend für Aktienrückkäufe genutzt wurde. Auch in der Eurozone, in Japan und in Großbritannien schwächelt das Wachstum im zweiten Quartal.

Außerdem wachsen die Risiken eines Umschlages durch die Gefahr eines Handelskriegs. Die Spannungen zwischen den USA und China nicht nur beim Handel, sondern auch in Bezug auf den Technologietransfer und ausländische Direktinvestitionen werden eskalieren. Etliche Unternehmen leiden unter der Störung der globalen Wertschöpfungsketten. Das Vertrauen der Konsument*innen schwindet. Wann immer Trump das Thema Handelsungleichwichte puschte, zeigten die Wertpapiermärkte Schwächen. Falls der Handelskonflikt zwischen den USA sowie Europa und China eskaliert, droht eine noch deutlichere Korrektur der US-Börse und ein größerer globaler Effekt auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft.

Obwohl der Handelskrieg zwischen den USA und China einer der wichtigsten Beschleunigungsfaktoren für die Konjunktureintrübung und die Kursverluste an den Börsen ist, weist Präsident Donald Trump einmal mehr jegliche Verantwortung von sich. Er beschimpfte stattdessen erneut die US-Notenbank Fed, die die Leitzinsen nicht deutlich genug gesenkt habe. »Im Gegensatz zu anderen ist unsere Wirtschaft stark.« Wenn die USA überhaupt ein Problem hätten, dann sei es nicht China, sondern die Fed: »Wir könnten sehr einfach große Belohnungen und Gewinne einheimsen, aber die Fed hindert uns daran.«

Auch in den USA hat der Konjunkturzyklus seinen Höhepunkt überschritten. Die Risiken wachsen auch für die US-Ökonomie, ein Umschlag in eine rezessive Abwärtsbewegung ist dort aber noch nicht in Sicht. Aber trotz der Sonderfaktoren, außer Kraft gesetzt werden kann der zyklische Charakter der Wirtschaftsentwicklung nicht. Die wichtigsten Argumente

  • Verstärker für eine Konjunkturabkühlung sind die protektionistischen Maßnahmen und die Bedrohung des offenen multilateralen Handelssystems. Neuerdings kommt noch die wachsende Unsicherheit über die Turbulenzen im Weltwährungssystem hinzu.
  • Zwar hat die US-Notenbank eine Zinswende eingeleitet. Im Zuge der globalen Finanzkrise von 2008/2009 hatte sie die Zinsen aggressiv gesenkt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Im Jahr 2015 nahm sie die Kurve in Richtung Normalisierung und begann den Leitzins wieder sukzessive zu erhöhen. Jetzt wird die Geldpolitik erneut gelockert. In der Begründung verweisen die Notenbanker*innen auf die Sorgen über die Abschwächung der Wachstumsraten der Weltwirtschaft und die niedrige Preissteigerungsrate. Sie signalisierten schließlich die Bereitschaft, die Kreditkosten bei Zunahme der Abwärtstendenz der Wirtschaft weiter zu senken. Aber: Während eine plötzliche Straffung der Geldpolitik – die die Kreditverfügbarkeit beschränkt – die Konjunktur abbremsen kann, können die Auswirkungen einer Lockerung der Geldpolitik in Zeiten der Konjunkturschwäche nur minimal sein. Selbst der Einsatz neuer Instrumente wie der quantitativen Lockerung hat dann, wie Europa erleben musste, womöglich nur eine geringe Wirkung.
  • Turbulenzen an den »überbewerteten« Finanzmärkten begleiten die konjunkturelle Abwärtstendenz und können eine rezessiven Abwärtstendenz beschleunigen.

 

Abwärtstendenz

Die Vertreter der deutschen Wirtschaft sind pessimistisch: Nach mehreren Jahren mit mehr als 2% Wirtschaftswachstum – im vergangenen Jahr waren es noch 1,4% – traut der Spitzenverband DIHK der weltweit viertgrößten Volkswirtschaft 2019 nur noch ein Plus von 0,6% zu. Die stabile Binnenkonjunktur stützt sich nach Auffassung des DIHK auf die anhaltend hohe Konsumnachfrage der privaten Haushalte, die für mehr als 50% der deutschen Wirtschaftsleistung von fast 3,4 Bio. Euro steht. Beim Auslandsgeschäft sind die Erwartungen so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Bundesbank spricht von einer »zweigeteilten Konjunktur«: Die sehr schwache Industrie auf der einen Seite, und alle anderen Sektoren als stützende Faktoren auf der anderen Seite. Die von den Wirtschaftsforschungsinstituten vermutete Rückkehr zum Aufschwung dürfte sich als Illusion erweisen.

Auch der Internationale Währungsfonds ist skeptisch und hat seine Konjunkturprognosen für weite Teile der Welt teils drastisch zurückgenommen. Das Bedauerliche an dieser Abwärtsentwicklung ist dabei aus Sicht des IWF, dass die Talfahrt nicht etwa die Folge finsterer Börsenmächte oder schwer beeinflussbarer Marktkräfte ist, sondern das Ergebnis politischer Fehler. Als Ursachen für den Abschwung nennen die Experten in ihrem Bericht u.a. die fortgesetzten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA, China und Europa, den Rückgang der Autoverkäufe nach der Einführung neuer Abgasnormen in Deutschland, den wochenlangen Stillstand der Regierungsgeschäfte in Washington sowie die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen in Argentinien und der Türkei.

Letztlich müsste es darum gehen, eine weltweite Allianz zum Schutz der Welthandelsordnung zu schmieden – unter Einschluss von Russland und China. Die Tendenz zur »Weltunordnung« hat sich mit der Präsidentschaft von Trump massiv verschärft. Auf den zurückliegenden Gipfeltreffen(G7, G20 und Nato) wurde mehr und mehr deutlich, dass sich die europäischen Alliierten nicht mehr auf das Agieren der Führungskraft USA verlassen können. Trump verbindet ein schockierendes Maß an Ignoranz mit einem genauso schockierenden Maß an Feindseligkeit gegenüber Amerikas Alliierten und der westlichen Werteordnung.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Signale der amerikanischen Zentralbank bleibt eine sanfte Landung der amerikanischen und damit auch der globalen Konjunktur durchaus möglich. Aber vorbereitet auf schlechtere Zeiten sind die wirtschaftlichen und politischen Eliten der kapitalistischen Hauptländer nicht. Auch die europäischen Länder sind auf den Fall eines Absturzes in die Rezession schlecht vorbereitet. Vorsorgende Maßnahmen für eine Schlechtwetterphase – »Rainy Day Funds« – sind nicht besonders weit vorangekommen. »Rainy Day Funds« sollen in wirtschaftlich schwachen Zeiten eine Rezession abfedern – ein Finanzpolster für sinnbildlich verregnete Tage. Die Idee dahinter ist alt: Staaten legen Geld zurück, solange es gut läuft, und federn damit zum Beispiel die Arbeitslosigkeit ab, wenn es wirtschaftlich bergab geht. Doch die Verwirklichung in der EU ist ein Beispiel für unzureichenden politischen Willen. Die abtretende EU-Kommission will sich mit dieser Entwicklung nicht abfinden und fordert ein höheres Tempo bei den Reformen zur Stärkung des Euro. Vor allem das geplante Euro-Zonen-Budget und der Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM müsse nun rasch voran gebracht werden.

Bereits 2014 hatte Juncker zusammen mit den Präsidenten des Europäischen Rats, der Euro-Gruppe, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Zentralbank ein Reformpaket zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion bis 2025 vorgeschlagen. 2017 forderte dann der französische Präsident Emmanuel Macron ein milliardenschweres Euro-Zonen-Budget. Die Pläne sind jedoch inzwischen stark eingedampft, der Streit über Details zieht sich in die Länge.
»Worum geht es? Es geht uns um Arbeitsplätze, Wachstum und soziale Gerechtigkeit für unsere Bürgerinnen und Bürger«, betonte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Insgesamt seien viele der in der Wirtschaftskrise nach 2007 offenbarten Lücken der Währungsunion inzwischen geschlossen. Die Wirtschafts- und Währungsunion sei so robust wie nie zuvor. Doch für den Krisenfall ist unzureichend vorgesorgt. Während die Wirtschaftsvertreter aktuell Forderungen nach Konjunkturprogrammen, also Investitionen und Steuersenkungen, erheben und darauf drängen im Bundeshaushalt neue Schulden zu machen, also die »schwarze Null« aufzugeben, zeigt sich die Regierung betont gelassen. Man sehe keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen, die die Konjunktur stabilisierten. Und ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, es seien bereits konjunkturwirksame Maßnahmen auf den Weg gebracht worden oder geplant – wie die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Angesichts des niedrigen Zinsniveaus und des finanziellen Spielraums nach Jahren der Haushaltskonsolidierung wäre es hohe Zeit auf eine expansive Investitionspolitik umzuschalten. Projekten, die mit der Zukunft des Landes zu tun haben, gibt es reichlich: Maßnahmen gegen den Klimawandel, Umbau der der Industrie- und öffentlichen Infrastruktur, also Schulen, Schienen, öffentlicher Nahverkehr, Stromtrassen und kommunaler Wohnungsbau.

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