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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

11. März 2021 Joachim Bischoff: Volkskongress beschließt 14. Fünfjahresplan

Wohin entwickelt sich die VR China?

Wirtschaftsberater und Vize-Premier Liu He (li.) mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping (Foto: dpa)

Die annähernd 3.000 Delegierten des Nationalen Volkskongresses, der höchsten Legislative der Volksrepublik China, haben den 14. Fünfjahresplan verabschiedet. Der Plan liefert Hinweise, in welche Richtung das Land gesteuert werden soll.

Chinas Staats- und Parteiführung legt seit 1953 alle fünf Jahre mit einem Fünfjahresplan (FJP) wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen fest, die abschließend vom Nationalen Volkskongress auf seiner Jahresversammlung verabschiedet werden müssen. Mit den für die Jahre 2016 bis2020 gültigen Planvorgaben sollte eine neue Entwicklungsetappe realisiert werden: In China sollte eine in jeder Hinsicht eine »moderat wohlhabende Gesellschaft« geschaffen werden, einschließlich des Kampfes gegen Armut sowie einer allseitigen Öffnung, einer neuen Urbanisierungsstrategie und der Transformation hin zu einem modernen Infrastrukturnetz.

Bekanntlich wurde die VR China in dem abschließenden Jahr dieser Planungsperiode durch die Corona-Pandemie erfasst – mit entsprechenden Rückwirkungen auf den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess (siehe hierzu auch Joachim Bischoff: Chinas weitere Transformation der Wirtschaft, auf: Sozialismus.deAktuell vom 29.10.2020). Der Wert des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) hat gleichwohl im Jahr 2020 die 100 Bio.-Yuan-Grenze (das entspricht 14,92 Bio. US-$) überstiegen. Das Wirtschaftswachstum war zwar letztendlich positiv, gleichwohl wurde das Ziel der Verdoppelung des BIP im Jahrzehnt bis 2020 knapp verfehlt.

Im 14. FJP werden nun zugleich die langfristigen Ziele für die chinesische Wirtschaft bis 2035 fortgeschrieben. Denn der neue Fünfjahrplan eröffnet die längere Entwicklungsplanung »Vision 2035«, mit dem das Land dem Ziel näherkommen will, bis 2049, d.h. im 100. Jahr der Gründung der Volksrepublik, ein global führendes modernes sozialistisches Land aufzubauen.

Neben der Förderung des Wohlstands der Gesellschaft geht es um die Transformation zu einer umweltfreundlichen, nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung bei technologischen Innovationen. Wichtig für die neue Planungsperiode ist die Einschätzung, dass die internationale Lage immer komplizierter wird (z.B. durch den Handelskonflikt mit den USA oder die COVID-19-Pandemie). China müsse sich der ungünstigen Faktoren bewusst werden und sich angemessen auf verschiedene schwierige Situationen vorbereiten.

Ministerpräsident Li Keqiang sieht für den Entwicklungsplan der Jahre 2021 bis 2025 die folgenden Schwerpunkte:

  • die Infrastruktur vorantreiben,
  • das Innovationsniveau heben,
  • die Wettbewerbsfähigkeit in verschiedenen Bereichen erhöhen
  • und den Umweltschutz verbessern.

Die Regierung müsse weiterhin eine hochqualitative Entwicklung der Wirtschaft ermöglichen und mit einer Vielzahl großer Projekte und Programme versuchen, strukturelle Schwächen auszugleichen und die Schubkraft des Wachstums zu fördern, wodurch auch der Lebensstandard der Bevölkerung profitieren würde. Der 14. FJP markiere einen entscheidenden Punkt für die Umwidmung des Entwicklungsweges, die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und die Förderung neuer Wachstumsmotoren.

Die VR China sieht sich als sozialistische Marktwirtschaft. Mit wachsender Entwicklung gewinnen damit qualitative Ziele, also etwa nachhaltigeres Wachstum und entsprechende Produkte sowie Dienstleistungen an Bedeutung, was zugleich einschließt, dass immer mehr Planziele eher Richtwerte und nicht länger bindende Ziele darstellen. In einer entwickelten sozialistischen Marktwirtschaft gibt es vermehrt Zielabweichungen, die es zu tolerieren gilt. Statt auf möglichst hohe Wachstumsraten durch die Produktion von Konsumgütern primär für den Export zu orientieren, soll ein qualitativ hochwertiges Wachstum angestrebt werden. Dies hat Konsequenzen für die Transformation von Arbeitsplätzen und die weitere Verstädterung.

Im vorherigen FJP wurde ein jährliches Durchschnittsziel für das BIP von mindestens 6,5% angestrebt. Für die neue Planungsperiode wird ein expliziter Wert für das BIP-Wachstum nicht mehr erwähnt, was damit begründete wird, dass man flexibler auf Entwicklungen und Unsicherheiten reagieren könne. China setzt sich stattdessen qualitative Ziele, um mehr Spielräume zu ermöglichen und Reformen durchzuführen, die manchmal kurzfristig wachstumshemmend sind, aber zugleich langfristig das Potenzial der Wirtschaft zu erhöhen.

In dieser Neuausrichtung wird auch deutlicher, welche Strategie China mit der vom Partei- und Staatschef Xi Jinping gewählten Formulierung der »zwei Kreisläufe« (»Dual Circulation«) verfolgt wird. Der Binnenkonsum wird zum zentralen Pfeiler der chinesischen Ökonomie. So gibt es in dem Fünfjahresplan etwa das indikative Ziel, dass bis 2025 rund 95% der chinesischen Bevölkerung einem Basis-Pensionssystem angehören sollen; bis jetzt beläuft sich der Anteil auf 91,5%. Immer mehr Chines:innen sollen sich auf eine staatliche Rentenfinanzierung im Alter verlassen können. Sie müssen während ihres Erwerbslebens weniger sparen und können stattdessen mehr konsumieren.

Mit wachsendem Wohlstand steigt im Zuge der »zwei Kreisläufe« zugleich die Nachfrage nach Qualitätsprodukten. China will deshalb weiter Zölle abbauen, um die Preise für die Einfuhrgüter zu senken. Und parallel steigt der Anreiz für ausländische Firmen, in dem Land präsent zu sein und zu investieren. Dadurch stabilisiert China die inländischen Wertschöpfungsketten und macht sich von Entscheidungen der USA oder auch der EU unabhängiger.

Es geht also im Großen und Ganzen darum, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Chinas zu erhöhen (»interner Wirtschaftskreislauf«), was bedeutet, sich auf das qualitative Wachstum des Binnenmarkts zu konzentrieren und gleichzeitig den »externen Wirtschaftskreislauf« zu unterstützten, was darauf hinausläuft, das exportorientierte Wirtschaftsmodell beizubehalten.

China möchte seine Abhängigkeit vom Ausland verringern, um gut vorbereitet wachsende Handelsbeschränkungen und mögliche künftige Sanktionen ausländischer Staaten umgehen zu können. Diese Strategie kann u.a. als Reaktion auf den anhaltenden Handelskonflikt mit den USA und die zunehmende Feindseligkeit des Auslands gegenüber chinesischen Technologieunternehmen gesehen werden (z.B. gegenüber Huawei oder TikTok).

Während einige Ökonomen kritisieren, diese Strategie müsse als ein Rückschritt gegenüber der jüngsten Öffnungspolitik Chinas angesehen werden, liegt eher die Überlegung der chinesischen Führung nahe, dass der »interne« und »externe Wirtschaftskreislauf« sich ergänzen und so Synergieeffekte geschaffen werden sollen. Der Schwerpunkt soll nicht nur auf der Ausweitung der lokalen Produktion liegen, sondern auch auf der Gewinnung ausländischer Investitionen und der Stabilisierung des Handels insgesamt. Wie genau die Strategie der zwei Kreisläufe in der Praxis umgesetzt werden soll, ist noch unklar.

Das unbedingte quantitative Wachstum des BIP als Hauptziel im 14. Fünfjahresplan wurde von der Bedeutung zurückgenommen, das Land soll sich mehr an einem qualitativen Wirtschaftswachstum ausrichten. Die politische Führung strebt weiterhin eine hochqualitative Entwicklung der Ökonomie an und will mit einer Vielzahl von großen Projekten und Programmen versuchen, strukturelle Schwächen auszugleichen und zugleich die Schubkraft des Wachstums zu fördern, wodurch auch der Lebensstandard der Bevölkerung ausgebaut würde. Der 14. FJP markiere so einen entscheidenden Punkt für die Umwidmung des Entwicklungsweges.

Die VR China will mit dem 14. Fünfjahresplan zugleich die ökologische Transformation voranbringen und – wie von Xi Jinping im September vergangenen Jahres bei der Uno-Generalversammlung angekündigt – bis 2060 klimaneutral werden. Die bisherigen Vorgaben im 14. Fünfjahresplan hat die unabhängige Forschungsorganisation »Centre for Research on Energy and Clean Air« jedoch nur als »erste Schritte« bezeichnet. Bis 2025 soll sich der Energieverbrauch zur Erzeugung einer Einheit Wirtschaftsleistung gegenüber Ende 2020 um 13,5% verringern, der CO2-Ausstoss bei der Herstellung einer Einheit BIP soll um 18% zurückgehen.

Der Anteil nichtfossiler Energieträger am Energieverbrauch soll bis 2025 25% und weitere fünf Jahre später 30% betragen – 2019 hatte er sich noch auf 15,3% belaufen. Und in Europa dürften es die Anhänger:innen der Energiewende mit Grauen vernehmen: Die Kapazitäten von Atomkraftwerken sollen von 51 Gigawatt (GW) Ende vergangenen Jahres auf 70 GW bis 2025 erhöht werden, wobei sich jüngst Anlagen in einem Umfang von 21 GW im Bau befunden haben.

Mit Blick auf den Regierungskurs könnte eine striktere Einhaltung der Umsetzungsrichtlinien ein obligatorischer Kurs für die Provinz-, Lokal- und Stadtregierungen an der Basis sein. So stellen beispielsweise die »Maßnahmen zur Behandlung von Beschwerden von ausländisch investierten Unternehmen«, die seit dem 1. Oktober 2020 in Kraft sind, einen Schritt in diese Richtung dar. Mit den Maßnahmen soll ausländisch-investierten Unternehmen nicht nur eine Plattform für Beschwerden geboten werden, sondern zugleich ein Forum für Verbesserungsvorschläge, die nachhaltig von den Behörden behandelt werden sollen. Anders als bisher soll ein gemeinsamer Ausschuss als nationaler Koordinator und oberstes Aufsichtsorgan für das Beschwerdemanagement eingerichtet werden.

Die chinesische Zentralregierung will zudem die fiskalpolitischen Impulse zur Überwindung der Corona-Krise zurückfahren. Offenbar vertraut sie darauf, dass sich die Wirtschaft auch ohne staatliche Sonderleistungen weiter erholen wird. Im Gegensatz zum Vorjahr sinkt die Verschuldung der Zentral- und Provinzregierungen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozentpunkte auf 3,2%. Zudem kündigte Ministerpräsident Li Keqiang an, auf die Ausgabe von speziellen Covid-19-Anleihen in diesem Jahr zu verzichten. 2020 waren solche Anleihen in Höhe von 1.000 Mrd. Yuan emittiert worden. Darüber hinaus erhalten die Provinzen »nurmehr« spezielle Anleihen, die sie für Investitionen in die Infrastruktur zu nutzen haben, von 3.650 statt 3.750 Mrd. Yuan wie im Vorjahr.

Außerdem wurde beschlossen, die Weiterentwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums höher zu priorisieren. Daneben werden schwerpunktmäßig die Themen Nationale Sicherheit, die Modernisierung der nationalen Verteidigung und der Streitkräfte sowie die Optimierung der Landverteilung erwähnt. Weitere Punkte sind die Förderung einer koordinierten regionalen Entwicklung und eine neue Art der Urbanisierung.

Die VR China treibt auch den Umbau der Sonderverwaltungszone Hongkong voran. Die Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses beschlossen eine Veränderung des Wahlsystems. Zukünftig sollen nur noch »Patrioten« in Hongkongs Parlament sitzen. Weitere Details der Reform wurden nicht veröffentlicht. Diese Veränderungen sind zweifellos ein Eingriff in Hongkongs Autonomierechte, die der Stadt noch bis 2047 zugesichert sind.

Wang Chen, Vizevorsitzender des Ständigen Komitees, des mächtigsten Politikgremiums in der VR China, hatte zu Beginn des Nationalen Volkskongresses erklärt, »die Randale und Turbulenzen« – so kennzeichnete er die anhaltenden Proteste in der ehemaligen britischen Kronkolonie (siehe hierzu auch Wolfgang Müller: Mit Mao-Zitaten und US-Flaggen gegen China. Die Demonstrationen in Hongkong und ihre Hintergründe, in Sozialismus.de, Heft 10/2019) – hätten gezeigt, dass das Wahlsystem in Hongkong offensichtliche Lücken und Mängel habe. Mit der Reform würden »institutionelle Risiken« beseitigt.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hatte die geplanten Parlamentswahlen im September 2020 verschoben. Sie begründete diesen Schritt mit der Pandemie. Grund dürfte allerdings die Sorge vor der großen Unterstützung der Protestbewegung gewesen sein. Chinas Außenminister Wang Yi verteidigte die umstrittene Reform am Wochenende. Loyalität zum Vaterland sei eine Anforderung für Amtsträger in jedem Land. Das Vorhaben sei »rechtmäßig, angemessen und vernünftig«.

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