18. Mai 2021 Friedrich Steinfeld: Erneute Eskalation im chronischen Konflikt
Zermürbungskrieg um Palästina
Die Hamas führt mit ihren massiven Raketenangriffen auf Ziele in Israel der Weltöffentlichkeit auf drastische Weise vor Augen, dass der grundlegende historische Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht im Sande verläuft.
Die Palästinenser nehmen keineswegs die Rolle von Statisten ein, wie sie ihnen noch im »Jahrhundert-Deal« von Donald Trump zugedacht war. Der seit Jahrzehnten politisch ungelöste, emotional und religiös hoch aufgeladene Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eskaliert erneut massiv und weitet sich aus. Der Nahe Osten erweist sich wieder als das, was er ist – nämlich als ein Pulverfass mit geopolitischen Dimensionen.
Grund für die Konflikteskalation
Ost-Jerusalems Altstadt, in der sich überaus bedeutende Heiligtümer der drei abrahamitischen Religionen befinden, wird erneut zum Konfliktauslöser. Die bereits stattgefundenen und weiter drohenden Zwangs-Enteignungen von Häusern arabischer Israelis in Ost-Jerusalem (Scheich Jarrath), Demonstrationen religiös-extremistischer Juden mit der Forderung »Tod den Arabern« und Restriktionen der israelischen Behörden gegenüber der Ausübung religiöser Rituale der Muslime auf dem Al-Aqsa-Plateau, auf dem sich mit der Al-Aqsa-Moschee das drittwichtigste Heiligtum im Islam befindet, war für die im Gaza-Streifen herrschende radikal-islamische Hamas und weitere militante islamische Gruppierungen der Anlass für einen massiven Raketenbeschuss von Jerusalem, aber auch von anderen israelischen Städten.
Auch wenn es mit dem israelischen Raketenabwehrsystem »Iron Dome« gelingt, die weit überwiegende Mehrzahl der von der technischen Qualität eher primitiven Hamas-Raketen vor der Zielerreichung abzuschießen, ist angesichts der Masse der von der Hamas abgefeuerten Raketen keine hundertprozentige Sicherheit für die israelische Zivilbevölkerung gegeben. Bisher wurden mindestens zehn israelische Zivilisten (darunter auch ein Kind) getötet.
Sowohl der nur noch geschäftsführend im Amt befindliche Regierungschef Benjamin Netanjahu als auch der Oppositionsführer Yair Lapid, der nach dem Scheitern einer Regierungsbildung durch Netanjahu zurzeit um die Bildung einer neuen Regierung ringt, erklärten, die Hamas müsse einen »hohen Preis« für ihre Angriffe zahlen. Die Streitkräfte würden entschlossen handeln, bis die Sicherheit der Bewohner:innen wieder gewährleistet sei, sagte der Armeechef Aviv Kochavi. Gleichzeitig stellte er die Israelis auf eine Ausweitung des Konflikts ein. Alle Hauptquartiere der Streitkräfte sollten damit rechnen, dass der »Wächter der Mauern« genannte Einsatz zeitlich nicht begrenzt sei.
Der ebenfalls nur noch geschäftsführende Verteidigungsminister Benny Gantz von »Blau-Weiß« ordnete die Einberufung von bis zu 5.000 Reservist:innen an. Ziel der israelischen Militäroperationen ist es, durch systematische Beschuss aus der Luft und vom Boden aus die Hamas militärisch deutlich zu schwächen – vor allem durch Zerstörung von Häusern und Tunnelsystemen, in denen sich militärische Produktions- und Lagerstätten befinden sollen, sowie durch gezielte Tötung ranghoher Führungskräfte der Hamas. Darüber hinaus werden Truppen für eine Boden-Offensive in Bereitschaft gehalten. Bisher wurden über 200 palästinensische Zivilisten getötet, unter ihnen Dutzende von Kindern.
Angriffe auf zivile Ziele sind gemäß dem humanitären Völkerrecht verboten. Auch Israel hat zivile Opfer durch den Raketenbeschuss der Hamas zu beklagen, der Blutzoll dieser gewaltsamen Konflikteskalation wird aber vor allem von der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen gezahlt. Israelische Luftangriffe und Artilleriebeschuss auf dieses völlig überbevölkerte Gebiet führen unweigerlich zu vielen zivilen Opfern, daran ändert auch nichts die ständige israelische Erklärung, dass sich die Hamas hinter den Zivilisten als Schutzschildern verstecke. Die Im Gaza-Streifen lebenden Palästinenser können kaum flüchten und sitzen ohne wirkliche Schutzmöglichkeiten in der Falle.
Nach israelischen Luftangriffen auf ein Gebäude in Gaza am Samstag, den 15.5., in dem mehrere Medienorganisationen ihre Büros hatten, haben hochrangige Vertreter schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. Der Präsident der Presseagentur Associated Press (AP), Gary Pruitt, sagte, der Angriff sei »eine unglaublich verstörende Entwicklung«. »Wir sind geschockt, dass das israelische Militär ein Gebäude ins Visier nehmen und zerstören würde, in dem das AP-Büro und die Büros anderer Medienorganisationen sind«, hieß es in der Erklärung weiter. Man habe trotz aktiver Überprüfung keine Anzeichen von Hamas-Aktivitäten in diesem Gebäude, wie von israelischer Seite behauptet, gesehen. Auf jeden Fall werde die Welt nun weniger erfahren über das, was in Gaza geschehe.
Ein über Russland übermitteltes Waffenstillstandsangebot der Hamas, die Kampfhandlungen »gegenseitig« einzustellen, lehnte Israel ab. Gleichzeitig wird die Lage in Israel selbst immer brisanter. Die Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis nehmen zu. In einigen Städten mit gemischter arabisch-jüdischer Bevölkerung griffen radikalisierte arabische und jüdische Gruppen Menschen der jeweils anderen Bevölkerungsgruppe zum Teil brutal an, setzten Fahrzeuge in Brand oder zerstörten Ladengeschäfte.
In Lod, wo israelische Juden einen israelischen Araber erschossen und Araber eine Synagoge in Brand setzten, wurde der Notstand ausgerufen und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Nicht nur Härte und Dauer der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas kennzeichnen die Konflikteskalation, sondern auch die Ausweitung des Konflikts auf die inner-israelischen Verhältnisse. Der israelische Präsident Reuven Rivlin warnte daher vor einem Bürgerkrieg: »Wir müssen unsere Probleme lösen, ohne einen Bürgerkrieg auszulösen, der unsere Existenz gefährden kann, mehr als alle Gefahren, die uns von außen bedrohen.« (FAZ vom 14.5.2021)
Mit der neuerlichen Konflikteskalation zeigen sich auch sofort die geo-politischen Dimensionen: Eine Erklärung des UN-Sicherheitsrates zur jüngsten Konflikteskalation mit der Aufforderung zur Beendigung der gewaltsamen Auseinandersetzungen und zur Lösung des dem aktuellen Konfliktgeschehen zugrunde liegenden Kern-Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern wurde durch die USA als Veto-Macht mit der Begründung blockiert, ein solche Erklärung sei in der gegenwärtigen Lage nicht hilfreich für die Konfliktbewältigung. US-Präsident Joe Biden bekräftigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Dieses Verhalten der US-Regierung verschafft Israel objektiv erst mal Raum und Zeit, seine systematischen militärischen Operationen im Gaza-Streifen fortzusetzten. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die amerikanischen Vermittlungsbemühungen hinter den Kulissen führen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bekräftigte ebenfalls das Recht Israels auf Selbstverteidigung, mahnte zugleich jedoch an, dass die israelische Reaktion »verhältnismäßig« sein und mit »maximaler Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt« erfolgen müsse. Was das konkret bedeutet, blieb unklar. Natürlich hat Israel grundsätzlich ein Recht auf Selbstverteidigung, wenn es militärisch mit Raketen angegriffen wird. Die Vom EU-Außenbeauftragten genannten Kriterien der Verhältnismäßigkeit und des Schutzes der palästinensischen Zivilbevölkerung werden angesichts der hohen Zahl der Toten und Verletzten in der palästinensischen Zivilbevölkerung durch die systematischen israelischen Militäraktionen offensichtlich nicht oder nicht ausreichend beachtet.
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wirkt sich auch auf Deutschland aus. So zündeten Männer arabischer und deutscher Herkunft vor den Synagogen in Bonn und Münster israelische Flaggen an. Der Zentralrat der Juden zeigte sich entsetzt: »Die Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft wächst. Das zeigen die Verbrennungen von israelischen Flaggen vor den Synagogen in Bonn und Münster. Der Schutz jüdischer Einrichtungen muss jetzt erhöht werden. Wir erwarten gerade von den Bürgern in Deutschland Solidarität mit Israel und der jüdischen Gemeinschaft.« (NZZ vom 11.5.2021)
Fakt ist: Der neuerliche und in dieser Härte und Dauer nicht erwartete militärische Konflikt zwischen Israel und der Hamas weitet sich immer mehr aus. Er droht sowohl in der militärischen Konfrontation mit der Hamas als auch innerhalb Israels zwischen radikalisierten jüdischen und arabischen Israelis außer Kontrolle zu geraten. Bisher ging es immer um die Rechte der Palästinenser im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder im West-Jordanland. Nun treten auch die arabischen Israelis, die sogenannten 48-Palästinenser, also jene in Kern-Israel lebenden Palästinenser, die ca. 22% der israelischen Bevölkerung ausmachen, mit Vehemenz in den historischen Konflikt ein. Damit ist eine neue Qualität im Konfliktgeschehen erreicht.
Israel – eine tiefgreifend gespaltene und politisch blockierte Gesellschaft
Für Netanjahu kommen der Raketenbeschuss der Hamas und die Konflikteskalation zum richtigen Zeitpunkt. Er ist durch die Ergebnisse der letzten Wahl im März (der vierten innerhalb von zwei Jahren)[1] und das jetzige Scheitern bei einer neuen Regierungsbildung politisch deutlich geschwächt. Auch persönlich steht Netanjahu massiv wegen des gegen ihn laufenden Gerichtsverfahrens wegen mehrfacher Korruption massiv unter Druck. Durch die militärischen Angriffe von außen setzt er auf das Zusammenrücken der jüdischen Israelis und kann sich als der Retter in Krisenzeiten in Szene setzen und damit vom eigenen politischen Versagen und seiner misslich persönlichen Lage ablenken.
Gleichzeitig finden weitere Umgruppierungen im israelischen Parteienlager statt. Die Unruhen in den israelischen Städten mit gemischter Bevölkerung, in denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis kam, verhinderten zumindest vorläufig auch den Versuch einer Regierungsbildung durch eine breite Parteien-Koalition gegen Netanjahu. Denn der Vorsitzende der rechten Partei Jamina, Naftali Bennett, gab seinen Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen mit dem derzeitigen Oppositionsführer Yair Lapid bekannt und wechselte die Seiten.
Er nahm die Verhandlungen mit Netanjahu wieder auf und nannte dafür als Begründung die Ausschreitungen arabischer Extremisten, die jüdischen Übergriffe ignorierte er. »Wir brauchen Stärke, müssen die Armee einsetzen, Verhaftungen durchführen. Dinge, die man nicht machen kann, wenn man auf Mansour Abbas angewiesen ist.« (FAZ vom 15.5.2021) Mansour Abbas, Vorsitzender der arabischen Raam-Partei, war bereit gewesen, eine Regierung unter Lapid und Bennett zu unterstützen, hatte sich aber von den Koalitionsverhandlungen wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza und dem Ruf Bennetts nach der israelischen Armee in den von arabischen Israelis bewohnten Orten zurückgezogen.
Eine erneute Regierungsbildung durch Netanjahu scheint aber auch jetzt kaum Aussicht auf Erfolg zu haben, schließlich benötigt auch er einige Mandate arabischer Politiker. Oppositionsführer Jair Lapid will in der ihm noch verbleibende Zeit von ca. 20 Tagen nichts unversucht lassen, doch noch eine Regierung gegen Netanjahu zustande zu bringen. Denn es lohne sich nicht, jemandem (wie Netanjahu) das Regierungsmandat zu erteilen, der für die Lage mitverantwortlich sei. »Wir befinden uns am Rande des Abgrunds«, sagte Lapid unter Verweis auf die ethnischen Unruhen. »Im jüdischen Staat dürfen Synagogen nicht angezündet werden. Im Staat Israel darf kein Taxifahrer verprügelt werden, weil er Araber ist.« (FAZ vom 15.5.2021)
Sollte auch Lapids Versuch einer Regierungsbildung scheitern, was angesichts der neuen Konfliktlinien innerhalb des israelischen Parteiensystems wahrscheinlich ist, wird Israel wohl eine fünfte Wahl innerhalb von weniger als drei Jahren nicht erspart bleiben. Die vielgerühmte einzige Demokratie im Nahen Osten ist selbst unter massiven politischen Beschuss geraten und gerät ins Wanken. Dass die bisherige Regierung Netanjahu vorerst weiterhin geschäftsführend im Amt verbleibt, ist ein konfliktverschärfender Faktor. Denn Netanjahu paktierte in der letzten Knesset-Wahl sogar mit rechtsextremistischen Parteien, um diese über die Sperrhürde zu bringen und mit ihnen koalieren zu können. Das politische Koordinatensystem in Israel verschiebt sich schon seit vielen Jahren immer weiter nach rechts.
Die Palästinenser – ein politisch gespaltenes Volk
Aber auch die Palästinenser sind politisch ein gespaltenes Volk. Auch bei ihnen steigen Militanz und Gewaltbereitschaft. Noch nie schien die Lage der Palästinenser so aussichtslos wie heute. 70 Jahre nach der Staatsgründung Israels und 51 Jahre nach dem Sechstage-Krieg, in dem Israel die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und in Gaza sowie Ost-Jerusalem besetzt hat, stehen sie vor dem Nichts. Alle Hoffnungen auf einen eigenen Staat haben sich nicht erfüllt. Der sogenannte Friedensprozess, der vor 25 Jahren mit den Oslo-Verträgen begonnen hat, muss inzwischen als gescheitert angesehen werden. Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hatte ihn schon im Januar 2001 für tot erklärt.
Heute scheut sich sein Nachfolger Netanjahu nicht mehr, die dem Friedensprozess zu Grunde liegende Idee der Schaffung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels offen abzulehnen. Die schon seit Jahren völkerrechtswidrige israelische Siedlungspolitik in den besetzten Palästinenser-Gebieten ist Ausdruck dieser radikalisierten politischen Grundhaltung. Mit dieser Siedlungspolitik sollen immer mehr Fakten geschaffen werden, die eine Zweistaaten-Lösung verhindern oder nur noch zur Makulatur werden lassen, wie dies beispielhaft im »Jahrhundert-Deal« der Trump-Administration [2] zum Ausdruck kam.
Für die Palästinenser bedeutet das, dass ihre Existenz im Grunde von Israel nur geduldet wird, dass ihre Ansprüche auf Heimat, auf Gleichberechtigung und nationale Selbstbestimmung von Israel nicht anerkannt werden. Ausdruck dieser israelischen Separationslogik ist auch die Tatsache, dass Palästinenser in Ost-Jerusalem, im Westjordanland und in Kern-Israel unterschiedliche Rechte haben, aber nirgends die jüdischen Israelis. Die israelischen Gefängnisse sind voll von Palästinensern, die sich dieser Herrschafts-Logik nicht beugen wollen.
Die Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem waren eigentlich für den 22. Mai zur ersten Parlamentswahl seit 2006 (!) aufgerufen. Für Juli war in den Palästinensergebieten auch eine Präsidentschaftswahl vorgesehen. Die Abstimmung in den Palästinensergebieten war als Teil der Versöhnungsbemühungen zwischen Fatah und Hamas gedacht. Eine Einigung sollte wiederum den Weg für neue Gespräche mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung ebnen.
Die Absage der geplanten Parlamentswahl durch den mit der Hamas verfeindeten Fatah-Präsidenten Mahmud Abbas hat den Islamisten die Möglichkeit genommen, sich auf diesem Wege mehr Legitimität zu verschaffen. Denn in Umfragen zeigten sich zuletzt zwei Drittel der Befragten unzufrieden mit Abbas. Allerdings liegt die Hamas jüngsten Umfragen zufolge hinter der Fatah.
Abbas hat die Wahlabsage damit begründet, dass Israel die Wahl in Ost-Jerusalem nicht erlaubt habe. Der Status der Stadt ist einer der zentralen Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die israelische Regierung pocht darauf, dass Jerusalem Israels »ewige und unteilbare Hauptstadt« sei und verbietet der palästinensischen Autonomiebehörde seit je die Betätigung. Der Ost-Teil der Stadt wird dagegen von den Palästinensern als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates reklamiert.
Die Hamas kritisierte die Verschiebung der Wahl als »Putsch gegen unser Abkommen«. Dass die letzten Parlamentswahlen in den Palästinenser-Gebieten vor 15 Jahren stattgefunden haben, zeigt, wie wenig sowohl die Fatah als auch die Hamas inzwischen noch demokratisch legitimiert sind. Diese immer schwächer werdende demokratische Legitimierung der politischen Führungen der Palästinenser ist neben der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Perspektivlosigkeit gerade auch der palästinensischen Jugend ein Nährboden für wachsende Militanz und Gewaltbereitschaft.
Die Schlüsselrolle der USA
Die erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen machen überdeutlich, dass nicht nur das konfliktreiche Verhältnis zwischen den USA und dem Iran einer neuen Regelung bedarf, sondern auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Beide Konfliktherde hängen eng miteinander zusammen und wurden von der Außenpolitik der Trump-Administration nicht nur nicht gelöst, sondern im Gegenteil noch befeuert, wie z.B. der Ausstieg der USA aus dem Atom-Abkommen mit Iran gezeigt hat. Trump hat Biden im Nahen und Mittleren Osten ein toxisches außenpolitisches Erbe hinterlassen.
Weder Israel noch die Palästinenser sind in der Lage, den mit der Staatsgründung Israels 1948 entstandenen, seitdem schwelenden und immer wieder bis hin zu Kriegen eskalierenden historischen Kern-Konflikt aus eigener Kraft zu lösen. Dafür sind die Verhältnisse bei den jeweiligen Konfliktparteien viel zu polarisiert. In solchen blockierten und äußerst labilen innenpolitischen Lagen werden die Kräfte der Vernunft und der zivilen Konfliktlösung immer weiter geschwächt.
Der Konfliktverlauf droht so mehr und mehr außer Kontrolle zu geraten, was auch erhebliche Risiken für die friedliche Entwicklung in der gesamten Region und darüber hinaus beinhaltet. Die internationale Staatengemeinschaft ist dringend gefordert, konkrete und wirkungsvolle Maßnahmen der zivilen Konfliktlösungen für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einzuleiten.
Auch wenn Israel als Staat autonom ist, so werden doch die Spielräume der israelischen Außenpolitik maßgeblich durch die USA mitbestimmt. Unter Trump war die US-Nahost-Politik immer einseitiger durch die Parteinahme für Israel und die völlige Ausklammerung der Interessen der Palästinenser geprägt. Sie gipfelte in dem toxischen »Jahrhundert-Deal«, den die Trump-Administration ausgearbeitet hatte, der aber aufgrund seiner völligen Einseitigkeit und des damit verbundenen politischen Sprengstoffes gar nicht erst zur Umsetzung kam. Joe Biden hatte sich bereits im US-Wahlkampf von dieser Nah-Ost-Politik Trumps distanziert.
Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern ist es vor allem Aufgabe der Großmächte, in Zusammenarbeit mit der UN die Konfliktparteien zu mäßigen und an den Verhandlungstisch zu bringen, notfalls auch durch Ausüben von massivem Druck. Man darf gespannt sein, welchen Beitrag die Biden-Administration zur tatsächlichen Lösung dieses historischen Konfliktes liefern wird.
Anmerkungen
[1] Siehe hierzu ausführlicher: Friedrich Steinfeld, Kein Ende der politischen Dauerkrise, in: Sozialismus.deAktuell vom 29.3.2021
[2] Siehe hierzu ausführlicher: Friedrich Steinfeld, Jahrhundert-Deal oder Bruch des Völkerrechts?, in: Sozialismus.deAktuell vom 3.2.2020