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16. Juni 2022 Joachim Bischoff: Die US-Notenbank erhöht den Leitzins

Zinswende verstärkt die Talfahrt der Realwirtschaft

Fed-Chef Jerome Powell

Im Kampf gegen die hohe Inflation haben die Verantwortlichen der US-Notenbank Fed den Leitzins so kräftig angehoben wie seit 1994 nicht mehr. Es wurde eine Erhöhung um 0,75 Punkte auf die neue Spanne von 1,50 bis 1,75% fixiert.

An den Finanzmärkten war angesichts der jüngst überraschend auf 8,6% gestiegenen Teuerungsrate ein Schritt in dieser ungewöhnlichen Größe bereits erwartet worden. Die Inflation ist in den USA so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Die US-Notenbanker*innen signalisierten zugleich, dass sie dieses Jahr noch mehrfach nachlegen werden, um die Inflation in Schach zu halten. Sie peilen für das Jahresende im Schnitt ein Zinsniveau von 3,4% an. Im März hatten sie noch einen Wert von 1,9% ins Auge gefasst. Auf längere Sicht wird ein Zinsniveau von 2,5% anvisiert.

Die Bekämpfung der Inflation hat aktuell eindeutig Vorrang vor der Stimulierung der Wirtschaft und der Unterstützung der Märkte. Die Fed nimmt ganz bewusst in Kauf, dass die Landung der US-Wirtschaft möglicherweise weniger sanft ausfällt. Das ist der Preis für die aggressive Bekämpfung der Inflation.

Der aktuelle geldpolitische Straffungskurs wird Folgen für die Realwirtschaft haben. Die höheren Renditen auf Staatsanleihen wirkten sich bereits jetzt auf zinsempfindliche Teile der Wirtschaft aus. So dürften etwa teurere Hypotheken die Bautätigkeit und die Wohnungsmärkte etwas abkühlen lassen.

Wer einen ausstehenden Kredit ohne feste Zinssätze hat, muss umgehend eine Verteuerung bei den Kreditkosten verarbeiten. Obwohl die Fed nicht kontrolliert, was Banken oder Autohändler für ihre Kredite verlangen, steigen die Kreditkartenzinsen und Autokredite normalerweise, wenn der Leitzins der Fed dies tut. Die Verschuldung der privaten US-Haushalte ist zuletzt rapide gestiegen, wobei die Verbraucherkredite im ersten Quartal um mehr als 8% auf 1,5 Bio. US-Dollar gestiegen sind, wie eine aktuelle Fed-Umfrage ergab. Das wird in Summe die Kauflaune der Amerikaner*innen trüben, was auf das Wirtschaftswachstum durchschlagen wird. Die Wirtschaft der USA ist seit Mitte Februar nur mit einem moderaten Tempo gewachsen. Gestützt werde die Wirtschaft durch den erhöhten Konsum im Einzelhandel und von Dienstleistungen.

An den Finanzmärkten hatte sich zuletzt die Furcht breitgemacht, dass die Notenbank im Kampf gegen die Inflation die Zügel so stark anziehen könnte, dass die Wirtschaft in eine Rezession abzurutschen droht. Und die Befürchtung ist begründet: Für das laufende Jahr prognostizieren die Währungshüter nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,7%, nach bisher 2,8%. Fed-Chef Jerome Powell bekräftigte die »Entschlossenheit« der Notenbank, die Inflation einzudämmen. Er deutete an, dass die Eindämmung der ausufernden Inflation auch zu einer Rezession führen könnte. Powell sprach sich erstmals offen dafür aus, die Zinssätze bis weit in den restriktiven Bereich hinein anzuheben, um den Arbeitsmarkt abzukühlen, was die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben würde – eine Strategie, die in der Vergangenheit häufig zu einem Wirtschaftsabschwung geführt hat.

Eine Tolerierung der dynamischen Preissteigerungen wäre auch eine starke Belastung für US-Präsident Joe Biden. Die massiven Beschränkungen bei der Kaufkraft rufen schon jetzt den Unmut der Verbraucher*innen hervor. Die Demokraten müssen angesichts der wachsenden Sorgen der Wähler*innen bei den Kongress-Zwischenwahlen im November herbe Niederlagen befürchten.

Allerdings: Die stärkste Zinserhöhung seit einem Vierteljahrhundert wird nicht zu einer sofortigen Linderung der Inflation führen. Der eigentliche Motor für die Preissteigerungen – die explodierten Energiekosten – werden durch die Verteuerung der Kreditkosten eben nicht abgeschaltet. Es wird einige Zeit dauern, bis höhere Kreditkosten den allgemeinen Preisdruck verringern. Das könnte die Amerikaner*innen erst mal mehr kosten – sie müssen aber für Benzin, Lebensmittel und so ziemlich alles andere ohnehin schon tiefer in ihre Brieftaschen greifen. Es wird eine unangenehme Phase, in der die Inflation hoch ist und die Kreditkosten ebenfalls steigen werden. Und am Ende der Talfahrt drohen höhere Arbeitslosenzahlen.


Effekte für den Immobilien-Sektor

Einer der Sektoren, die die Fed genau beobachtet, ist der zinssensitive Immobilienmarkt, in dem die Preise seit Beginn der Pandemie um 38% gestiegen sind. Der Anstieg wurde durch niedrige Kreditkosten angetrieben, die von der Fed eingeführt wurden, um die Wirtschaft gegen die Covid-19-Pandemie abzufedern, um einer steigenden Nachfrage und einem Mangel an zum Verkauf stehenden Immobilien gerecht zu werden.

Die Hypothekenzinsen sind bereits stark gestiegen, seit die Fed Ende vergangenen Jahres zu signalisieren begann, dass sie wahrscheinlich ihre Geldpolitik straffen würde, wobei der durchschnittliche Vertragszins für eine 30-jährige festverzinsliche Hypothek vergangene Woche 5,65% erreichte – das ist laut dem Verband der Hypothekenbanken der höchste Stand seit Ende 2008. Die Hypothekenzinsen werden in den nächsten Wochen definitiv weiter steigen.

Die täglichen Hypothekendaten zeigen, dass der durchschnittliche 30-jährige Festzins jetzt bei etwa 6,28% liegt und möglicherweise in den nächsten Wochen die Marke von 6,5% überschreiten wird. Es wird noch schlimmer kommen, da die Hypothekenzinsen wahrscheinlich erst Mitte nächsten Jahres ihren Höhepunkt erreichen werden.


Keine Entspannung in Sicht, auch nicht an den Börsen

Die US-Notenbank rechnet im laufenden Jahr mit einer höheren Inflationsrate als noch vor drei Monaten angenommen. Die Teuerungsrate soll trotz der geplanten Erhöhungen des Leitzinses durchschnittlich bei 5,2% liegen. Die Kerninflation, also ohne Berücksichtigung von Lebensmittel- und Energiepreisen, soll sich dieses Jahr demnach bei 4,3% einpendeln. Die Fed musste ihre Prognosen zur Inflationsentwicklung seit Beginn der Corona-Pandemie bereits mehrfach nach oben korrigieren. Sie ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet.

Die US-Börsen haben in den Tagen vor der Zinserhöhung ordentlich Terrain verloren. Es waren vor allem die Ängste vor einer Rezession, die hier Anleger*innen aus dem Markt getrieben haben. Die Fed ist entschlossen, alles zu tun, um die Inflation herunterzubringen. Diese Geldpolitik ist ein harter Test für den US-Aktienmarkt, der unter enormem Verkaufsdruck steht. Zudem zeigen die Konjunkturdaten, dass sich die Lage noch weiter verschlechtern wird.


US-Dollar holt auf – Anleihen schwächeln

Die massive Zinserhöhung der Fed gab der Weltleitwährung neuen Auftrieb. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um 0,5% auf ein 19,5-Jahres-Hoch von 105,79 Punkten. Staatsanleihen hingegen mussten Federn lassen, wodurch die Rendite der zehnjährigen T-Bonds auf 3,437% stieg.

Ob und wie gut sich der Aktienmarkt in den kommenden Wochen und Monaten erholen wird, hängt stark davon ab, ob die Anleger*innen glauben, dass es der Fed gelingen wird, die Inflation einzudämmen, ohne das Wachstum zu vernichten.

Der Kurswechsel befördert nicht nur die Abwärtstendenz der Realwirtschaft, sondern erhöht auch die Risiken für die Finanzmärkte. Die Aktienkurse sind in den letzten Monaten gefallen, da die Fed die Kreditvergabe verschärft hat, um die Inflation in den Griff zu bekommen, die sich als hartnäckiger und verbreiteter erwiesen hat, als von der Notenbank erwartet. Die Märkte haben die Zinserhöhung zwar gut verkraftet, sind aber weiterhin angeschlagen.

Biden und die Demokraten müssen zur Kenntnis nehmen, wie die politische Popularität der Reform-Administration und des Präsidenten unter dem Anstieg der Inflation litt. Eine Rezession – und die damit verbundene höhere Arbeitslosigkeit – würde den Präsidenten eines seiner wenigen Argumente berauben, mit denen er die Vorteile seiner Politik für die Wirtschaft anpreisen kann.


Eine Rezession ist möglich

Der einstige Fed-Chef Paul Volcker (1927–2019) genießt bei Notenbanker*innen ein hohes Ansehen, weil er vor 40 Jahren eine zweistellige Inflationsrate überwunden hat. Dabei wird häufig übersehen, dass er dafür die Wirtschaft in die Zange nehmen musste – die Arbeitslosenquote stieg unter seiner Regie massiv. Und seine Politik traf auch Eigenheimbesitzer*innen und andere hart.

Der heutige Fed-Chef Jerome Powell erklärt unzweideutig, die Fed sei nicht darauf aus, die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben. Er räumte jedoch ein, dass ein Abschwung möglich sei. In diesem Fall sieht der Notenbankchef die Schuld allerdings nicht bei der Fed. Er machte aber deutlich, dass das oberste Ziel der Fed nicht die Regulierung des Arbeitsmarktes, sondern die Eindämmung der Inflation sei: »Wir sind fest entschlossen, die Inflation zurückzudrängen, und wir werden dies zügig tun.«

Powell betonte insbesondere, wie wichtig es sei, die Inflationserwartungen im Zaum zu halten. Dies sei einer der Gründe, warum die Fed abrupt beschlossen habe, die Zinsen um einen dreiviertel Prozentpunkt anzuheben, anstatt wie seit Wochen angekündigt um einen halben Prozentpunkt. Die Währungshüter könnten aus diesem Grund den Anstieg der Öl- und Lebensmittelpreise nicht ignorieren, auch wenn diese außerhalb ihrer Kontrolle lägen. Sie hätten Einfluss darauf, wie die Amerikaner*innen die Inflationsaussichten einschätzen.

Powell wird anlässlich seines halbjährlichen Berichts zur Geldpolitik nächste Woche wahrscheinlich vom US-Kongress dazu befragt werden, warum die Fed die Heftigkeit der Inflation falsch eingeschätzt hat und warum sie nun glaubt, dass ihre Beseitigung zwar mit begrenzten volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sein wird und gleichwohl die US-Wirtschaft wieder auf Erholungskurs gebracht werden kann.

Vom ursprünglichen Modernisierungs- und Erneuerungsprogramm von Joe Biden und der demokratischen Partei ist fast nichts übriggeblieben. Zunächst hatte der Kampf gegen die Corona-Pandemie Vorrang, dann wurde die Konzeption einer umfassenden Erneuerung der der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur in den Kongress-Mühlen weitgehend geschreddert.

In Amerika sind sich die progressiven Ökonom*innen – darunter Ex-Finanzminister Larry Summers – einig, dass die Politik von Biden für die beschleunigte Geldentwertung mitverantwortlich ist. Andere hätten zwar die explosiven Bedingungen geschaffen, aber der US-Präsident hat die Initialzündung ausgelöst. Eine bereits überhitzte Volkswirtschaft, die nach Jahren der Stärkung der Massenkaufkraft unter einer akuten Blasenbildung auf dem Immobilien- und Aktienmarkt litt, wurde mit weiteren Modernisierungsprogramm weiter durch Kredite gefördert. Das seien zu viel Impulse gewesen.

Im März 2021, kurz nach seiner Amtsübernahme im Weißen Haus, kämpfte Biden für ein Konjunkturprogramm in Höhe von 1,9 Bio. Dollar. Er wollte die Post-COVID-Stimmung vertreiben. Konservative Ökonom*innen warnten Biden, dieses monetäre Überangebot könnte sich angesichts des ohnehin vorhandenen Geldüberhangs in höheren Preisen entladen. Doch seine Regierung entschied sich für ein »going big« und hatte damit auf dem Arbeitsmarkt einen viel beachteten Erfolg: Seit Januar 2021 wurden in den USA neun Mio. zusätzliche Jobs geschaffen. Eine COVID-Rezession hatte man dadurch vermieden.

Aber zugleich unterschätzte man das Risiko einer »Überforderung oder Überhitzung der Realwirtschaft«. Finanzministerin Janet Yellen nannte das Inflationsrisiko »small and manageable«. Auch Monate nach der Verabschiedung des größten Konjunkturprogramms der US-Geschichte blieb sie bei ihrer Einschätzung.

Die wirkliche Bewegung der Ökonomie korrigierte diese politische Haltung der US-Finanzministerin und der Regierung. Die Gallone Benzin, die vor zwei Jahren noch rund 2,20 US-Dollar kostete, hat zum ersten Mal in der US-Geschichte die Fünf-US-Dollar-Grenze geknackt. Viele Amerikaner*innen sind über diese Entwicklung wütend: Der Ursachenzusammenhang mit einer kriegsbedingten Umwälzung der Kosten- und Preisstruktur bei fossilen Brennstoffen entzieht sich dem Alltagsbewusstsein.

Mittlerweile beträgt die Rate der Geldentwertung 8,6%, die höchste Zahl seit mehr als 40 Jahren. Zynisch könnte man den Sachverhalt so zusammenfassen: Die Menschen haben Arbeit, aber ein zu geringes Einkommen. Den Demokraten droht bei den Novemberwahlen eine schwere Schlappe.

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