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5. Februar 2021 Otto König/Richard Detje: Joe Biden und die Beziehungen zu Lateinamerika

Zuckerbrot und Peitsche

Am ersten Tag des neuen Jahres, am 62. Jahrestag der Kubanischen Revolution, hatte die Trump-Administration in ihrer Endphase nochmals die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba verschärft.

Das State Department setzte die staatliche Banco Financiero Internacional S.A. (BFI) auf die »schwarze Liste« von Unternehmen, deren Geschäfte mit Personen und Firmen in den USA sowie bei deren Verbündeten unter Strafe gestellt werden. Schon zuvor im November vergangenen Jahres wurde die »Western Union«, die wichtigste Agentur für Geldtransfers von den USA nach Kuba, unter Androhung von Sanktionen gezwungen, ihre 435 Büros auf der Karibik-Insel zu schließen. Damit bricht ein wichtiger Transfer-Kanal weg, um US-Dollar in das lateinamerikanische Land zu transferieren. Betroffen davon sind vor allem kubanische Familien, die vom Geld, das ihnen Angehörige aus dem Ausland zusenden, existenziell abhängig sind.

Mit diesen Sanktionen zielt die Washingtoner Administration auf ein Kernelement des kubanischen Finanzsektors, auch, um die von der sozialistischen Regierung eingeleitete »Aktualisierung des Wirtschaftsmodells«[1] zu unterminieren. Stichtag für die Umsetzung der aktuellen Geld- und Währungsreform war der 1. Januar, an dem der bisherige »Konvertible Peso« (CUC) aus dem Verkehr gezogen und der Peso Cubano (CUP) mit einem festen Wechselkurs von 24 CUP zum US-Dollar zur einzigen offiziellen Landeswährung bestimmt wurde.

Und als eine seiner letzten Amtshandlungen hatte Trump Kuba wieder auf die US- »Terrorliste« gesetzt. Auf dieser Liste stehen neben Kuba nur Nordkorea, der Iran und Syrien. »Mit dieser Maßnahme werden wir die kubanische Regierung zur Rechenschaft ziehen und eine klare Botschaft senden: Das Castro-Regime muss seine Unterstützung des internationalen Terrorismus und die Unterwanderung der US-Justiz beenden«, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo scheinheilig. Zur Rechtfertigung für die geradezu fanatische Feindseligkeit der mittlerweile abgetretenen Trump-Regierung gegenüber der Regierung in Havanna muss auch dieses Mal der oft missbrauchte Begriff der Menschenrechte herhalten.

Es ist mehr als absurd, wenn ausgerechnet Repräsentanten der Vereinigten Staaten, die in den vergangenen Jahrzehnten verdeckt und offen in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern Staatsstreiche unterstützt, perfide Verschwörungen wie die »Operation Condor« finanziert und die Folter wie das »Waterboarding« legalisiert haben, Kuba die Verletzung von Menschenrechten vorhalten – eine Verhöhnung der Opfer des US-Interventionismus in Kuba, Chile, Venezuela, Nicaragua und weiteren Staaten in der Region.

Die Streichung von der »Terror«-Liste im Mai 2015 durch Trumps Amtsvorgänger Barack Obama war eine Voraussetzung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie den Beginn der Normalisierung des Verhältnisses beider Länder, das in den vergangenen vier Jahren wieder einem »Roll-back« geopfert wurde. Die von Trump dekretierte Maßnahme ist ein Abschiedsgeschenk an die »Hardliner« wie den republikanischen Senator Marco Rubio in Florida und der Versuch, seinem Nachfolger Joe Biden das Leben schwer zu machen, denn die Streichung Kubas von dieser Liste wird mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein.

Ein kurzer Blick zurück: Es war im Jahr 1959, als Fidel Castro mit seinen Kampfgefährten nach erfolgreicher Revolution den Diktator Fulgencio Batista aus dem Präsidentenpalast vertrieben hatte. Kuba hörte auf, eine US-Kolonie zu sein, die Revolutionäre bemühten sich seitdem um den Aufbau eines sozialistischen Wirtschaftssystems, in dessen Mittelpunkt die Bedürfnisse und Rechte des Menschen stehen – mit sichtbarem Erfolg im Kampf gegen den Hunger, im Bildungswesen und nicht zuletzt im Gesundheitswesen.

Seit 1960, nach der Enteignung von amerikanischen Firmen auf Kuba, verhängten alle US-Präsidenten bis heute Wirtschaftssanktionen gegen den sozialistischen Inselstaat mit dem Ziel, einen »Regime Change« erbeizuführen bzw. um »seine Strahlkraft auf die anderen Gesellschaften Latein- und Südamerikas zu schwächen« (Norman Paech). Es dauerte bis Ende 2014, bis Barack Obama das Scheitern der US-Blockadepolitik eingestand und eine Neuausrichtung[2] der Kuba-Politik verkündete.

Sein Amtsnachfolger Trump kehrte zum »Kalten Krieg« zurück: US-Diplomaten wurden aus Havanna abgezogen, neue Reisebeschränkungen erlassen, Flug- und Kreuzfahrtschifffahrtsrouten eingestellt, Außenhandelspartner bestraft, Besuche und Austausch zu kulturellen, akademischen und beruflichen Zwecken eingeschränkt sowie Geldüberweisungen erschwert. Klagen nach Titel III des sogenannten »Helms-Burton-Gesetzes«,[3] einer 1996 erlassenen Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba, wurden zugelassen.

Damit wurde der Weg für Schadensersatzklagen vor US-Gerichten gegen Unternehmen geebnet, die nach der Revolution verstaatlichten Besitz auf Kuba »nutzen«. Alljährlich verurteilt die UN-Vollversammlung mit einem Mehrheitsvotum das Embargo als überkommen und völkerrechtswidrig. Regelmäßig stimmen nur zwei Staaten gegen die Entschließung – Israel und die USA. Zuletzt gesellte sich noch Brasilien dazu.

Nach der Amtsübernahme am 20. Januar machte der 46. US-Präsident Joe Biden mit dem Stopp des Mauerbaus an Mexikos Grenze und symbolischen Gesten – im Kabinett sind zum ersten Mal in der Geschichte drei Latinos nominiert und zwischen den Familienfotos im Oval Office ist die Büste des bekannten US-amerikanischen »Latino«-Gewerkschaftsführers Cèsar Estrada Chávez platziert – deutlich, dass er auch für die größte Minderheit der USA, die Latinos, die überwiegend für ihn gestimmt haben, im Weißen Haus sitzt.

Schon zu Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes hatte er herausgestellt, dass er der Lateinamerikapolitik wieder mehr Aufmerksamkeit schenken wolle. Tatsächlich verfügt Biden, was die Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika angeht, über einen größeren Erfahrungsschatz[4] als jeder seiner Vorgänger in jüngerer Zeit. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Biden-Administration weiterhin an der »Monroe-Doktrin« (Lateinamerika als Hinterhof der USA) festhalten wird, oder ob sie aufgrund der politischen Entwicklungen im 21. Jahrhundert in der Region bereit ist zur Abkehr von einer arroganten, bevormundenden Politik hin zu einer Politik der Achtung der nationalen Souveränität und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten.

Die Hoffnungen auf einen Wandel in den Beziehungen sind vor allem in Kuba groß. Nach der Wahl gratulierte der kubanische Staatschef Díaz-Canel dem Demokraten Joe Biden, bezeichnete seinen Wahlsieg als »Entscheidung des US-Volkes für einen neuen Kurs« und knüpfte Hoffnungen »an die Möglichkeit einer konstruktiven bilateralen Beziehung unter Berücksichtigung der Unterschiede«. Zum Abschluss der jährlichen Sitzungsperiode des Parlaments in Havanna sagte er, er sei bereit, mit Biden »über jedes Thema« zu sprechen, jedoch »die Revolution, der Sozialismus und unsere Souveränität« könnten dabei kein Gegenstand sein.

Die Frage ist nun, ob Biden die Entspannungspolitik wieder aufnimmt, die er einst als Vizepräsident unter Barack Obama mitverantwortet hatte. »Kuba wird kaum die Priorität und die Aufmerksamkeit bekommen, die es in der zweiten Amtszeit Obamas hatte (…) zu hoffen ist auf eine niedrigschwellige Entspannungspolitik pragmatischer Schritte«, schätzt Bert Hoffmann, GIGA-Institut Hamburg, die Lage ein. Dazu zählt der Kuba-Experte: Erleichterungen von Geldüberweisungen nach Kuba, die Aufhebung diverser Reisebeschränkungen für US-Amerikaner, Handelserleichterungen und, »dass die US-Botschaft in Havanna wieder normal besetzt wird, dass die Visa-Abteilung wieder ihre Routine-Arbeit aufnimmt – vieles an zwischenstaatlichen Selbstverständlichkeiten, die Trump gezielt torpediert hat«. Das Biden-Team hat bereits signalisiert, dass es Beschränkungen für Reisen und einige Sanktionen gegen Geldtransfers aufheben wolle, unklar ist jedoch, wie schnell und umfassend dies erfolgen wird.

Währenddessen wächst in den USA der Druck auf die neue Regierung, die Beziehungen zum Nachbarstaat Kuba zu verbessern und die durch die Vorgängerregierung verursachten Schäden zu reparieren. Eine breite Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen in den USA hat Biden eine umfangreiche Forderungsliste für die künftige Kubapolitik vorgelegt. Der demokratische Abgeordnete Jim McGovern, Vorsitzender des einflussreichen Ausschusses für Geschäftsordnung im Repräsentantenhaus, ermutigte das Biden-Team, eine »gründliche und durchdachte Prüfung« des Berichts »The United States and Cuba: A New Policy of Engagement« vorzunehmen (Amerika 21, 24.1.2021). Auch aus der US-amerikanischen Wirtschaft werden entsprechende Forderungen geäußert.

Kritische Beobachter blicken wegen der Nominierung von Antony Blinken zum Secretary of State jedoch mit Argusaugen auf Bidens außenpolitische Agenda. Zu Recht, nach seinem Auftritt vor einem Senatsausschuss. Er sei »sehr einverstanden« mit einigen der Maßnahmen der Trump-Administration, hatte er bei der Anhörung betont. Auch: Der Druck auf das vom »brutalen Diktator« Nicolás Maduro angeführte Regime in Venezuela müsse aufrechterhalten werden; die neue Regierung habe nicht vor, die Anerkennung des Oppositionsführers Juan Guaidó als »rechtmäßigen« Übergangspräsident des Landes aufzugeben.[5]

So ist davon auszugehen, dass die Biden-Administration gegenüber Kuba eher einen pragmatischen Kurs einschlägt, während sie gegenüber Venezuela weiter auf einen »Regime Change« setzen wird.[6] Sie wird die martialischen Phrasen der Trump-Präsidentschaft durch eine Diplomatie a la »Zuckerbrot und Peitsche« ersetzen, damit jedoch die Bevölkerung durch die Verhängung »intelligenter« Sanktionen weiterhin malträtieren.

Anmerkungen

[1] Siehe auch Marcel Kunzmann: CUBAS WIRTSCHAFTSPOLITIK »Karibisches NÖS«, Junge Welt, 14.1.2021.
[2] Otto König/Richard Detje: Versuch einer Annäherung USA-Kuba »No es facil« – Es ist nicht einfach, Sozialismus.deAktuell, 27.12.2014.
[3] Otto König/Richard Detje: Helms-Burton Act – USA verschärfen Wirtschaftsblockade gegen Kuba, Sozialismus.deAktuell, 26.3.2019.
[4] In den acht Jahren seiner Vizepräsidentschaft fungierte Jo Biden als wichtiger Emissär der Vereinigten Staaten in Lateinamerika und der Karibik. Sechzehnmal reiste er insgesamt in die Region. Auf seiner letzten Reise im Dezember 2016 in die kolumbianische Stadt Cartagena, gratulierte Biden dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos zu dem Friedensabkommen mit der Guerilla-Bewegung FARC (JPG, 25.1.2021).
[5] Die EU schert mittlerweile aus: Schon am 6. Januar 2021 hatten die 27 EU-Staaten erklärt, sie könnten Juan Guaidó nicht mehr anerkennen, nachdem er nach den Parlamentswahlen in Venezuela im Dezember seine Position als Abgeordneter verfassungsgemäß verloren habe. In einer Erklärung von Mitte Januar heißt es nun, dass Guaidó von der EU noch als »privilegierter Gesprächspartner« bezeichnet, aber nicht mehr als »Interimspräsident« anerkannt werde.
[6] Siehe auch: Silvina Romano/Aníbal García Fernández/Tamara Lajtman/Arantxa Tirado: Joe Biden und Lateinamerika: Veränderungen und Kontinuitäten, Portal Amerika 21, 20.1.2021.

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