2. März 2025 Redaktion Sozialismus.de: Der Eklat im Weißen Haus
Zwischen Russlands Aggression und dem US-Imperialismus der Trumpisten
Innerhalb weniger Tage hat es der US-Präsident Donald Trump zusammen mit seiner rechten Crew geschafft, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu rehabilitieren, den ukrainischen Präsidenten als schlechten Verkäufer der heimischen Bodenschätze bloßzustellen und Europa in eine gravierende sicherheitspolitische Krise zu stürzen. Die westliche Welt steht vor einem politischen Scherbenhaufen.
Der Auftakt des Umsturzes der bisherigen Allianzen begann in Kiew: Dort hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen ersten amerikanischen Entwurf für einen »Rohstoff-Deal« über ukrainische Bodenschätze vom Tisch gewischt, denn er forderte zugleich Sicherheitsgarantien als Bedingung für einen Waffenstillstand. Trumps Prioritäten liegen jedoch nicht bei der Unterstützung der Ukraine, es geht ihm und den Trumpisten insgesamt zu allererst um die Rückzahlung der bisherigen amerikanischen Hilfen.
Der US-Präsident hatte seinen Finanzminister mit einem Knebelvertrag nach Kiew geschickt, den Scott Bessent zugleich als Tauschgeschäft verkaufte: Rohstoffe gegen Sicherheitsgarantien, Selenskyj solle sofort unterschreiben. Dieser weigerte sich. Die nächste Eskalationsstufe bestand dann darin, dass Trump sagte, die Ukraine könne in Zukunft zu Russland gehören oder auch nicht. Das Wichtigste sei, dass die USA kein Geld verlören.
Der an die Öffentlichkeit gelangte Entwurf des amerikanisch-ukrainischen Vertrags zeigt diese Prioritätensetzung in Reinform. Darin fordert die US-Regierung die Hälfte aller »mineralischen Ressourcen, aus Öl und Gas, Häfen, anderer Infrastruktur« in der Ukraine. Diese Werte würden in einen gemeinsamen Fonds eingebracht, der nach New Yorker Recht funktioniert. Kiew müsste seine Souveränitätsrechte abgeben.
Die Begründung hatte Trump bereits zuvor mehrfach geliefert: De USA hätten bisher bereits 300 Mrd. US-$ für den Russland-Ukraine-Krieg ausgegeben, es wäre dumm, noch mehr hineinzustecken (tatsächlich belaufen sich die fünf Pakete, auf die sich der US-Kongress geeinigt hatte, allerdings auf insgesamt 175 Mrd. US-$, von denen 70 Mrd. US-$ für die Waffenproduktion ausgeben wurden). Die Höhe des Engagements rechtfertige, dass die USA ein Vorkaufsrecht auf Exporte hätte und damit die Möglichkeit, die Preise dafür auf dem Weltmarkt zu bestimmen. Ein Teil der Einnahmen solle zwar in die ukrainische Infrastruktur fließen, allerdings nur in jene, die der Ausbeutung und dem Transport von Rohstoffen dient.
Ob Trump seinen imperialen Phantasien Taten folgen lassen kann, ist noch nicht abzusehen, auf jeden Fall behandelt er die Ukraine eher als Gegner statt als Verbündeten. Bereits nach den ersten russisch-amerikanischen Gesprächen in Riad hatte der US-Präsident in seiner Residenz Mar-a-Lago scharfe Kritik am ukrainischen Präsidenten geübt. Dieser hätte drei Jahre Zeit gehabt, um den Krieg zu beenden: »Ihr hättet ihn niemals beginnen dürfen. Ihr hättet einen Deal eingehen können.« Trump stellte damit den wirklichen Gang der Geschichte auf den Kopf, Selenskyj antwortete, er würde sich von der Trump-Regierung mehr »Treue zur Wahrheit« wünschen.
Danach eskalierte Trump den Streit weiter. In einem Post auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social nannte er den ukrainischen Präsidenten einen »Diktator« und fügte hinzu: »Selenskyj sollte sich besser beeilen oder von seinem Land wird nichts mehr übrigbleiben.«
Der Höhepunkt der Eskalation wurde erreicht, als Selenskyj in Washington eintraf, um mit Trump den Rahmenvertrag für den Rohstoff-Deal zu unterzeichnen. Bereits bei der Ankunft vor dem Weißen Haus kommentierte der US-Präsident vor laufenden Kameras höhnischdie Garderobe seines Gastes, der wie üblich in den letzten drei Jahren einen Pullover mit ukrainischem Hoheitszeichen trug: »Sie sind heute schick angezogen.«
Im voll mit Mitarbeitern der US-Administration und Pressevertretern besetzten Global Office bleibt die Stimmung zunächst ruhig, bis US-Vizepräsident JD Vance unter Verweis auf Selenskyjs Forderung nach Sicherheitsgarantien das Wort ergreift: »Herr Präsident, bei allem Respekt: Ich denke, es ist respektlos, hier ins Oval Office zu kommen und zu versuchen, das vor den amerikanischen Medien durchzubringen. Im Moment zieht ihr durch die Gegend und zwingt Wehrpflichtige an die Front, weil ihr nicht genug Soldaten habt. Sie sollten dem Präsidenten dankbar dafür sein, dass er versucht, den Konflikt zu beenden.«
Immer wieder fordert Vance von Selenskyj Dankbarkeit ein, der jedoch auf seinem Standpunkt beharrt, ein Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien würde nicht halten. Daraufhin schaltet sich Trump ein: »Sie spielen mit dem Leben von Millionen Menschen. Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg. Und was Sie tun, ist sehr respektlos diesem Land gegenüber. Es hat Sie unterstützt – deutlich mehr als viele Leute wollten.« Anschließend findet in aller Öffentlichkeit ein »Streitgespräch« statt, das in manchen Leitmedien zu »einer hitzige Auseinandersetzung« heruntergespielt wird.
Allerdings hat die Weltöffentlichkeit noch nie in der Geschichte des Weißen Hauses einen solchen Streit im Amtszimmer des amerikanischen Präsidenten erlebt, der darin gipfelte, dass Trump mit hochrotem Kopf seinem Gast mangelnde Dankbarkeit vorwarf und ihn vor ein Ultimatum stellte: »Entweder unterzeichnen Sie ein (Friedens-)Abkommen, oder wir sind draußen.« Damit drohte der US-Präsident mit dem Stopp jeglicher Unterstützung für das Kriegsland.
Selenskyj wurde anschließend aus dem Weißen Haus geführt, ohne das geplante Mittagessen und ohne die feierliche Unterzeichnung des ausgehandelten Rohstoffvertrags. Statt die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zu legen, stehen die beiden Länder vor einem Scherbenhaufen. Später gibt der ukrainische Präsident den Fox News ein Interview, bei dem er gefragt wird, ob er sich bei Trump entschuldigen müsse, und antwortete: »Nein, ich respektiere den Präsidenten und das amerikanische Volk. Und ich denke, dass wir sehr offen und ehrlich sein müssen. Und ich denke nicht, dass wir etwas Schlechtes getan haben.«
Auch Trump selbst äußert sich vor den Medien zum Streit: »Wir hatten heute ein Treffen mit Präsident Selenskyj und ich würde sagen, es ist nicht sonderlich gut gelaufen. Er für seinen Teil hat es deutlich überreizt. Das war kein Mann, der Frieden wollte. Und ich bin nur interessiert, wenn er das Blutvergießen beenden will. Vielen Dank.«
Die Kooperation zwischen der Ukraine und den USA ist damit massiv gestört, ein völliger Bruch nicht ausgeschlossen, sollte Trump sich endgültig von der Ukraine abwenden und weiter auf Russland zugehen. Die Abhängigkeit von einem antiukrainisch und teilweise kolonialistisch-imperialistisch agierenden US-Präsidenten und seiner Crew hatte die politischen Optionen für den ukrainischen Präsidenten schon vor dem Besuch im Oval Office stark eingeschränkt. Der Eklat selbst hat die Lage für sein Land jetzt stark zugespitzt. Aber auch die politischen Unterstützer in Amerika geraten in die Defensive.
Der Schlagabtausch löste weltweit heftige Reaktionen aus. Was bleibt nach diesem Eklat? Kann die Ukraine noch mit Unterstützung der USA rechnen? Können Trump und Selenskyj je wieder miteinander reden? Und was werden die Versuche bringen, mit europäischen Treffen, der Ukraine militärisch – das heißt vor allem finanziell – den Rücken zu stärken?
Fest steht auf jeden Fall, dass die USA als politischer und militärischer Führer der NATO und der westlichen Staatengemeinschaft wegfallen werden. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verspricht, man werde die Unterstützung für die Ukraine aufstocken. Es sei klar geworden, dass die freie Welt eine neue Führung brauche, es sei jetzt an Europa, diese Herausforderung anzunehmen. Bekundungen der Solidarität und Versprechen der Unterstützung gibt es seit drei Jahren aus der EU, aber immer wieder tut sie sich schwer, veranstaltet einen Gipfel nach dem anderen, schnürt massive Militärpakete. Klar ist dennoch: Ohne die Hilfe der USA reicht das bei weitem nicht.
Russische imperialistische Ambitionen sind ebenso wie die MAGA Fantasien der Trumpisten oder der Wunsch der Führung der Volksrepublik China, im internationalen Geschehen eine größere Rolle zu spielen, nicht neu, sondern seit längerem eine Herausforderung für die europäischen Staaten. Diesen ist bereits seit einiger Zeit klar, dass sie sich in einer Welt neu positionieren müssen, in der die nackte Konkurrenz der Macht und der Ökonomie wichtiger ist als alle Regeln und Konventionen.
Die politischen Klassen dort verklärten lange die EU, das Völkerrecht und die Vereinten Nationen und wachen jetzt in einer Wirklichkeit auf, in der das Primat der Machtpolitik gilt. Noch ist nicht klar, ob den Staaten das Umdenken und ein kohärentes Handeln gelingt. Die friedliche Ära der Freiheit und der regelbasierten Ordnungen nach dem Ende des Kalten Kriegs ist jedenfalls endgültig vorbei. Jetzt hat sich die Disruption und die Macht des Stärkeren wieder im Handeln der Staaten schrittweise durchgesetzt.
Trump und seine Sheriff-Truppe im Weißen Haus wolenl Amerika für einen neuen imperialistisch geprägten Großmachtwettbewerb fit machen: Ausgaben für die Unterstützung der Ukraine sollen kompensiert und strategisch wichtige Gebiete (mit entsprechenden Ressourcen) nicht nur in der Ukraine möglichst unter eine direkte Kontrolle kommen, um sich besser gegen Russland und China zu positionieren. Trump lebt in der darwinistischen Welt der reinen Machtpolitik: Nur Stärke zählt, deshalb hat er auch kein grundsätzliches Problem damit, sich mit Putin und Xi Jinping zu messen.
Aber anders als diese beherrscht Trump nicht das politische Feld in seinem Land alleine und vor allem nicht ohne Widersprüche. Bei seinen wichtigsten Unterstützern haben sich schon jetzt Gräben aufgetan: Die MAGA-Basis und die Tech-Milliardäre ziehen keineswegs an einem Strang und haben gegensätzliche Interessen. Das eröffnet Chancen für eine Mobilisierung von Teilen der Zivilgesellschaft gegen die MAGA-Bewegung (siehe hierzu detaillierter den Beitrag von Hans-Peter Krüger in der März-Ausgabe von Sozialismus.de: »Lässt sich US-Hegemonie durch Hochrüstung und Autoritarismus sichern? Strategische Widersprüche in der Neuverteilung imperialer Einflusszonen«).