Russland: Ende einer Weltmacht?
Montag, 11.11.2024 | Leipzig | 18:00 Uhr | Volkshochschule, Löhrstr.  3–7, Raum 502

VSA: Autor Felix Jaitner stellt sein gleicnamiges Buch vor und diskutiert über die Entwicklung in Russland.

Weniger Arbeiten, mehr Leben!
Mittwoch, 13.11.2024 | Berlin | 19:30 Uhr | Bajszel, Emser Str. 8/9

Auf Einladung der 4-Stunden-Liga Berlin stellen die Herausgeberinnen Margareta Steinrücke und Beate Zimpelmann ihren gleichnamigen im VSA: Verlag erschienenen Sammelband vor und diskutieren über die neue Aktualität der Arbeitszeitverkürzung.

Ingar Solty
Trumps Triumph?
Gespaltene Staaten von Amerika, mehr Nationalismus, weitere und neue Handelskriege, aggressive Geopolitik
Eine Flugschrift
120 Seiten | 20. Januar 2025 | im Warenkorb vorbestellen | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-238-7

Michael Brie
Projekt »Schönes China«
Die ökologische Modernisierung der Volksrepublik
Eine Flugschrift
120 Seiten | € 12.00
ISBN 978-3-96488-232-5

Peter Renneberg
Handbuch Tarifpolitik und Arbeitskampf
5., aktualisierte Ausgabe
232 Seiten | € 19.80
ISBN 978-3-96488-224-0

Christoph Nix
Gramscis Geist
Ein Sardisches Tagebuch
Mit Zeichnungen von Katrin Bollmann und Fotos von Sebastiano Piras
144 Seiten |  EUR 14.00
ISBN 978-3-96488-223-3

Hans-Jürgen Urban (Hrsg.)
Gute Arbeit gegen Rechts
Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie – Ausgabe 2024
136 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-225-7

Giuseppe Fiori
Das Leben des Antonio Gramsci
Herausgegeben von Christoph Nix
304 Seiten | EUR 19.80
ISBN 978-3-96488-218-9

Gine Elsner
Die Ärzte der Waffen-SS und ihre Verbrechen
144 Seiten | Hardcover| € 16.80
ISBN 978-3-96488-214-1

31. Dezember 2011 Joachim Bischoff

Überleben der Euro-Zone hängt von Italien ab

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hat Italien die Schlüsselrolle für Fortbestand oder Zerfall der Euro-Zone zugewiesen. Das Überleben der Währung werde von der wirtschaftlichen Entwicklung des südeuropäischen Landes abhängen: »Das Jahr 2012 wird das Entscheidungsjahr für den Euro. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, ob die europäische Währung überlebt. Und das wird von Italien abhängen. Deshalb wird 2012 auch das italienische Jahr.« (Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 26.12.2011)

Für diese These sprechen einige Argumente. Das zentrale Problem für die Sanierung der öffentlichen Finanzen und die Revitalisierung der Ökonomie in Italien ist nicht der deutliche Anstieg der Zinsen auf Staatsanleihen. Die Spar- und Reformanstrengungen drohen vielmehr in den nächsten Monaten in starke Einbußen beim Wirtschaftswachstum umzuschlagen. Aus dieser Kombination von hohem Kapitalbedarf für die Refinanzierung der Staatsschulden, relativ hohen Zinsen und einer deutlich ausgeprägten Rezession erwächst die Herausforderung für Italien und das weitere Schicksal der Euro-Zone.

Mayer skizziert das wahrscheinliche Szenario folgendermaßen: Italien hat Staatsschulden von rund 1.840 Mrd. Euro. Diese gewaltige Summe ließe sich durch die bisher denkbaren Bürgschaften der finanziell stärkeren Euro-Staaten wohl kaum noch abdecken. Es ist allerdings weniger die Höhe der Schulden, die etwa 120% der jährlichen Wirtschaftskraft des Landes entspricht, als vielmehr die Wachstumsschwäche, die viele Anleger zweifeln lässt.

Die Verschuldung des Privatsektors ist in Italien vergleichsweise gering. So machen die Schulden der Unternehmen nur rund 80% des Bruttoinlandsprodukts aus (140% in Spanien). Die privaten Haushalte sind mit ca. 50% des Bruttoinlandsprodukts verschuldet (90% in Spanien). Gleichwohl sind Unternehmen und private Haushalte damit beschäftigt, die Schulden abzubauen.

Der Schuldenabbau wird durch den Rückbau der öffentlichen Ausgaben verstärkt, was zwangsläufig einen deutlichen Rückgang der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage zur Folge hat. Bereits in einem Interview auf DB Research hatte Mayer zu Beginn des Monats Dezember ausgeführt: »Da der Prozess der Entschuldung, das sog. ›de-leveraging‹, nicht gleichmäßig, sondern in Schüben vor sich geht, ist die Wirtschaftsentwicklung nun weit weniger stabil. Jeder neuer Schub geht mit einer Abschwächung der Wirtschaft einher. Gleichzeitig bewirkt der Prozess der Entschuldung, dass das Wachstum im Trend weit schwächer ist als vorher. Man kann das mit einem tief fliegenden Flugzeug vergleichen, das wiederholt in Luftlöcher fällt. Da wir in Euroland nun einen recht kräftigen, durch die Märkte erzwungenen Schub der Entschuldung haben, wird die Wirtschaft im kommenden Jahr in die Rezession fallen und um 0,5% schrumpfen, wobei Deutschland mit einer ›schwarzen Null‹ noch relativ gut abschneiden wird. In den USA nimmt dagegen das Tempo der Entschuldung im Privatsektor weiter ab, sodass dort das Wachstum 2,3% erreichen dürfte. Im Gegensatz zu den Industrieländern wird das Wachstum in den Schwellenländern mit rd. 6% sehr robust bleiben, sodass die globale Wirtschaft um rund 3,5% expandieren dürfte.«

Für Italien bedeutet dieser gesamtwirtschaftliche Rahmen und die politische Ausrichtung, dass das Land zu Beginn nächsten Jahres in eine tiefe rezessive Abwärtsspirale getrieben wird. »Wenn es dem Land gelingt, da vor den Wahlen im Mai 2013 wieder herauszukommen [was Mayer erwartet], dann kann Italien ein Vorbild für alle südeuropäischen Staaten werden. Ansonsten wird die Euro-Zone auseinanderbrechen.« (FAS)

Der italienische Unternehmerverband Confindustria unterstreicht diese Prognose: In Italien hat die Rezession bereits begonnen und wird schlimmere Folgen haben als in anderen europäischen Ländern. Allerdings verfügt das Land trotz seiner hohen Verschuldung über weitaus mehr Potenzial als Griechenland. Die drittstärkste Volkswirtschaft der Eurozone ist zumindest im Norden wirtschaftlich stark und seine Privathaushalte kaum verschuldet. Doch Italien laboriert seit längerem an einer hartnäckigen Wachstumsschwäche. Nur wenn diese Akkumulationsschwäche überwunden werden kann, kann sich der Staat aus der Schuldenfalle befreien.

Die italienischen Unternehmer gehen zu Recht mit großer Skepsis ins neue Jahr. Ihre Stimmung hat sich im Dezember deutlicher eingetrübt als erwartet und rutschte auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Die Auftragslage der Firmen verschlechterte sich ebenso wie die Aussichten. Wegen der Wirtschaftsflaute drohen Steuerausfälle. Die EU-Kommission traut Italien 2012 nur ein Mini-Wachstum von 0,1% zu. Die OECD erwartet sogar ein Minus von 0,5%.

Mit den von der Regierung Monti beschlossenen Kürzungen wird sich der Negativtrend verschärfen. Sie hatte erst vor Weihnachten ein 33 Mrd. Euro großes Sparpaket unter Dach und Fach gebracht. Gleichzeitig lieh die Europäische Zentralbank (EZB) den Geschäftsbanken fast eine halbe Billion Euro für drei Jahre zum Mini-Zins von aktuell 1% – auch in der Hoffnung, dass sie damit Staatsanleihen erwerben. Dies war offenkundig eine Illusion. Trotz reichlichem Angebot an Geldkapital bleibt die Furcht bestimmend, dass eine Refinanzierung der Staatsschulden auf Schwierigkeiten stößt und die rezessive Abwärtsentwicklung die Neuaufnahme weiterer Kredite erzwingt.

Die neue Regierung sieht das Dilemma. Ministerpräsident Mario Monti will die angeschlagene Wirtschaft mit einem umfangreichen Impulsprogramm ankurbeln. Spätestens Ende Januar werde seine Regierung ein Wachstumspaket aus Liberalisierungen sowie Reformen im Sozialwesen und auf dem Arbeitsmarkt präsentieren. Die Verabschiedung des Milliarden-Sparpakets namens »Rette Italien« in der vergangenen Woche sei seine erste Pflicht gewesen. Der zweite Akt müsse nun ein »Wachse Italien«-Paket sein, um das Land wieder auf Trab zu bringen.

Monti will eine Reform des Arbeitsmarktes und Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs durchsetzen sowie Infrastrukturprogramme für den Süden auflegen. Konkrete Maßnahmen und Projekte benennt er gegenwärtig nicht. Die Widerstände in einem Großteil der italienischen Gesellschaft sind beträchtlich. Erbitterten Widerstand hat Monti vor allem bei einer Reform des Arbeitsrechts zu erwarten. Derzeit sind in Italien in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern Kündigungen aus »ungerechtfertigten Gründen« – also auch aus wirtschaftlichen – gesetzlich nicht möglich. Ähnlich wie in Spanien ist die Arbeitslosigkeit unter jungen BürgerInnen in Italien hoch: Jede/r Dritte unter 35 Jahre arbeitet in prekären Verhältnissen, jede/r Fünfte unter 30 Jahre hat keinen Job, bei den unter 25-Jährigen jeder Zweite.

Der Druck auf Italien bleibt extrem hoch und es wird Monate dauern, bis die Sparmaßnahmen Wirkung zeigen. Ohne ein letztlich auch kreditfinanziertes Wachstumsprogramm ist aber die ausgeprägte Akkumulationsschwäche nicht aufzuheben.

Eine leichte Tendenz zur Verbesserung ist gleichwohl erkennbar. Die Rosskur mit Einsparungen von 33 Mrd. Euro führt zu einem Drücken der Zinsaufschläge. Bereits am Sekundärmarkt waren die Renditen seit November stark gesunken. Mit einer kurzlaufenden Anleihe hatte sich Italien Ende Dezember knapp 11 Mrd. Euro von Investoren geliehen. Der Zins für die sechsmonatigen Papiere halbierte sich dabei im Vergleich zum November auf 3,251%.

Im Jahr 2012 wird der italienische Staat zur Refinanzierung der Schulden von insgesamt 1.840 Mrd. Euro (120% des BIP) Wertpapiere in Höhe von 441 Mrd. Euro ausgeben. Davon entfällt knapp die Hälfte auf das erste Halbjahr 2012. Die durchschnittlichen Kosten der Schulden von 3,8% im Jahr 2010 sollen auf geschätzt 4,8% im Jahr 2012 und dann sogar auf 5,5% 2014 zunehmen.

Bei der mit großer Spannung erwarteten Versteigerung einer zehnjährigen Staatsanleihe mussten die Investoren mit einem Zins von 6,98% gelockt werden. Er lag damit unter dem im November erreichten Rekordhoch von 7,56%, aber klar über dem Marktzins für deutsche Bundesanleihen von knapp 1,9%. Bei dreijährigen Anleihen fiel der Zins von 7,89 auf 5,62 %. Die Versteigerung spülte mehr als sieben Mrd. Euro in die Kassen. Damit wurde das angestrebte Volumen von 5,0 bis 8,5 Mrd. Euro erreicht.

Infolge der durchschnittlichen Laufzeit der Staatsanleihen von sieben Jahren sind auch Zinsen von bis zu 7% tragbar. Allerdings bringt jeder Monat steigender Zinsen zusätzliche Probleme. Allein im Jahr 2012 muss sich Italien 440 Mrd. Euro von Investoren holen, um alte Kredite abzulösen, Zinsen zu zahlen und die Haushaltslücke zu schließen. Je höher die Refinanzierungskosten sind, desto mehr muss die Regierung an anderer Stelle sparen.

Ministerpräsident Monti zeigte sich zufrieden mit den sinkenden Zinssätzen. Er gehe jedoch nicht davon aus, dass die Turbulenzen an den Märkten bereits vorbei seien. In den nächsten Wochen muss sich zeigen, ob der wirtschaftspolitische Mix von Kürzungen und Wachstumsimpulsen anschlägt. Sollte Italien auf der Abwärtsspirale ausrutschen, werden weitaus höhere Zinssätze fällig. Die Euro-Zone dürfte dann über Monate hinweg mit einer weiteren Krisenkaskade konfrontiert sein.

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