29. April 2025 Joachim Bischoff: Eine Zwischenbilanz für das Kettensägenland USA

100 Tage Donald Trump

Seit 100 Tagen ist der Republikaner Donald Trump im Amt. Mit seiner Amtseinführung am 20. Januar 2025 wurde er zum zweiten Mal Präsident der USA. Seitdem hat sich in seiner Politik sehr viel geändert. Ob Richtungswechsel in der Außenpolitik oder die Einführung von Zöllen: Der 47. US-Präsident hat die Weltordnung durcheinandergebracht. Doch was daraus entstehen soll, ist nicht erkennbar.


1. Abschiebungen, Behörden-»Ausmistung«, Kulturkampf

Die Einwanderungspolitik war eines von Trumps Lieblingsthemen im Wahlkampf. Schon bei einer Veranstaltung in New York im Oktober 2024 versprach er, das größte Abschiebungsprogramm der US-Geschichte einzuleiten. Er werde die »blutrünstigen Kriminellen ins Gefängnis stecken und sie dann so schnell wie möglich aus unserem Land rauswerfen.«

Im Februar 2025, dem ersten vollen Monat, den Trump im Amt war, schob die US-Regierung rund 11.000 Migrant*innen ab. Im Februar 2021, dem ersten Monat von Joe Bidens Regierung, lag diese Zahl bei rund 12.000. Aber: Unter Trump kommen weniger Menschen über die südliche Grenze zu Mexiko in die USA, berichtet NBC News.

An der Südgrenze der USA kam die »illegale« Migration schon im Februar zum Stillstand. Im März wurden nur noch 7.181 Migrant*innen festgehalten – 95% weniger als im Vorjahr. Möglich wurde dies durch den Stopp von Asylanträgen, Truppenverlegungen an die Grenze und durch drastische Drohgebärden. Mit den Gefangenenlagern in Guantánamo und medial inszenierten Abschiebungen in süd- und zentralamerikanische Länder setzte die Regierung ein klares Signal der Abschreckung.

Mitte März  berief sich Trump auf ein zu Kriegszeiten erlassenes Gesetz, um Mitglieder der venezolanischen Gang Tren de Aragua schnell abschieben zu können. Diese würden in die USA geschleust, um das Land im Auftrag des Maduro-Regimes zu unterwandern. Was danach folgte, ist rechtsstaatlich völlig unakzeptabel. Die Einwanderungspolizei griff mehr als 200 mutmaßliche Gangmitglieder auf und flog sie ohne ordentliches Verfahren nach El Salvador aus, wo sie in einem Hochsicherheitsgefängnis landeten. Trumps Regierung benahm sich damit wie ein Willkürstaat, wo ein reiner Tatverdacht für eine Verurteilung reicht.

Der Supreme Court hat die Abschiebungen inzwischen gestoppt und damit klargemacht, dass er das Vorgehen nicht duldet. Dutzende von Rechtsklagen sind anhängig. Trump ist mit der Justiz in einen Kleinkrieg an mehreren Fronten verwickelt. Er erpresst Anwaltskanzleien mit Klagen und schüchtert Richter*innen verbal ein. Und er spielt mit dem Gedanken, erstinstanzliche Verfügungen zu missachten. »Er, der sein Land rettet, bricht kein Gesetz«, postete er.

Die Legislative – den von den Republikanern gelenkten Kongress – hat sich Trump bereits unterworfen. Nun ist die Justiz an der Reihe, die letzte Gewalt im Staat, die ihn noch bremsen kann. Trump hat zwar das Verfassungsgericht mit Konservativen besetzt. Doch selbst die haben in einer seltenen Eilentscheidung über Nacht mit Mehrheit die Deportation angeblicher Bandenmitglieder in ein Gefängnis nach El Salvador ohne vorherige Anhörung gestoppt. Die Bundespolizei hat eine Richterin in Wisconsin verhaftet: Ihr wird vorgeworfen, einem Migranten geholfen und Trumps Deportationspolitik behindert zu haben.

Im Wahlkampf war von »Ausmistung« des Verwaltungsapparates nie die Rede. Aber nach Trumps Sieg hat Elon Musk ein »Departement für Regierungseffizienz« (Doge) aufgerüstet. Es sollte im gesamten Staatsapparat Milliarden US-Dollar an »Verschwendung, Betrug und Missbrauch« aufdecken. Doge sei ein Rammbock geworden, der kaum Einsparungen bringe, aber Angst und Chaos in Behörden säe, erklärt Jacqueline Simon, die politische Direktorin der größten Gewerkschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst in den USA (AFGE).

Rund 130.000 Angestellte haben ihre Jobs bereits verloren oder freiwillig verlassen, sagt Simon: »Aber bei den Bürgern kommen die Interventionen von Doge erst langsam an.« Büros der Rentenbehörde werden geschlossen, Senior*innen erhalten dort keinen Rat mehr. Konsument*innen verlieren Schutz vor Schikanen und Betrügern im Bank- und Kreditwesen. Zuverlässige Daten über Wetter, Wirtschaftstrends, Krankheiten oder Waffengewalt verschwinden. Flugzeugunglücke nehmen zu, während Doge auch über die Luftfahrtbehörde herfällt.

Der Kampf gegen Antisemitismus dient als Vorwand im Kampf gegen die Hochschulen. Tatsächlich betreibt das Weiße Haus mit der Drohung von Kürzungen im Milliardenbereich bei Forschungs- und Ausbildungsmitteln die Übernahme von Spitzenuniversitäten wie Harvard und Columbia. Trump will Personalentscheidungen, die Vergabe von Studienplätzen und Lehrinhalte kontrollieren.

Amerikas Ruf als führender Standort für Forschung und Lehre wankt. Unis bangen um Einkünfte, müssen auf Anordnung des Gesundheitsministeriums gar lebensrettende Projekte etwa zur Erforschung von ALS einstellen, einer Nervenkrankheit, die zu Muskellähmung führt. »Ist die Arbeit an einer Diagnose von ALS etwa politisch kontrovers?«, fragte sich der Forschungsleiter an der Universität Harvard. Im Kettensägenland USA ist sie es offenbar.


2. »Amerika ist zurück«? Wirtschaft und Zölle als Problem

»Präsident Trumps Politik sorgt dafür, dass die Inflation in Schach gehalten wird«, erklärte Stephen Miran, Vorsitzender des Council of Economic Advisers, also der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, in einem Interview mit dem TV-Sender CNBC. »Zusammen mit dem, was gerade im Handel passiert, lässt uns das sagen: Amerika ist zurück.«

Doch für viele Amerikaner*innen ist der Gang in den Supermarkt immer noch so teuer wie zu Beginn von Trumps Amtszeit. Der wöchentliche Einkauf für einen zwei-Personen-Haushalt kann, auch außerhalb der teuren Großstädte, schon mal mehr als 150 US-Dollar kosten.

Trump hatte damit geworben, unter seiner Führung werde es mit der US-Wirtschaft steil bergauf gehen. Eines seiner Versprechen lautete »make America affordable again« – unter ihm würden die Preise sinken, und zwar, siehe Ukraine-Krieg, ab dem ersten Tag seiner Präsidentschaft.

In einigen Bereichen ist das geschehen, zum Beispiel beim Benzin. Auch die Preise für Flüge und Hotelübernachtungen gingen zurück, so wie die Inflation insgesamt. Die »core prices«, also Durchschnittspreise für Waren ohne Einberechnung der stark schwankenden Kosten für Benzin und Lebensmittel, lagen im März um 2,8% höher als im Jahr zuvor – der niedrigste Anstieg seit fast vier Jahren, berichtet die Nachrichtenagentur AP.

Nach seiner Wahl hatte Trump angekündigt, er werde die Politik der »lächerlich offenen Grenzen« und das Handelsdefizit der USA beenden. Er wolle Zölle in der Höhe einführen, die der jeweilige Partner auf US-Produkte erhebe. Das tat er im April. In vielen Fällen waren die erhobenen US-Zölle sogar noch höher. Also: Versprechen gehalten.

Das macht einige Produkte allerdings teurer für US-Konsument*innen, und gefährdet die gewachsenen Handelsbeziehungen. Amerikaner*innen sehen laut einer Umfrage des Pew Meinungsforschungsinstituts die wirtschaftliche Lage und Zukunft ihres Landes jetzt kritischer als noch im Februar. Damals hatten 40% angegeben, sie gingen davon aus, dass es den USA im nächsten Februar wirtschaftlich besser gehen werde. 37% schätzten, die Bedingungen würden sich verschlechtern. Im April glaubten nur noch 36%, in einem Jahr würden die wirtschaftlichen Bedingungen in den USA besser sein, 45% jedoch gingen davon aus, die wirtschaftliche Situation der USA würde sich verschlechtern.

Tech-Unternehmen verloren nach Trumps Zollankündigungen Anfang April an einem einzigen Tag 1,4 Bio. US-Dollar. Schon im März sind Hauskäufe auf tiefste Werte seit dem Immobilien-Crash 2009 eingebrochen. Hohe Zinsen und Materialkosten schrecken Interessenten und Bauherr*innen ab. IBM und andere Unternehmen warnen vor Umsatzverlusten durch die Streichung von Staatsausgaben. Und reihenweise verzichten Konzerne auf Prognosen für die nächsten Quartale: Zu launisch ist die Regierung, zu unübersichtlich die Lage. Ökonom*innen warnen vor einer Rezession – und steigender Arbeitslosigkeit.


3.
Frieden in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden?

Im Nullkommanichts werde er den Krieg in der Ukraine beenden, sollte er gewählt werden, erklärte Trump im Mai 2023: »Sie sterben, Russen und Ukrainer. Ich möchte, dass sie aufhören zu sterben. […] Und ich werde das erledigen, ich werde das innerhalb von 24 Stunden erledigt haben.« Der Krieg tobt immer noch. Trump musste mittlerweile einsehen, dass auch er den Konflikt nicht schnell beenden kann. Die USA arbeiten ohne größere Abstimmung mit den Bündnispartnern an einer Lösung – und stehen dabei näher an der russischen als an der ukrainischen Seite. Bereits im ersten Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin machte Trump dem russischen Aggressor weit reichende Zugeständnisse.

Trump hat in einem Interview mit dem »Time«-Magazin« klargestellt, dass die Schwarzmeerhalbinsel Krim bei einem Friedensvertrag in russischer Hand bleiben werde: »Die Krim wird bei Russland bleiben. Und Selenskyj versteht das, und jeder versteht, dass die Krim seit Langem zu Russland gehört.« Und er warf der Ukraine auch vor, mit ihrem Wunsch nach einem NATO-Eintritt den Krieg verursacht zu haben: »Ich glaube, was den Krieg auslöste, war, als sie anfingen, über einen NATO-Beitritt zu sprechen. Wenn das nicht gemacht worden wäre, wäre die Chance, dass er (der Krieg) nicht begonnen hätte, viel größer gewesen.« Schon deshalb glaube e nicht, dass die Ukraine jemals NATO-Mitglied werden könne.

Der US-Präsident bleibt bei seiner Russland-freundlichen Sichtweise. Ein Reporter fragte: »Welche Zugeständnisse hat Russland bisher offeriert, um einem Frieden näher zu kommen?« Trump dachte zwei Sekunden nach und meinte dann: »Den Krieg zu beenden. Damit aufzuhören, das ganze Land (die Ukraine) zu erobern. Das ist ein ziemlich großes Zugeständnis.« Der von seiner Regierung skizzierte Friedensplan setzt allerdings einzig Kiew unter Druck. Die Ukraine müsste die russische Besetzung der Gebiete im Osten faktisch akzeptieren und die USA würden zudem die Wirtschaftssanktionen gegen Moskau aufheben. Gleichzeitig gäbe es keine konkreten Sicherheitsgarantien des Westens. Wenn sich die Ukraine und Russland nicht bald einigen sollten, würden sich die USA von den Friedensgesprächen verabschieden, sagte der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance warnend.

Die Verhandlungen bewegten sich in die richtige Richtung, erklärte der russische Außenminister Sergei Lawrow in einem Interview mit CBS. Aber einige Punkte brauchten noch einen »Feinschliff«. Eine Einigung sei aber vor allem deshalb möglich, weil Trump »vermutlich der einzige« ausländische Staatschef sei, der die »ursprünglichen Gründe« des Konflikts verstehe. Dessen Amtsvorgänger Joe Biden habe die Ukraine in die NATO ziehen wollen, Trump würde diesen »riesigen Fehler« nun korrigieren.

Russland kommt im amerikanischen »Friedensplan« gut weg. Aber noch hält Putin seine Karten bedeckt. Die Ausgangslage für den Aggressor ist komfortabel. Russland braucht derzeit keinen Frieden um jeden Preis. Ohne die Zustimmung Putins gehen die Kämpfe weiter und lässt sich Trumps Ziel, wenigstens binnen 100 Tagen nach Amtsantritt zu einer Waffenruhe zu kommen, nicht umsetzen.

Das erlaubt es dem russischen Präsidenten, einerseits auf zentralen Forderungen zu beharren. Anderseits könnte er sich aber auch unerwartet »großzügig« zeigen, um dem neuen amerikanischen Freund zu einem Erfolg zu verhelfen und dessen gute Laune gegenüber Russland für wirtschaftliche und geopolitische Zwecke zu nutzen. Die Signale, die Putin und seine Funktionäre dabei aussenden, sind widersprüchlich. Auf jeden Fall fühlen sie sich ihrer Sache sicher und glauben die USA auf ihrer Seite zu haben, während sie die Europäer als Bremsklötze, Ewiggestrige und Kriegstreiber hinstellen.

Im vergangenen Juni hatte Putin seine Vorstellungen dargelegt. Für einen Waffenstillstand forderte er den Rückzug der ukrainischen Truppen aus den noch nicht eroberten Teilen der vier im Herbst 2022 annektierten ost- und südostukrainischen Regionen. Zudem verlangte er die völkerrechtliche Anerkennung dieser Territorien sowie der Halbinsel Krim als Teil Russlands, die Aufhebung aller westlichen Wirtschaftssanktionen und eine neue europäische Sicherheitsarchitektur mit reduzierter NATO-Präsenz an der Ostflanke.

Immer wenn seitdem von Waffenruhe und vom Frieden die Rede war, verwiesen hohe russische Funktionäre auf diese Bedingungen, Außenminister Lawrow und Putins Sprecher Dmitri Peskow wiederholten das jüngst in Interviews. Ein Einfrieren des Krieges entlang der Frontlinie, wie es Trumps »Friedensplan« offenbar vorsieht, hatten die Russen stets einhellig zurückgewiesen.

Ein solcher Zustand könne den Konflikt nicht dauerhaft lösen, hieß es. Dazu müssten dessen »ursprüngliche Gründe« beseitigt werden: Kiews Streben nach Integration in die NATO, die Ausrichtung insgesamt nach Westen und die gegenüber Russland feindselige Haltung. Den russischen Machthabern geht es letztlich um eine Rückabwicklung der Revolution auf dem Maidan von 2014 und eine weitreichende Kontrolle über die Ukraine.


4. Der Populist erreicht ein historisches Tief

Laut CNN haben die Beliebtheitswerte des 47. US-Präsidenten nach 100 Tagen im Amt ein historisches Tief erreicht. Dem US-TV-Sender zufolge liegt die Zustimmungsrate zu der Politik des Republikaners nur noch bei 41%. Dies wäre der niedrigste Wert aller neu gewählten Präsidenten nach 100 Tagen seit Dwight D. Eisenhower (amtierte von 1953 bis 1961) – und auch einschließlich Trumps eigener erster Amtszeit (2016–2020).

Die Zustimmung zu Trumps Amtsführung sank demnach seit März 2025 um vier Punkte, im Vergleich zu Ende Februar ist sie sogar um sieben Punkte niedriger. Nur 22% der befragten US-Amerikaner*innen geben an, Trumps Amtsführung voll und ganz zu befürworten – was ein neuer Tiefstand wäre – und etwa doppelt so viele der Befragten (45%) äußern eine »starke Ablehnung«.

Verloren habe der amtierende US-Präsident demnach insbesondere in einer Wähler*innengruppe, die für seinen Wahlerfolg im Jahr 2024 wichtig war: Bei den Hispanoamerikaner*innen hat Trump laut CNN 7% an Zustimmung eingebüßt, dort unterstützen nur noch 28% der Wähler*innen seinen Kurs. Auch eine weitere Wähler*innengruppe äußerte Missfallen: Nur noch 36% aller wahlberechtigten Frauen (minus 7%) stehen hinter dem Präsidenten.

Die parteipolitischen Ansichten über Trump sind weit gespalten: 86% der Republikaner befürworten ihn, 93% der Demokraten lehnen ihn ab. Unter politisch Unabhängigen ist die Zustimmungsrate des Präsidenten jedoch auf 31% gesunken. Dies entspricht seinem Tiefpunkt in der ersten Amtszeit und in etwa seinem Stand im Januar 2021.

Trump selbst äußerte sich zunächst nicht zu den Umfragewerten, auch auf seiner Plattform Truth Social blieb es vorerst ruhig. Dann jedoch legte er los, allerdings ohne CNN und die besagte Umfrage konkret beim Namen zu nennen: »Wir haben in diesem Land keine freie und faire Presse mehr. Wir haben eine Presse, die schlechte Geschichten schreibt und bei Umfragen massiv betrügt. Sie ist kompromittiert und korrupt. Traurig!«

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