6. August 2018 Joachim Bischoff

Alternative zum Handelskrieg

Foto: gemeinfrei

Die USA und China steuern weiterhin auf einen Handelskrieg zu, der amerikanisch-chinesische Konflikt eskaliert. Die chinesische Führung erklärt ihren harten Widerstand gegen eine Verschärfung des Drucks seitens der USA.

Dagegen herrscht im Handelsstreit zwischen den USA und der EU aktuell »Waffenstillstand«. Trump und Juncker haben zwar bekanntgegeben, einen Waffenstillstand in Handelsfragen vereinbart zu haben. Aber da sie keinerlei »Friedensvertrag« unterzeichnet haben, sollten sich die Anhänger*innen des Freihandels wohl nicht darauf verlassen. Sehr wahrscheinlich gehen wir von einem Deal zum nächsten, zum übernächsten usw.

Hat Trump Recht, wenn er behauptet, Handelskriege seien gut und einfach zu gewinnen?
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump droht China im Handelskonflikt mit einer weiteren Eskalation. Trump wies seinen Handelsbeauftragten, Robert Lighthizer, an, eine Erhöhung der geplanten Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Mrd. US-Dollar von 10% auf 25% zu prüfen. Die Maßnahme solle die chinesische Regierung zu einem Politikwechsel bewegen, um gerechtere Marktbedingungen zu schaffen. Bedauerlicherweise habe die chinesische Regierung ihr Verhalten bislang nicht geändert, sondern mit Vergeltungsmaßnahmen gegen amerikanische Unternehmen, Arbeiter und Landwirte reagiert.

Anfang Juli waren bereits US-Zölle in Höhe von 25% auf chinesische Importe im Wert von 34 Mrd. US-Dollar in Kraft getreten. Als Vergeltung erhebt China inzwischen Sonderabgaben auf Autos aus den USA, aber auch auf landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Sojabohnen, Schweinefleisch, Rindfleisch und Molkereiprodukte. Es zielt damit vor allem auf die Wählerschaft Trumps im ländlichen Raum ab.

Zudem könnten in Kürze noch 25-prozentige US-Zölle auf chinesische Waren im Wert von weiteren 16 Mrd. US-Dollar folgen. Die Überprüfung dazu läuft noch. Trump droht damit, am Ende vielleicht sogar alle Importe aus China im Wert von rund 500 Mrd. US-Dollar mit Abgaben überziehen zu wollen. China kann Vergeltung mit eigenen Strafzöllen auf Importe aus den USA ohnehin nur begrenzt ausüben, weil die USA nur Waren für 130 Mrd. US-Dollar nach China ausführen. So fürchten US-Unternehmen, dass Peking außer Zöllen auch zu anderen Gegenmaßnahmen greifen könnte.

Chinas Regierung warnt die Trump-Administration vor einer weiteren Verschärfung des Konfliktes: »Wenn die USA einen Schritt weitergehen, wird China unausweichlich zurückschlagen… Der Druck und die Erpressung der USA werden nicht funktionieren.« China werde seine legitimen Rechte und Interessen verteidigen. Bisher laufen keine formellen Verhandlungen zwischen beiden Seiten. Trump erklärte, dass die USA weiterhin offen für Verhandlungen seien.

Im Schatten der Auseinandersetzungen um Strafzölle geraten die Währungsrelationen in Bewegung. In China ist der Yuan in letzter Zeit unter Druck geraten und seit Jahresanfang auf den tiefsten Stand Jahr gefallen. Vordergründig lässt sich die Abwertung der chinesischen Währung als gezielte Maßnahme der Pekinger Führung auf die US-Strafzölle interpretieren. Eine Abschwächung des Yuan erhöht die preisliche Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Produkte auf dem amerikanischen Markt. Auf der anderen Seite hat die chinesische People's Bank of China in der Vergangenheit viele US-Dollar eingesetzt, um einen chronischen Vertrauensverlust zu kontern und den Wechselkurs des Yuan zu stabilisieren. Es könnte sich bei der Abwertung um eine übliche Marktreaktion handeln und die chinesische Nationalbank will unter Bedingungen des eskalierenden Handelskrieges nicht höhere Devisenreserven einsetzen.



Sollte der Handelsstreit zwischen China und den USA intensiver werden, ist nicht auszuschließen, dass dieser Umschlag in einen Abwertungswettlauf Fahrt aufnimmt und China im Extremfall mit einer politisch motivierten starken Abwertung reagiert.

Die Trump-Administration spielt mit dem Feuer. Erreicht werden soll eine Aufkündigung der »schlechten« Deals. Die aufsteigende Weltmacht China, aber auch die westlichen, vor allem europäischen Freunde, nutzten seit Jahrzehnten die Gutmütigkeit und Naivität der Globalmacht USA aus und erschlichen sich durch Dumping, Währungsmanipulationen und intellektuellen Diebstahl einen überhöhten Anteil am globalen Wohlstand zulasten der USA. Wenn Trump und seine Berater das Handelsbilanzdefizit wirklich verkleinern wollen, gibt es nur einen Weg: Sie müssen das Staatsdefizit verringern oder einen Überschuss erzielen. D.h.: Wenn die Inlandsinvestitionen der USA ihre gesellschaftlichen Ersparnisse weiterhin überschreiten, wird das Land Kapital importieren müssen und ein hohes Handelsdefizit aufweisen. Neben einer Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur und einer Modernisierung des privatkapitalistischen Kapitalstocks könnten die USA versuchen, eine Erneuerung der Welthandelsordnung durchzusetzen.

Die WTO (in Fortsetzung des GATT) hat dafür gesorgt, dass im Welthandel das Faustrecht des Stärkeren ersetzt wurde und feste, multilaterale Regeln Handelskriege verhinderten, bei denen es nur Verlierer gibt sowie die Gefahr des Umschlages in kriegerische Konflikte bestand. Die Attacken des US-Präsidenten Donald Trump auf das System und die Drohung mit einem Handelskrieg sind nicht die Ursache, sondern ein Symptom der Probleme. Trump vertritt viele Positionen früherer US-Präsidenten, die seit Längerem keine Reformen mehr durchsetzen konnten. Es geht seit Längerem um nichttarifäre Handelshemmnisse und Regelungen des Innovationstransfers. Der Erfolg der WTO bestand darin, dass die Regeln nur im Konsens getroffen worden sind. Doch dieser multilaterale Weg ist seit den 1990er Jahren so gut wie blockiert.

Die Trump-Administration stellt die Welthandelsordnung insgesamt infrage. Und was noch schlimmer ist, das Ziel einer Stabilisierung der Weltmachtrolle wird scheitern. Aufgrund der Ende letzten Jahres verabschiedeten Steuersenkungen erreicht das US-Haushaltsdefizit neue Rekordstände, die laut einer aktuellen Prognose bis 2020 eine Bio. US-Dollar übersteigen werden. Das Handelsdefizit wird also ganz unabhängig vom Ergebnis des Handelskrieges fast mit Sicherheit steigen. Es dürfte eher zu- als abnehmen, was den Deal-Maker ziemlich frustrieren wird. Tatsächlich wird die Leistungsbilanz eines Landes mehr von den wirtschaftlichen Prozessen im Binnenmarkt bestimmt.

Die USA haben ein Problem, aber es betrifft in erster Linie nicht nur China, Kanada, Mexiko oder die EU. Nur eine Doppelstrategie könnte die USA aus der Spirale eines Abstiegs der Weltmacht herausholen und der Losung »america first« einen anderen Sinn geben:

  • Zum einen müsste eine Erneuerung der produktiven Wertschöpfung im Lande erfolgen und damit die Grundlage legen für eine Expansion von zukunftsfähigen Jobs, dem Ausbau der sozialen Sicherungen und qualitativen Verbesserung des Bildungsangebots – also eine Strategie der Bekämpfung der sozialen Spaltung in den USA.
  • Zum anderen müsste statt einer Konfrontations-Strategie eine gründliche Reform der WTO (und der Weltwährungsordnung) auf den Weg gebracht werden. Die reformierten Regeln des Welthandels müssten sich neben dem Problem der Handelshindernisse auch auf soziale, ökologische Standards und die überholten WTO-Subventionsregeln erstrecken sowie auch auf Modi des grenzüberschreitenden digitalen Handels und des Innovationstransfers (geistiges Eigentum). Die USA, Japan und europäische Länder kritisieren außerdem zu Recht, dass Peking, nicht wie bislang versprochen, eine Öffnung des eigenen Binnenmarktes umgesetzt hat. Die außenpolitische Strategie sollte daher zurückkehren zu einem Ansatz der umfassenden WTO-Reform, die von den USA, der EU und Japan gefordert werden. China hat weitere Marktöffnungen angeboten, die im Rahmen von multilateralen Regelungen in feste Zugeständnisse umgewandelt werden könnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das GATT/WTO-System ein historischer, zivilisatorischer Erfolg. So sind seit 1947 die Zölle auf Industriegüter auf durchschnittlich 4% zurückgegangen, und es sind mittlerweile 164 Nationalstaaten Mitglied der WTO. Handelskriege konnten in der Vergangenheit vermieden werden, obwohl es schon häufiger zu ernsthaften Belastungsproben kam.

Das System von Bretton Woods (GATT, Weltbank etc.) bildete einen Hintergrund für die nachfolgenden Jahrzehnte einer sich globalisierenden Wirtschaft mit hohen Wachstumsraten. Es stand für einen geregelten Kapitalismus mit zeitweilig streng regulierten Finanzmärkten (u.a. mittels Kapitalverkehrskontrollen) und für eine Politik, die das Vollbeschäftigungsziel anerkennt, den Willen hat, große Ungleichgewichte im internationalen Handel zu verhindern und dazu den Staaten eine aktive Rolle zuweist . Keynes hatte in diesem Sinne entscheidend dazu beigetragen, ein weltwirtschaftliches System zu etablieren, das erstaunlich konfliktfrei war.

Zur kapitalistischen Weltordnung gehören immer noch und verstärkt heute neben der internationalen Spezialisierung und einer Verteilung des Kapitals über alle Länder eben auch die Eroberung neuer Märkte, das Vordringen des wirtschaftlichen Imperialismus und Schutz der auswärtigen Interessen eines Landes etc. Aber schon Keynes war nicht davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Vorteile der internationalen Arbeitsteilung so stark in die Waagschale fallen, dass diese negativen Seiten in Kauf genommen werden müssten. »Kurz gesagt, obwohl die nationale Selbstgenügsamkeit etwas kostet, kann sie ein Luxus werden, den wir uns leisten können.«[1] Es gilt die entsprechenden Institutionen dafür zu schaffen.


[1] J. M. Keynes, Nationale Selbstgenügsamkeit, in Harald Mattfeld, Kommentierte Werkauswahl, Hamburg 1985, S. 156.

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