5. Juli 2024 Redaktion Sozialismus.de: Haushaltsentwurf mit »Wachstumsturbo«
Ampel einigt sich auf Finanzplan
Nach langen Verhandlungen zwischen den Partnern des als »Zukunftskoalition« gestarteten Bündnis von SPD, Grünen und FDP kann die Regierung dem Kabinett und dem Parlament in den nächsten Wochen einen Haushaltsplan für 2025 und die nachfolgenden Jahre zur Beratung vorlegen.
Für den nötigen Kabinettsbeschluss ist der 17. Juli im Gespräch. Ab Mitte September könnte sich dann der Bundestag mit dem Haushaltsentwurf befassen, um ihn im November oder Dezember zu beschließen.
Einzelne Ressortminister*innen wollten Sparvorgaben des Finanzminister Christian Lindner (FDP) zunächst nicht akzeptieren. Vor allem Sozialdemokraten drangen mit Blick auf die finanziellen Belastungen durch den Ukraine-Krieg darauf, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Die FDP lehnt das strikt ab. Deren Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich über das Ergebnis des Verhandlungsmarathons hoch zufrieden: »Der Haushalt steht, und die Wirtschaftswende kommt: mit Einhaltung der Schuldenbremse, Entlastung der hart arbeitenden Mitte und deutlichen Impulsen für mehr Wachstum.« Das lange Verhandeln habe sich daher gelohnt.
Diese Jubelarie wollte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, nicht teilen. Für ihn ist die Debatte über die Schuldenbremse – die laut der verkündeten Kompromiss-Verabredung eingehalten werden soll – noch nicht vom Tisch. »Wenn ich es richtig gehört habe, sind ja eine Menge Kunstgriffe notwendig gewesen, um von einer Lücke von 40 Milliarden dann auf 10 Milliarden zu kommen, die jetzt offensichtlich so auskömmlich ist, dass man ohne den Überschreitungsbeschluss wird arbeiten können«, sagte er nach einer Sondersitzung seiner Fraktion.
Sollte sich herausstellen, dass dies doch nicht möglich sei, dann werde man auch wieder über die »Notlage« diskutieren. Er behalte sich das Instrument vor, über einen Notlagenbeschluss eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu erreichen, so Mützenich. Selbst wenn die Menge Kunstgriffe tragen sollte, um die Milliardenlücke im Haushalt zu schließen, könnten doch Entwicklungen in der Gesellschaft und den internationalen Verpflichtungen diesen Kompromiss wieder gefährden.
Die Spitzen der Ampelkoalition haben sich also auf den Entwurf eines Bundeshaushalt 2025 und einen Wachstumspaket verständigt, dem der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seinen üblichen markigen Worten schon die Qualität »Wachstumsturbo« angehängt hat. Die Einigung zum Haushalt und zum Finanzplan bis 2028 sieht vor, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Eine Notlage soll demnach nicht festgestellt werden. Aber die Koalition plant für dieses Jahr zudem einen Nachtragshaushalt, der 11 Mrd. Euro umfassen soll.
2025 will die Bundesregierung neue Schulden in Höhe von 44 Mrd. Euro aufnehmen. Der Nachtragshaushalt für das laufende Jahr ermöglicht der Regierung darüber hinaus eine zusätzliche Verschuldung um jene 11 Mrd. Euro. Ob damit ein »Wachstumsturbo« entstehen kann, bleibt abzuwarten. In diesem Jahr wird in Deutschland nur ein Mini-Wachstum des BIP von unter 0, 5% erwartet.
Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, auch der private Konsum kommt nur schleppend in Schwung. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem Standortnachteile wie eine hohe Steuer- und Abgabenlast, einen Mangel an Fachkräften und zu viel Bürokratie. Die Gewerkschaften verweisen zu Recht auf die Reallohnverluste und die unzureichende Anpassung der Sozialeinkommen.
Der »Turbo« soll zu einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung in Höhe von 26 Mrd. Euro führen. »Das Paket kann im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen, das sind 26 Mrd. Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung«, heißt es in einem Regierungspapier. Demnach plant die Ampel beschleunigte Abschreibungen von Investitionen, eine verbesserte Forschungszulage und Anreize für mehr Beschäftigung.
Im Wachstumspaket sind unter anderem Anreize vorgesehen, um Langzeitarbeitslose aus dem Bürgergeld zu bekommen. »Die Arbeitgeberbeiträge zu Renten- und Arbeitslosenversicherung werden Beschäftigten, die schon eine Rente beziehen, in Zukunft direkt als Lohn ausgezahlt«, heißt es. Geflüchtete könnten zudem in Zukunft arbeiten, sofern die Ausländerbehörde nicht widerspreche. Um Bürokratie abzubauen, sollen Praxis-Checks für alle Ministerien der Bundesregierung verbindlich werden.
Zudem plant die Ampel Sonderabschreibungen für gewerblich genutzte Elektroautos. Weiter hieß es aus Regierungskreisen, dass Freibeträge erhöht und der Einkommensteuertarif an die Inflation angepasst werden sollen. Demnach soll auch eine Steuerfreiheit für Überstunden eingeführt werden.
Unbestritten ist, dass dieser »Turbo« auch durch die geplanten Verbesserungen bei der Kinderförderung ein wenig Wirkung zeigen könnte. Das Kindergeld soll im kommenden Jahr um fünf Euro steigen. Laut dem Regierungspapier soll auch der Kindersofortzuschlag für bedürftige Familien im Bürgergeld 2025 um fünf Euro erhöht werden. Zudem sind Investitionen des Bundes von jeweils zwei Milliarden Euro im Jahr 2025 und 2026 in Kitas geplant.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht ihre Reformanstrengungen gewürdigt: Es gebe ein starkes Kinderpaket mit finanzieller Unterstützung für armutsgefährdete Kinder und Familien, zugleich werde deutlich in die Kita-Qualität investiert. Der Kinder- und Jugendplan und die Demokratieförderung würden auf dem gleichen hohen Niveau ohne Abstriche fortgeführt und für die Freiwilligendienste seien mehr Mittel gegenüber der ursprünglichen Finanzplanung herausgeholt worden, sie sollen auf dem Niveau bleiben, wie sie bis Ende 2023 von den Trägern abgerufen wurden. Zusätzlich sollen in den kommenden Jahren 20 Mrd. Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden.
Für die Bundeswehr soll im Haushalt für das kommende Jahr deutlich weniger zusätzliches Geld bereitgestellt werden als von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert. Nach der Einigung soll der Verteidigungshaushalt von derzeit rund 52 Mrd. Euro nur um etwa 1,2 Mrd. Euro aufwachsen. Für die Bestellung von Rüstungsgütern erhielt er sogenannte Kreditermächtigungen. Damit wird die nächste Regierung verpflichtet, für jetzt vorgenommene Bestellungen zu zahlen. Keine innovative Praxis, aber im Kern auch eine Umgehung der Schuldenregel.
Mit der Einigung wurde wieder einmal nur der kleinste gemeinsame Nenner gefunden. Was vorgelegt wurde, enthält gleichwohl noch viele offene Detailfragen. Insofern ist das innerkoalitionäre Konfliktpotenzial nicht aufgelöst, sondern eher vorübergehend eingehegt – Ärger auf Wiedervorlage.
Eine große Unbekannte bleibt: Wird das lauthals verkündete »Turbo«-Wachstumspäckchen ausreichend Kraft entwickeln, um die Ökonomie ein wenig anzukurbeln?