14. Dezember 2019 Joachim Bischoff/Bernhard Müller: Mindestlohn und Niedriglohnsektor

Arbeitslöhne für ein »anständiges Leben«

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Die SPD hat auf ihrem Parteitag Anfang Dezember als ein Element ihres Konzepts eines »Sozialstaats für das 21. Jahrhundert« »perspektivisch« eine deutliche Anhebung des Mindestlohns gefordert.

»Die Einführung des Mindestlohns war ein Quantensprung. Er muss aber weiter steigen. Die Sozialpartner brauchen daher einen besseren Rahmen, um ihrer Aufgabe für die Aushandlung eines angemessenen Mindestlohns in der Mindestlohnkommission gerecht werden zu können. Dafür werden wir das Mindestlohngesetz wie vereinbart 2020 evaluieren und weiterentwickeln. Unser Ziel ist die perspektivische Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. Hier sollte die öffentliche Hand bei der Auftragsvergabe mit gutem Beispiel vorangehen. Dafür wollen wir auf Bundesebene ein Tariftreuegesetz mit einem Mindestlohn von 12 Euro schaffen.«

Über die Ursachen des zu geringen Lohnniveaus wird in der SPD-Diskussion allerdings kaum ein Wort verloren. In der Bundesrepublik, einem entwickelten kapitalistisches Land, können große Teile der Lohnabhängigen kein entsprechendes Entgelt für den Verkauf ihrer Arbeitskraft durchsetzen. Weil die Tarifbindungen der Unternehmen in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen sind, in vielen Unternehmen gewerkschaftliche Aktivitäten weiterhin auf deutliche Hindernisse und Einschränkungen stoßen, ist die Bezahlung der Lohnabhängigen unzureichend.

Zudem behindern viele Regelungen der staatlich-administrativen Strukturen die gewerkschaftlichen Aktionen. Wegen dieser strukturellen Defizite im Kräfteverhältnis zwischen Lohnabhängigen (Gewerkschaften) und Unternehmen und der Parteilichkeit vieler staatlicher Regulierungen zugunsten eines geringen Lohnniveaus hat der Kampf um einen gesetzlichen Mindestlohn in der letzten Zeit deutlich an Bedeutung gewonnen.

Das aktuelle Niveau des Mindestlohns, der seit 2015 von 8,50 Euro auf 9,19 angehoben wurde und 2020 auf 9,35 Euro steigen soll, reicht nicht zur Absicherung des Existenzminimums. Deshalb will die SPD innerhalb der GroKo die Möglichkeiten für eine weitere Anhebung des Mindestlohns ausloten. Unterstützung erhält die SPD dabei von Arbeitsnehmerflügel der CDU.

»Die Mindestlohnkommission hat den Mindestlohn nur an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst. Dafür hätten wir gar keine Kommission gebraucht, das hätten wir auch per Gesetz regeln können. Die Kommission muss dafür sorgen, dass der Lohn zum Leben und für eine angemessene Absicherung im Alter reicht. Seit seiner Einführung ist der Mindestlohn um lächerliche 69 Cent gestiegen. Wenn wir so weitermachen, haben wir 2033 zwölf Euro erreicht, das kann ja wohl niemand für sinnvoll halten,« so Karl-Josef Laumann, Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels der Partei (CDA) und seit 2017 Arbeitsminister der schwarz-gelben Regierung in Nordrhein-Westfalen.

Lange hatte die etablierte Ökonomie vor einem gesetzlichen Mindestlohn gewarnt. Insgesamt wehrte sich eine mächtige gesellschaftliche Koalition viele Jahre gegen eine gesetzliche Untergrenze für Lohneinkommen, weil damit vermeintlich Arbeitsplätze gefährdet würden. Erst im Sommer 2014 wurde der Mindestlohn auch in Deutschland beschlossen, der in vielen anderen europäischen kapitalistischen Gesellschaften längst verbreitet war.

Neben der völlig unzureichenden Höhe besteht der aktuelle politische Skandal vor allem darin, dass auch vier Jahre nach Einführung des Mindestlohns viele Beschäftigte weniger Geld als gesetzlich vorgeschrieben, erhalten.

Abbildung 1

Der gesetzliche Mindestlohn markiert nur die untere Schwelle eines Niedriglohnsektors, von dem Deutschland einen der größten in Europa hat. Es sagt viel über das Zivilisationsniveau des entwickelten Kapitalismus, dass hier das staatliche Machtmonopol zur Herabdrückung des Werts der Ware Arbeitskraft eingesetzt wird. Trotz Beschäftigungsboom und starkem Wirtschaftswachstum verdient jeder vierte abhängig Beschäftigte – rund acht Mio. Menschen – hierzulande weniger als 10,80 Euro brutto pro Stunde – im Jahr 2019 die sogenannte Niedriglohnschwelle. Europaweit liegt der Anteil bei einem Sechstel. Betroffen sind in Deutschland vor allem Frauen, Alleinerziehende, Ostdeutsche und Migrant*innen. Dieser Sektor ist das Haupteinfallstor für heutige Erwerbs- und spätere Altersarmut.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Sommer eine Zwischenbilanz der Entwicklung der unteren Einkommen und des Mindestlohns vorgelegt.[1] Danach haben sich die Löhne in den unteren Dezilen in den ersten beiden Jahren nach Einführung des Mindestlohns – im Unterschied zur Dekade davor – dynamischer als in den oberen Dezilen entwickelt. Mit 13% war der Zuwachs im ersten (untersten) Dezil am stärksten, während in den Dezilen drei bis acht die Veränderung bei rund 6% lag und in den obersten beiden Dezilen bei 3%. Der starke Zuwachs im ersten Dezil geht dabei zumindest teilweise auf die Einführung des Mindestlohns zurück. Trotz der überdurchschnittlichen Dynamik im unteren Bereich der Lohnverteilung lag der ermittelte Durchschnittslohn im ersten Dezil mit etwa 7,50 Euro auch im Jahr 2016 deutlich unterhalb des Mindestlohns.

Abbildung 2

2017 wurde der Mindestlohn dann zwar auf 8,84 Euro angehoben, gleichwohl stagnierten in den Jahren 2016 und 2017 die berechneten vertraglichen Löhne im ersten Dezil. Logischerweise lag deshalb auch im Jahr 2017 der berechnete vertragliche Stundenlohn bei vielen anspruchsberechtigten Beschäftigten unterhalb des Mindestlohns.

Betrachtet man dabei nur Arbeitnehmer*innen in einer Hauptbeschäftigung, die einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, ergibt sich eine Quote von 7,7% bzw. rund 2,4 Mio. Lohnabhängigen, deren berechneter vertraglicher Stundenlohn unter der Mindestlohnschwelle lag. Zieht man den berechneten tatsächlichen Stundenlohn inklusive eventueller Überstunden heran, so erhöht sich die Zahl der Betroffenen auf 3,2 Mio. Hinzu genommen werden müssen noch die 500.000 Lohnabhängigen, die einer Nebentätigkeit nachgehen und einen Lohn unterhalb der Mindestlohnschwelle erhalten.

Nimmt man als Bezugspunkt der Auswertung die Daten aus der direkten Abfrage des vertraglichen Stundenlohns, der im Rahmen einer Haupttätigkeit erzielt wurde, vor, ergibt sich eine Zahl von rund 1,3 Mio. anspruchsberechtigten Lohnabhängigen, die im Jahr 2017 weniger als 8,84 Euro pro Stunde bekamen.

Abbildung 3

Wir sehen also bei der Entwicklung der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse unterhalb der Mindestlohnschwelle eine skandalöse Wellenbewegung: »Vergleicht man die Entwicklung über die Zeit, lässt sich eine Wellenbewegung erkennen: Lagen im Jahr 2014 2,8 Mio. Beschäftigte, die hauptberuflich in Wirtschaftszweigen ohne branchenspezifische Mindestlöhne tätig waren, mit Blick auf ihren berechneten vertraglichen Stundenlohn unter 8,50 Euro, sank deren Zahl in den folgenden beiden Jahren um insgesamt eine Million. Mit der Anhebung des Mindestlohns im Jahr 2017 und der Ausweitung auf weitere Branchen, für die zuvor Übergangsregelungen galten, stieg die Zahl jedoch wieder auf rund 2,4 Mio. an. Die Entwicklung für die berechneten tatsächlichen Stundenlöhne verlief nahezu parallel, wenngleich auf einem höheren Niveau.«


Niedriglöhne und Mindestlohn

Die Einführung des Mindestlohns zum Jahresbeginn 2015 war eine Zäsur am deutschen Arbeitsmarkt, die mit großen Erwartungen verknüpft war und gleichzeitig große Skepsis und Kritik hervorrief. Mit der Einführung sollte tendenziell für alle Beschäftigten eine untere Lohngrenze eingezogen werden. Dies ist, wir gesehen haben, nur zum Teil gelungen. Auch im Jahr 2017 bekamen – bei konservativer Berechnung – rund 1,8 Mio. Lohnabhängige einen Lohn unterhalb der Mindestlohnschwelle.

Das liegt auch daran, dass für die Durchsetzung des Mindestlohns flächendeckende und intensive Kontrollen des Zolls erforderlich sind, die seine Einhaltung kontrollieren. Eine solche Kontrolle aber gibt es mangels Personals bisher praktisch nicht. Der politische Wille, dies zu ändern, ist bei den Parteien der GroKo nicht erkennbar. Darüber hinaus fehlt es bisher auch an dem politischen Willen, den Mindestlohn nachhaltig zu erhöhen, denn er reicht nicht aus, um aus der Armutszone herauszukommen. Selbst kleinere Reformen wie die Erleichterung der Herstellung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifvereinbarungen, sind in dem »Sozialstaat des 20. Jahrhunderts« nicht durchzusetzen. Der staatliche Ordnungsrahmen wird immer noch zur Absicherung der Machtpositionen der Unternehmen eingesetzt.

Sicher war die Einführung des Mindestlohns in das bundesdeutsche Unternehmensrecht ein wichtiger Schritt, hat aber am Umfang des Niedriglohnsektors in der Berliner Republik nichts Wesentliches geändert. Trotz langer Boom-Phase (die »fetten Jahre«) arbeitet immer noch etwa ein Viertel der Lohnabhängigen in Deutschland zu Niedriglöhnen. Und: Die Mindestlöhne reichen selbst in Vollzeit nicht annähernd aus, um die Lebenshaltungskosten zu decken und eine würdevolle Existenz im Alter zu gewährleisten. Die Konjunktur schwächelt neuerdings, aber die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erwarten wir erst in der näheren Zukunft. Trotz Erhöhung des Mindestlohnes auf 9,19 Euro gilt in Deutschland: Auch wer Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, bleibt in der Armut stecken.

Als Niedriglöhne werden Bruttostundenlöhne bezeichnet, die geringer als zwei Drittel des Medianstundenlohns aller Beschäftigten in Deutschland sind. Als Grundlage für die Berechnung[2] haben die DIW-Forscher den vereinbarten Stundenlohn verwendet. Für das Jahr 2017 betrug der Medianstundenlohn aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse rund 16,20 Euro und die Niedriglohnschwelle 10,80 Euro.

Im europäischen Vergleich[3] hat die Bundesrepublik einen der größten Niedriglohnsektoren. Die höchsten Anteile wurden 2014 in Lettland (25,5%), Rumänien (24,4%), Litauen (24,0%) und Polen (23,6%) verzeichnet, gefolgt von Estland (22,8%), Deutschland (22,5%), Irland (21,6%) und dem Vereinigten Königreich (21,3%). Hingegen waren weniger als 10% der Arbeitnehmer*innen in Schweden (2,6%), Belgien (3,8%), Finnland (5,3%), Dänemark (8,6%), Frankreich (8,8%) und Italien (9,4%) Niedriglohnempfänger*innen.

Abbildung 4

Mitte der 1990er Jahre lag der Anteil der Beschäftigten mit einem Niedriglohn in Deutschland noch bei rund 16%. Nach 1997 hat eine starke Ausweitung dieses Lohnsegments stattgefunden. Seit dem Jahr 2008 verharrt der Anteil konstant bei fast 24%. Da gleichzeitig die Beschäftigung insgesamt deutlich zugenommen hat, bedeutet der konstante Anteil auch, dass im Jahr 2017 7,9 Mio. abhängig Beschäftigte einen Lohn für ihre Haupttätigkeit unterhalb der Niedriglohnschwelle erhielten. Das waren 2,9 Mio. Beschäftigte (46%) mehr als noch 1995, so eine Untersuchung des DIW.[4]

Abbildung 5

 

Die Niedriglohnfalle

Die Ausweitung des Niedriglohnsektors wurde auch mit dem Versprechen begründet, dass niedrig entlohnte Jobs für Arbeitslose ein Sprungbrett in Beschäftigung bieten, und dass sich diese Berufserfahrung später in höheren Löhnen niederschlägt. In der DIW-Untersuchung wurde das anhand der Mobilität zwischen sechs Lohnsegmenten in Vier-Jahres-Zeiträume seit 1995 überprüft.

Insgesamt befanden sich über die Hälfte der Beschäftigten über die Zeiträume hinweg drei Jahre später immer noch im ursprünglichen Lohnsegment. Betrachtet man nur den Niedriglohnbereich, so verharrten im Zeitraum 2014 bis 2017 beinahe zwei Drittel der Beschäftigten (62%) dort. Diejenigen, die eine Lohnverbesserung erfahren haben, sind mehrheitlich in das nächsthöhere Lohnsegment aufgestiegen (66,6 bis 90% des Medianlohns).

Die Aufstiege in obere Lohngruppen betreffen zum großen Teil Personen, die während der Ausbildung oder des Studiums einfache Jobs ausgeübt haben und später in ihrem erlernten Beruf einsteigen und deutlich höhere Löhne erhalten. In Deutschland konnte ein alleinstehender Erwachsener ohne Kinder bei dem alten Mindestlohn von 8,84 pro Stunde nach Steuern und Sozialabgaben nur 1.110,50 Euro mit nach Hause nehmen. Nur 14,50 Euro trennen dieses Einkommen von der offiziellen Armutsschwelle.

Die Erhöhung des Mindestlohns auf 9,19 Euro pro Stunde ändert nicht viel an der Armutsgefährdung der Mindestlohnempfänger*innen: Bei Vollzeitbeschäftigung ergibt das nach Schätzungen um die 35 Euro netto pro Monat zusätzlich, was einen deutschen Lohnabhängigen immer noch kaum über die Armutsschwelle hinaushebt.

Der Niedriglohnsektor erweist sich insgesamt für die meisten Lohnabhängigen keineswegs als Übergang oder gar Sprungbrett in ein besseres Beschäftigungsverhältnis. Vielmehr gibt es eine Niedriglohnfalle. Der Niedriglohnsektor, zu dem viele Minijobs gehören, sollte eingedämmt werden.


Lohnarbeit muss angemessen entlohnt werden

Zum Rahmen der kapitalistischen Ökonomie gehört idealtypisch, dass Unternehmen ihren Beschäftigten Löhne bezahlen, von denen sie angemessen leben können. Deshalb sollte der gesetzliche Mindestlohn nicht ein Existenzminimum gewährleisten, sondern die angemessene Reproduktion dieser sozialen Existenz gewährleisten. Tatsächlich sind die gesetzlich festgeschriebenen Mindestlöhne heute in vielen kapitalistischen Ländern Armutslöhne. Sie verhindern zwar hemmungsloses Lohndumping, ermöglichen aber noch kein »anständiges« Leben, d.h. eine Beteiligung am gesellschaftlichen Wohlstand.

Ähnlich wie bei der Festlegung einer gesellschaftlichen Grenze für die Bestimmung der Existenzsicherung gibt es auch Ansätze zur Erfassung eines gesellschaftlich ausreichenden Mindestlohns. Als bestes Verfahren gilt die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Mindestlohn und mittlerem Lohn, dem Medianlohn in den jeweiligen Ländern.[5] In Anlehnung an die Armutsforschung hat sich die Schwelle von 60% als realistische Zielmarke erwiesen. Erst wer mindestens 60% des mittleren Lohns verdient, kann davon leben, ohne den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren. Dieser Wert wäre ein geeigneter Ausgangspunkt für eine europäische Mindestlohnpolitik.

Abbildung 6

Über die Sicherung des Wertes der Arbeitskraft hinaus geht es um verbesserte Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt. Im Vordergrund stehen Regelungen zur Sicherungen Existenz im Falle von Krisen oder Strukturbrüchen in der Entwicklung der Produktivkräfte gesellschaftlicher Arbeit. Außerdem um die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarkts, in dem Arbeitsangebote für all jene Mitglieder bereitgestellt werden, die aus vielfältigen gesundheitlichen oder anderen Gründen im üblichen Verkauf ihrer Arbeitskraft Benachteiligungen unterliegen.

Ausgehend von der Konsolidierung der Prozesse der Gestaltung des Werts der Arbeitskraft können dann auch Reformen der Alterssicherung angepackt werden. Vorrangig geht es aktuell um eine Verhinderung der weiteren Absenkung des Rentenniveaus, in der Perspektive um eine deutliche Anhebung und um armutsfeste Grundsicherungsleistungen, die den Betroffenen ein sozial-kulturelles Minimum garantieren und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicherstellen. Dazu gehört auch eine deutliche Anhebung des Wohngelds. Schließlich geht es um die Einführung einer Kindergrundsicherung, die den Skandal von Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland beendet.

Anmerkungen

[1] Alexandra Fedorets, Markus M. Grabka und Carsten Schröder, Mindestlohn: Nach wie vor erhalten ihn viele anspruchsberechtigte Beschäftigte nicht, DIW-Wochenbericht 28/2019. Auch das IAB (Benjamin Börschlein und Mario Bossler, Positive Lohneffekte, kaum Beschäftigungseffekte, IAB-Kurzbericht 24/2019) hat Anfang Dezember 2019 eine »Bilanz nach fünf Jahren gesetzlicher Mindestlohn« vorgelegt. »Aus heutiger Sicht, also fünf Jahre nach der Mindestlohneinführung, können große negative Beschäftigungserwartungen durch empirische Studien nicht bestätigt werden. Insgesamt zeigt sich eine eher positive Wirkung des Mindestlohns durch deutliche Lohnzuwächse bei gleichzeitig sehr moderaten negativen Beschäftigungseffekten.« Das IAB zweifelt allerdings die vom DIW vorgelegten Zahlen über die Nichteinhaltung des Mindestlohns mit nicht sehr überzeugenden Argumenten an, und warnt vor einer deutlichen Anhebung des Mindestlohns.
[2] Markus Grabka/Carsten Schröder, Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist größer als bislang angenommen, DIW-Wochenbericht 14/2019.
[3] Vgl. Eurostat (2016): Verdienststrukturerhebung. Jeder sechste Arbeitnehmer in der Europäischen Union ist Niedriglohnempfänger. Pressemitteilung 246/2016 vom 8. Dezember 2016 (online verfügbar).
[4] Markus Grabka/Carsten Schröder a.a.O.
[5] Vgl. dazu Thorsten Schulten, Torsten Müller: What’s in a name? From minimum wages to living wages in Europe, Transfer 3/2019, September 2019; Böckler-Implus 16/2019, Europa braucht höhere Mindestlöhne.
[6] Der von der schwarz-roten Bundesregierung gefundene Kompromiss bei der Einführung einer »Grundrente« führt dazu, dass bis zu 1,5 Mio. Bürger*innen mit ihrer Rente in bescheidenem Niveau über dem Grundsicherungsniveau liegen. Diese politische Korrektur einer Fehlentwicklung in der Primärverteilung, die daher rührt, dass für viele Beschäftigte des Niedriglohnsektors der Wert der Ware Arbeitskraft nicht mehr gesichert ist, kann aber nur ein erster Schritt in Richtung armutsfester Rente sein. Kritisch zur »Grundrente« siehe auch Joachim Rock, Was ist die »Grundrente« und, wenn ja, wie viele?, Sozialismus.deAktuell 12.11.2019.

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