3. Dezember 2018 Joachim Bischoff: Nach dem G20-Gipfel – der IWF sieht die Globalökonomie dennoch skeptisch

Atempause im Handelskrieg – und dann?

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Das zentrale Thema des Gipfeltreffens der G-20 Länder in Buenos Aires war der Handelskonflikt zwischen den USA und China. US-Präsident Donald Trump und Chinas Parteichef und Staatspräsident Xi Jinping sind am Rande des G20-Gipfels zusammengekommen und haben in dem seit Monaten schwärenden Handelsstreit eine vorläufige Einigung gefunden.

Seit dem 24. September werden chinesische Produkte mit einem jährlichen Handelswert von insgesamt 253 Mrd. US-Dollar in den USA mit Zöllen belegt. Sie betreffen damit beinahe die Hälfte aller US-Importe aus China und wurden von der US-Regierung in mehreren Tranchen in Kraft gesetzt. Die Warenimporte aus China in die USA haben einen Gesamtumfang von ca. 520 Mrd. US-Dollar.

Derzeit erheben die USA Zölle von 25% auf Importe aus China, die einen jährlichen Handelswert von etwa 50 Mrd. US-Dollar haben, und Zölle von 10% auf Importe mit einem jährlichen Handelswert von 200 Mrd. US-Dollar. Geplant war von den USA, dass der 10%-Zoll per 1. Januar auf 25% erhöht würde. Außerdem stand eine weitere Einführung von Strafzöllen auf die restlichen Warenimporte aus China zur Diskussion.

Die Volksrepublik China hat als Reaktion auf diese Strafzölle auch Produkte aus den USA mit Zöllen belegt. Diese Warenimporte haben einen Gesamtumfang von 127 Mrd. US-Dollar. Peking hat angekündigt, mit Zöllen auf US-Güter im Handelswert von 60 Mrd. US-Dollar zu antworten, wenn keine Einigung erzielt werde. Die Sätze werden je nach Produkt 5% oder 10% betragen und damit tiefer ausfallen als jene der USA.

Das Weiße Haus bestätigte, dass die angedrohte Anhebung bisheriger Strafzölle von 10% auf 25% für 90 Tage ausgesetzt werde. Sollte es danach keine Einigung geben, werde es zur Anhebung der Strafzölle kommen. Auch Chinas Außenminister Wang Yi erklärte, Trump und Xi Jinping seien übereingekommen, die Verhängung weiterer Sonderzölle auf Importe zu stoppen. China sagte laut Wang zu, seine Importe auszuweiten, »um schrittweise die Handelsungleichgewichte abzumildern«. Beide Seiten wollten Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, alle verhängten Sonderabgaben zu beseitigen.

Der Waffenstillstand ist nach Angaben des Weißen Hauses deshalb mit einer Frist verknüpft, weil von China weitere Konzessionen erwartet werden. Falls es dazu bis zum 1. Januar nicht kommt, würden die USA die Sonderabgaben auf Importe aus China im Wert von 200 Mrd. US-Dollar doch von 10% auf 25% erhöhen.

Als Gegenleistung für das Einfrieren der US-Zölle wollen die Chinesen ab sofort amerikanische Landwirtschaftsgüter kaufen. Weitere »substanzielle« Käufe von US-Gütern sollen folgen, und zwar auch im Energie- und Industriebereich, müssen aber noch vereinbart werden. So soll das bilaterale US-Güterhandelsdefizit gegenüber China reduziert werden. Die neuen Verhandlungen sollen um »strukturelle Veränderungen« bei zwangsweisem Technologietransfer, Urheberrechtsschutz, Marktbarrieren, Cyber-Attacken, Dienstleistungen und Landwirtschaft gehen, erklärte Trumps Sprecherin Sarah Sanders.

Aus den bisherigen Erklärungen wird allerdings nicht deutlich, wie diese umfassende Thematik in den nächsten drei Monaten abgearbeitet werden soll. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass sich die Gruppe der 20 großen Wirtschaftsmächte in ihrer Abschlusserklärung für eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) ausgesprochen hat. Es wird ausdrücklich betont, dass das multilaterale Handelssystem für Wirtschaft und Entwicklung von Bedeutung sei.

Weil das System gegenwärtig aber seine Ziele nicht erreiche, gebe es Raum für Verbesserungen, heißt es weiter. Aus diesem Grund wollen die Länder eine Reform der WTO. Auf dem nächsten Gipfel Ende Juni im japanischen Osaka sollen die Fortschritte überprüft werden. Besonders die USA kritisieren jedoch die WTO und blockieren aktuell deren Arbeit, zum Beispiel indem sie die Ernennung von neuen Mitgliedern von dessen Schiedsgremien verhindern.

Der amerikanische Präsident möchte das US-Handelsbilanzdefizit abbauen, das er als Indiz eines unfairen Handels interpretiert und als Grund für den Abbau von Jobs in der US-amerikanischen Industrie betrachtet. Die Existenz von massiven Handels- und Leistungsbilanzdefiziten unter den exportportstarken Nationen ist seit Jahrzehnten ein Streitpunkt. Andererseits bewirkt die Einführung von Strafzöllen keine durchgreifende Lösung, weil damit die Regelung und Steuerung von Dienstleistungen, Auslandsvermögen und Finanzströmen unberührt bleibt. Die Forderung nach fairem Handel zielt also nicht auf die Aushandlung eines multilateralen Handels- und Zollabkommens, sondern auf die direkte Umsetzung des amerikanischen Interesses nach dem Motto von Trumps Präsidentschaft »Amerika zuerst«.

Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) drückt der Handelskrieg bereits jetzt auf das Wachstum beider Länder. Selbst wenn die weitere Eskalation des Handels- und Zollstreites gestoppt wird, bleiben die Risiken für die Konjunktur der Globalökonomie virulent. Die weltweite Konjunktur verliert nach Ansicht des IWF an Fahrt. Die Weltwirtschaft hat deutlich an Wachstumsdynamik eingebüßt. »Zugleich ist die Expansion aber unausgewogener geworden und dürfte in einigen wichtigen Volkswirtschaften den Höhepunkt überschritten haben.« Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks sei gestiegen.

Der Boom der Weltwirtschaft laufe aus. Die Prognose von 3,9% Wachstum für 2018 und 2019 sei nicht mehr zu halten, kündigt die IWF-Chefin Christine Lagarde an. Die größte Belastung für die Weltwirtschaft sind nach ihrer Ansicht des IWF die derzeit schwelenden Handelskonflikte – allen voran der zwischen der USA und China. Hinzu kämen Unsicherheiten wie der Brexit oder die Folgen der Zinswende in den Vereinigten Staaten für viele Schwellenländer.

Die kapitalistische Globalökonomie steht also vor einem Auslaufen des aktuellen Wirtschaftszyklus. Die protektionistischen Konflikte sind ein zusätzlich belastender Faktor. Die entscheidende Frage ist, ob eine sanfte Landung und ein problemloser Übergang in einen neuen Wirtschaftszyklus gestaltet werden kann.

Nach Einschätzung des IWF sind die USA ein potenzieller Krisenherd: Bisher wachsen die USA stark, gestützt durch eine prozyklische wirtschaftspolitische Expansion und noch immer lockere finanzielle Bedingungen. Das könne aber zum Risiko werden. Die staatlichen Spritzen für die US-Wirtschaft sind zum großen Teil über Schulden finanziert. »Das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten, gestützt von einem prozyklischen Fiskalpaket, geht mit einer robusten Geschwindigkeit weiter und treibt die Zinsen in Amerika nach oben.«

Der Handelsstreit zwischen den Wirtschaftsgroßmächten, der natürlich auch Lieferketten und Preise in und zwischen anderen Ländern beeinflusst, ist der wesentliche Grund, warum die IWF-Experten vorsichtiger geworden sind und nun etwas weniger Wirtschaftswachstum auf der Welt vorhersagen als noch vor sechs Monaten.

Das Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist zwar noch auf hohem Niveau. Aber die internationale Kapitalbewegung in Richtung USA zeigt schon erste Wirkungen. Argentinien ist bereits akuter Problemfall beim IWF und die Türkei ist in schwierigeres Fahrwasser geraten. In Italien haben die internationalen Anleger schon deutlich reagiert und in gesunkenen Anleihekursen ausgedrückt, dass sie über die künftige Entwicklung beunruhigt sind. Auch abgesehen von der Zins- und der Kapitalbewegung gibt der Schuldenstand zu denken. Die Schulden von privater und öffentlicher Hand sind auf ein Rekordniveau gewachsen. Mit 182 Bio. US-Dollar stehen öffentliche und private Haushalte weltweit in der Kreide. Das sind rund 60% mehr als noch vor der Finanzkrise im Jahr 2007.

»Diese Häufung macht Regierungen und Unternehmen anfälliger für eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen«, sagt Lagarde. Sie spricht von der Gefahr einer »zweiten großen Depression«, weil sich Regierungen und Regulierungsbehörden nicht zu strengeren Spielregeln für die Märkte durchringen können. In den USA lockert Trump gerade die Zügel, die sein Vorgänger Barack Obama nach der Finanzkrise angelegt hatte.

Nötig seien Reformen, »kooperative Lösungen« und die Vermeidung von protektionistischen Reaktionen, erklärte der IWF. In vielen Ländern sei es zudem erforderlich, Finanzpuffer zu schaffen und so die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber einem Umfeld zu schaffen, in dem sich die finanziellen Bedingungen »plötzlich« verschärfen könnten.

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