15. März 2023 Redaktion Sozialismus.de: ver.di kämpft um die Arbeitsplätze und greift Eigner sowie Management an

Ausverkauf bei Galeria Karstadt Kaufhof

Galeria Karstadt Kaufhof macht 52 Filialen dicht, über 5.000 Beschäftigte werden ihren Job verlieren. Nach dem Schließungs-Schock kündigt ver.di massiven Widerstand an, attackiert den Skandal und mobilisiert bundesweit Proteste gegen das Aus der Kaufhäuser.

Der Landesbezirksleiter der Gewerkschaft in Baden-Württemberg, Martin Gross, kritisiert die Eigentümer und das Management scharf: »Wir alle, von Politik über Gesellschaft bis zur Gewerkschaft, dürfen diese Schließungspläne auf keinen Fall hinnehmen […] Nachdem Tausende Beschäftigte seit Jahren auf erhebliche Gehaltsbestandteile verzichtet haben, sollen sie jetzt zum Dank dafür arbeitslos werden.«

Nachdem hunderte Millionen Euro an Steuergeldern »in das Unternehmen gepumpt wurden, sollen etliche Innenstädte weiterveröden. Und dass am Ende ein verantwortungsloser Milliardär und Immobilienspekulant sich einen schlanken Fuß macht, ist ein Skandal«.

ver.di greift vor allem die Mehrheits-Anteilseigner und das Management an. Letzteres macht als Gründe vor allem äußere Umstände wie die »Pandemie, Energieverteuerung, Änderung des Kaufverhaltens der Konsumenten« geltend. Aber die Galeria-Unternehmensleitung habe es – so die ver.di-Kritik – »es über Jahre nicht geschafft […], ein zukunftsfähiges Geschäftskonzept für Galeria zu entwickeln«. In der Tat dauert das Siechtum der Kaufhäuser schon Jahrzehnte. Mit der neuerlichen Schrumpfung und Anpassungen beim bisherigen Geschäftsmodell soll erneut die Zukunft des Konzerns gesichert werden. Damit aber sind die strukturellen Probleme nicht zu lösen.

Denn schon der bisherige Ansatz, durch Personalabbau Kosten zu senken, ist nach hinten losgegangen, da die Warenhäuser dadurch für die Kund*innen immer unattraktiver wurden. Maßgeblich für das Scheitern ist auch das Agieren des Mehrheits-Anteilseigners, worauf ver.di ausdrücklich hinweist: »Hinzu kommt, dass ihr Mehrheits-Anteilseigner, die österreichische Signa Holding – in Person René Benko als deren Gründer und Beiratsvorsitzender –, bis heute nicht glaubhaft machte, dass ein ernsthaftes Interesse an der Fortentwicklung von Galeria gegeben ist.« Stattdessen habe nur ein wirtschaftliches Interesse an den mit Galeria Karstadt Kaufhof erworbenen Immobilien bestanden.

Die zuständige Gewerkschaft ver.di will trotz der beschlossenen Schließungen nicht aufgeben. »Zusammen mit den Betriebsräten der betroffenen Standorte werden wir um jede Filiale und um jeden Arbeitsplatz kämpfen«, sagt der baden-württembergische Landesfachbereichsleiter Wolfgang Krüger. Zusätzlich will man auch mit den Kommunen der Standorte sowie dem Wirtschaftsministerium sprechen. Bei der letzten Insolvenz vor rund drei Jahren habe man noch Standorte retten können.

Exemplarisch für den Niedergang des Geschäftsmodells Warenhaus stehen die Kaufhäuser der Marke Galeria, die früher unter Kaufhof und Karstadt firmierten. Die Warenhausfirma gehört zur verschachtelten Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko. Das Management des Konzerns verkündet, dass nun die »Weichen für eine sichere Zukunft« gestellt würden. Daran darf man mit Blick auf die Vergangenheit jedoch Zweifel haben. Das Unternehmen hatte im Herbst zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Jahren ein Schutzschirmverfahren eingeleitet, also ein Insolvenzverfahren in Eigenregie, aber unter Aufsicht eines externen Sachwalters.

Der Vorstand sieht die Schuld für die »missliche Entwicklung« in den Folgen der Corona-Krise einerseits und des Ukraine-Krieges mit hoher Inflation und stark nachlassender Konsumfreude in Deutschland andererseits. Von eigenen Managementfehler und der seit Jahren fehlende Antwort auf die Herausforderungen des Internets sowie auf die Konkurrenz etwa durch Billiganbieter wie Primark oder Online-Händler wie Zalando ist nicht die Rede. Zudem präferieren viele Kund*innen seit langem Einkaufszentren am Stadtrand mit großflächigen Parkmöglichkeiten.

Schon im April 2020 hatte Galeria kurz nach Beginn der Corona-Pandemie ein Schutzschirmverfahren beantragt, weil Filialen damals zwangsweise geschlossen bleiben mussten. Das Verfahren dauerte bis Herbst des gleichen Jahres. Im Rahmen dieser versuchten Sanierung verzichteten Gläubiger auf mehr als zwei Mrd. Euro, und das Unternehmen plante die Schließung von rund 40 Häusern und den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen. Bereits seit Jahren verzichten die Beschäftigten des Konzerns auf erhebliche Einkommensbestandteile.

Im Januar 2021 steckte der Warenhauskonzern erneut in der Sackgasse: Mit 460 Mio. Euro aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds sowie im Januar 2022 noch einmal 220 Mio. Euro sollte die Wende eingeleitet werden. Diese Gelder unterliegen der Insolvenzordnung und dürften Großteils abgeschrieben werden müssen. Denn auch der Versuch, Mietreduktionen sowie Zuschüsse zur Modernisierung der Häuser durchzusetzen, war nicht erfolgreich.

Das Management will sich künftig auf die Filialen konzentrieren, die seiner Ansicht nach profitabel betrieben werden können. Bereits seit geraumer Zeit werden die bestehenden Häuser in drei Kategorien umgebaut. Zukünftig will man sich vor allem in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home eindeutiger positionieren. Dazu soll es »sinnvolle Ergänzungen« geben wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services, die die Warenhäuser »zum beliebten Treffpunkt in der Innenstadt« machen sollen. Diese Konzeption hält keinem Praxistest stand.

Denn schon bisher konnte Galeria, das sich selbst als das »Herz der Innenstadt« sieht, trotz der 1a-Lage der Immobilien den blutleeren Innenstädten kein neues Leben eingehauchn. »Warum sollen die Kunden noch in ein Warenhaus gehen?«, fragt etwa der Professor für Strategie und Marketing an der School of Management, Martin Fassnacht. Aus seiner Sicht gibt es für die Kaufhäuser sowohl im stationären Geschäft als auch im Online-Handel in jedem Sortiment starke Wettbewerber. Die Kaufhäuser hätten aufgrund der hohen Investitionsnotwendigkeiten viel zu spät auf die Konkurrenz aus dem Internet reagiert. Und die städtischen Kommunen hätten gleichfalls die Innenstädte angesichts des Autoverkehrs veröden lassen.

Schon im September 2018 hatten die damaligen Eigentümer von Galeria Kaufhof und Karstadt, die kanadische Hudson’s Bay Company und der österreichische Investor Benko mit seiner Signa Holding, die Fusion der beiden Unternehmen angekündigt. Jahre zuvor waren auch die früheren Besitzer Arcandor und Metro immer wieder an einer nachhaltigen Sanierung der Kaufhäuser gescheitert. Vom »Zusammenschluss unter Gleichen« versprachen sich die Eigner sinkende Kosten im Einkauf, in der Verwaltung, der Logistik und bei der Datenverarbeitung.

Benkos Signa-Immobilienholding machte sich immer breiter und expandierte rasch. Innerhalb von zehn Jahren ist ein Portfolio von mittlerweile 29 Luxusimmobilien in europäischen Innenstädten entstanden. Zusätzlich sind 25 Immobilienprojekte hauptsächlich in deutschen Städten bereits in Vorbereitung, die bis 2027 umgesetzt werden sollen, wie der umstrittene aber vom Hamburger Senat durchgewinkte Elbtower. Mit Liegenschaften im Wert von rund 17 Mrd. Euro dürfte Signa Prime inzwischen die größte privat gehaltene Immobiliengruppe in Europa sein. Das Geschäftsmodell basiert darauf, Immobilien in bester Innenstadtlage aufzukaufen, baulich und architektonisch aufzuwerten und sie dann längerfristig zu verwerten. Diese rasante Expansion ist teuer und hat dazu geführt, dass Benko nicht mehr alleiniger Herr im Haus ist. Der Kreis der Investoren musste deutlich vergrößert werden.

In welchem Umfang die Galeria-Warenhäuser weitergeführt werden können, und ob die Wiederbelebung der Herzen der Innenstädte gelingt, hängt auch davon ab, wie viel Geld Benko und seine Mitinvestoren bereit sind, aus der Signa Holding zu investieren. Dass auf diesem Weg in Kooperation mit städtischen Kommunen eine Erneuerung des urbanen Lebens im 21. Jahrhundert eingeleitet werden kann, ist eher unwahrscheinlich. Daher halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die größte privatkapitalistische Immobiliengruppe Europas wegen beständiger Zukäufe nur die Strukturschwächen des eigenen Geschäftsmodell kaschieren will, aber letztlich nur eine große Insolvenz vorbereitet.

Der bisherige Sanierungsprozess von Galeria Kaufhof Karstadt wurde begleitet durch erheblichen Lohnverzicht der Beschäftigten und hunderte Mio. Euro an Steuergeldern. Er hat zu keinen überzeugenden Lösungen geführt und auch den weiteren Verödungsprozess der Innenstädte nicht aufgehalten, geschweige denn zu einer versprochenen Sicherung von Arbeitsplätzen geführt. Insofern ist es mehr als verständlich, dass die gewerkschaftlichen Interessenvertreter der Beschäftigten den Bekundungen von Benko und seinem Bevollmächtigten wenig Anerkennung und Vertrauen schenken, und stattdessen massive Proteste und Widerstand gegen die beabsichtigten Schließungen von 52 Filialen mobilisieren.

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