20. Februar 2018 Björn Radke

CDU: Der Kampf für einen liberalen Konservatismus

Foto: Annegret Kramp-Karrenbauer (Olaf Kosinsky / kosinsky.eu)

Angela Merkel hat mit ihrer Personalentscheidung, die gegenwärtige Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, zur Generalsekretärin der CDU zu berufen, ein klares Ausrufzeichen gesetzt. Kramp-Karrenbauer regiert seit 2011 im Saarland. Sie gilt als Vertraute Merkels und ihre mögliche Nachfolgerin.

Diese Rolle dürfte sich durch ihre Berufung zur Generalsekretärin noch verstärken. Einen Rechtsruck, wie ihn konservative Kreise in der Partei, angeführt von Jens Spahn, fordern, wird es mit Merkel und Kramp-Karrenbauer nicht geben. Die FAZ orakelt: »Schwenkt ›AKK‹ wie Laschet die Regenbogenfahne?« und sieht Kramp-Karrenbauer aber als ein Bindeglied gegenüber den Konservativen: »Die Katholikin aus dem Saarland hat zweifellos mehr Verständnis für die Anliegen und das Seelenleben der Wertkonservativen unter den Mitgliedern und Anhängern der CDU als die Pfarrerstochter aus einem eher linken Elternhaus. Doch der unprätentiöse Pragmatismus, mit dem Kramp-Karrenbauer sich politischen Fragen nähert, ähnelt dem Politikverständnis und dem Politikstil der Kanzlerin sehr.«

Für die Nominierung der 55-Jährigen habe es in der Parteispitze »große Zustimmung« gegeben, sagte die CDU-Chefin Angela Merkel. Kramp-Karrenbauer kündigte einen »programmatischen Erneuerungsprozess« an und positioniert sich in der Nähe der Vorstellungen von Armin Laschet. Kramp-Karrenbauer verspricht eine Grundsatzdebatte von der Basis aus, wobei dieser Prozess über konservative, christlich-soziale und liberale Wurzeln gehen müsse. Hierfür wolle sie »sehr gerne« Impulse von der Parteibasis aufgreifen und eine Grundsatzdebatte mit vorantreiben. Sie sehe ihre Aufgabe als Nachfolgerin des bisherigen Generalsekretärs, Peter Tauber, auch darin, die CDU in ihrer gesamten Breite zu stärken und zusammenzuhalten, so Kramp-Karrenbauer. Sie habe sich bewusst gegen einen Eintritt ins Kabinett und für das Engagement in der Bundespartei entschieden. Sie plane, so Karrenbauer weiter, eine Grundsatzdebatte, um den Kurs der kommenden zehn Jahre zu entwerfen. Dabei gehe es um einen Dialog mit der Basis. Es wäre falsch zu fragen, »wo ist im Moment der Zeitgeist«, stattdessen müsse man den Menschen ein »Angebot als demokratische Partei der Mitte« machen.

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Gewinner der Landtagswahl 2017 im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, stellt sich an die Seite Merkels und bringt sich gegen Merkels innerparteiliche Gegner in Stellung. Er verteidigt den Koalitionsvertrag vehement. Auch dass die CDU das Finanzministerium in einer Neuauflage der GroKo abgeben will, verteidigt er ganz im Sinne Merkels: »Man kann doch nicht in dieser Lage wegen Ressortzuschnitten und Ministerposten eine Regierungsbildung platzen lassen!« Die WählerInnen würden dann die CDU wohl für verrückt erklären, schiebt er nach. Und versichert zugleich, dass aus dem Koalitionsvertrag eindeutig hervorgehe, dass es keine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa geben werde.

Mehr noch: Er sendet ein klares Signal an die alten, aber auch an die jungen Konservativen und meint damit wohl auch jenen Kreis um Jens Spahn: »Wir müssen deutlich machen, dass der Markenkern der Christlich Demokratischen Union eben nicht das Konservative ist, sondern dass das christliche Menschenbild über allem steht«, sagt der CDU-Vize unmissverständlich und plädiert für ein neues Grundsatzprogramm. Gut eine Woche vor dem Sonderparteitag nimmt damit in der CDU die Debatte über eine inhaltliche und personelle Erneuerung Fahrt auf. Dem Streit um die Deutungshoheit darüber, was konservativ ist, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Wegen des schlechten Bundestagsergebnisses und der schleppenden Regierungsbildung schwelt in der CDU seit Wochen eine Debatte über den künftigen Kurs.

Für Laschet ist die Sache klar: »In den Gründungsdokumenten der CDU nach dem Krieg stand immer das christliche Menschenbild im Mittelpunkt«, sagt er und beruft sich dabei auf Konrad Adenauer: »Konrad Adenauer hat sich immer dagegen gewendet, die CDU als Sammlungsbewegung der Konservativen zu verstehen.« Das Wort »konservativ« tauche in keinem Gründungsprogramm der CDU auf. Erst 1978 sei es erstmals in der CDU-Programmatik erwähnt, aber nur als eine der Wurzeln der CDU. »Eine Wurzel, aber nicht die Wurzel.« Und dann sagt er, was Konservative in der Partei getrost als Kampfansage verstehen dürfen: »Mit dem, der die Achsen verschieben will, werden wir hart streiten.«

Laschet will sich nun für ein neues Grundsatzprogramm stark machen, an dessen Entwicklung sich die gesellschaftlichen Gruppen, die Kirchen, die Wirtschaft, die Gewerkschaften und Tausende Mitglieder beteiligen sollen. Das alte Programm der CDU habe sich überlebt, es stamme aus dem Jahr 2007. Also aus einer Zeit vor der Weltfinanzkrise, vor der europäischen Schuldenkrise, vor der Flüchtlingskrise, vor »der Herausforderung durch Trump«, vor dem Brexit. Nicht einmal das iPhone sei schon erfunden gewesen. »Wir leben jetzt in einer völlig anderen, aus den Fugen geratenen, beschleunigten Welt«, sagt er. Dabei macht er auch klar, wie er mit der AfD umgehen will: »Ich bin da bei Adenauer. Das Ziel der CDU kann nicht sein, alles, auch programmatisch, zu sammeln, das rechts von der politischen Linken ist.«

In Nordrhein-Westfalen hat Armin Laschet vorgemacht, wie es gehen könnte. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen 2012 startete er auf Landesebene eine Diskussion, an der sich alle Strömungen der Partei beteiligten. Die Wirtschaft, die Kirchen, der Arbeitnehmerflügel, gesellschaftliche Gruppen, alle brachten sich ein. Mit einem geschlossenen Auftritt gelang 2017 der Wahlsieg und die Ablösung der rot-grünen Landesregierung.

Mit Kramp-Karrenbauer und Laschet wird sich zeigen, ob der Weg in einen neuen Rechtskonservatismus aufgehalten werden kann. Angela Merkel setzt auf eine Person, der sie zutraut, die CDU durch schwierige und unruhige Zeiten zu führen – nach ihrem Abgang.

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