4. November 2022 Redaktion Sozialismus.de: Sozialdemokraten stärkste Kraft im Folketing

Dänemark soll »über die politische Mitte hinweg« regiert werden

Obwohl die Sozialdemokraten ein auch historisch herausragendes Ergebnis bei den Parlamentswahlen in Dänemark erzielten und stärkste Kraft wurden, hat die bisherige Regierungschefin Mette Frederiksen ihren Rücktritt angekündigt.

Die Wahlbeteiligung ist in Dänemark traditionell hoch: Bei der vorigen Parlamentswahl im Jahr 2019 lag sie bei 84,6%. Auch diesmal kamen viele dänische Bürger*innen zur Wahlurne: 84,1% der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

Die regierenden Sozialdemokraten haben mit Mette Frederiksen 27,5% der Stimmen erreicht und damit ihr bestes Wahlergebnis seit mehr als 20 Jahren erzielt. Die bisherige Ministerpräsidentin will versuchen, auch die neue Regierung zu bilden. Aber sie sucht nach einer stabilen Parlamentsmehrheit.

Das »Folketing«, das dänische Parlament, besteht aus einer Kammer mit insgesamt 179 Sitzen, von den jeweils 2 Mandate für Abgeordnete von den Färöer-Inseln und aus Grönland reserviert sind. Für die restlichen 175 Mandate gilt eine 2%-Klausel. Seit der Wahl 2019 führte eine rein sozialdemokratische Minderheitenregierung mit wechselnden unterstützenden, in erster Linie von linksgerichteten Parteien, die sich auf 87 Mandate in einen »linken Block« stützte. Der »rechte Block« verfügte über 72 Mandate.

Obwohl das linke Spektrum der bisherigen Ministerpräsidentin in einer dramatischen Wahlnacht am Ende doch noch eine hauchdünne Mehrheit errang, reichte sie den Rücktritt ihrer Minderheitsregierung ein. Damit will sie den Weg freimachen, um Möglichkeiten für eine breiter gezogene Regierung »über die politische Mitte hinweg« mit Parteien aus beiden politischen Blöcken ausloten zu können. Eine solche Regierungsform ist in Dänemark ungewöhnlich – nach Ansicht von Frederiksen sei das angesichts der aktuellen Krisen aber genau das Richtige und würde Dänemark guttun.

Vorherrschende Themen im Wahlkampf waren neben dem Kampf gegen die Inflation vor allem Klimafragen und die Gesundheitspolitik. Die Zuwanderung spielte keine Rolle, in dem EU-Land herrscht seit gut 20 Jahren parteiübergreifende Einigkeit hinsichtlich einer restriktiven Einwanderung. In zentralen Fragen wie der Flüchtlings- und Migrationspolitik oder der weiteren Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaats, aber auch der Kriminalitätsbekämpfung, hatte die Sozialdemokratie sich deutlich den Positionen des rechten Populismus angenähert.

Frederiksen hatte sich durch ihr Festhalten an eines harten Vorgehens gegenüber Migration und einer flexiblen Gestaltung des Arbeitsmarkts während ihrer Regierungszeit politisch den übrigen Formationen des »roten« Lagers teilweise entfremdet. Auch die Tatsache, dass die Sozialdemokraten in die Wahlen gezogen waren, um eine »breite Regierung über die Mitte hinweg« zu zimmern, anstelle gemeinsam mit ihren bisherigen Bündnispartnern eine Mehrheit zu gewinnen, trug nicht zum Zusammenhalt bei.

Ähnlich wie in Schweden sehen wir auch in Dänemark eine Stärkung der Sozialdemokratie und zugleich eine deutliche Tendenz von Verlusten in der Formation der linken Mitte. Zugleich gibt es innerhalb des Lagers der bürgerlich-konservativen Parteien eine deutliche Rechtsverschiebung. Auf dem rechtskonservativen Spektrum schaffte die streitbare ehemalige Venstre-Politikerin Inger Stöjberg, unter Lars Løkke Rasmussen (von 2009-2011 und von 2015-2019 Ministerpräsident) einst Migrationsministerin, mit einer ebenfalls erst kürzlich gegründeten Partei namens Dänemark-Demokraten ein fast so spektakuläres Comeback, wie es ihrem früheren Chef inzwischen mit den Moderaten gelungen ist.

Stöjberg dürfte allerdings einen Teil der Stimmen der rechtsnationalen Dänischen Volkspartei abspenstig gemacht haben. Diese war 2015 noch die zweitgrößte Parlamentspartei, sackte 2019 auf unter 9% ab und hielt sich jetzt nur noch mit Mühe über der 2%-Hürde im Folketing. Die Dänemark-Demokraten sind bislang eine blasse Kopie der rechtspopulistischen schwedischen Schwedendemokraten.

Angesichts der gravierenden gesellschaftlichen Probleme – Migration, Integration und Weiterentwicklung des Sozialstaates – ist auch in Dänemark eine weitere Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach rechts nicht auszuschließen.

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