12. Juli 2019 Joachim Bischoff/Norbert Weber

Das Ende des Traums von einem international aufgestellten Geldinstitut

Foto: Deutsche Bank/flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Vor wenigen Monaten loteten die beiden deutschen Finanzinstitute – Deutsche Bank und Commerzbank – in Sondierungsgesprächen einen Zusammenschluss aus.[1] Der deutsche Staat – selbst Miteigentümer der Commerzbank seit der Finanzkrise – beförderte die Fusionsbestrebungen deutlich.

Denn die Deutsche Bank ist aus der Sicht der Bundesregierung einer der Schlüsselkonzerne der Republik. Die Koalitionsregierung suchte dabei die Unterstützung der Unternehmerverbände, die betonen, wie dringend die großen deutschen Unternehmen eine starke internationale Bank benötigten. Und das Interesse der Regierung am Bankensektor, das nach der Finanzkrise lange Zeit erloschen schien, stieß auch in den europäischen Bankenvierteln durchaus auf Wohlwollen.[2]

Die Fusion wurde verworfen und Ende Juni 2019 verkündete die Führung der Deutschen Bank ein radikales Sanierungskonzept: Im Rahmen des größten Umbaus der Bank in den vergangenen Jahrzehnten plant das Institut eine Neuausrichtung des Vorstandes, die Restrukturierung der Geschäftseinheiten, den Abbau von 18.000 Stellen auf künftig noch rund 74.000 Vollzeitstellen sowie einen Rückzug aus Teilen des Investment Bankings und eine Restrukturierung der anderen Geschäftsbereiche.

Die Fusionsbestrebungen waren u.E. keineswegs ein Beitrag zur Sanierung der bundesdeutschen und europäischen Bankenlandschaft. Im Gegenteil: Wenn schon in früheren Zeiten eine Fusion von zwei angeschlagenen Geldhäusern keine Garantie für ein ertragreiches internationales Institut war, dann gilt dies in Zeiten des massiven Wandels der internationalen Wirtschaft und des Finanzkapitals erst recht. Unser Fazit: Die von Banken getriebenen Finanzmärkte müssen durch eine strenge staatliche Re-Regulierung europaweit eingebunden werden. Bei vielen Instituten ist eine Sanierung mit Blick auf den hohen Anteil von problembehafteten Krediten und Wertpapieren überfällig. Diese Sanierung ist nicht durch Konkurrenz und Konzentrationsbewegungen zu haben.

Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Finanzierung von Investitionen in der Realwirtschaft und spekulativem Finanzkapital, das kurzfristigen Kapitalerträgen aus dem Handel mit bestehenden Vermögenswerten Priorität einräumt. Eine effiziente Kreditversorgung des Unternehmenssektors und des Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur ist auch ohne ein international agierendes Bankinstitut zu haben. In vielen Ländern wird langfristig orientiertes Finanzkapital zunehmend von öffentlichen Investitionsbanken zur Verfügung gestellt. Dabei kann es sich um nationale Einrichtungen wie die KfW in Deutschland oder multilaterale Institutionen wie die Europäische Investitionsbank handeln. Weil diese Banken in der Regel nicht unter dem Druck stehen, kurzfristige Renditen zu erzielen, können sie längerfristige Finanzierungen anbieten, die breiter gesteckte gesellschaftliche und ökologische Ziele priorisieren und einen anderen Ansatz in Bezug auf Risiken und Chancen verfolgen als Institute aus dem privaten Sektor. Statt Bankengiganten durch Fusionierung zu unterstützen, brauchen wir eine härtere Regulierung und Steuerung des Finanzsektors sowie die Förderung von Investitionen.

Jetzt also ist das Projekt eines international agierenden deutschen Bankinstituts geplatzt und stattdessen sehen wir ein radikales Sanierungskonzept für die Deutsche Bank. Der Sektor des Investmentbankings, früher das vermeintliche Kronjuwel des Instituts, war gemessen an den Erträgen und an den Gewinnen zuletzt völlig überdimensioniert, zahlreiche Geschäfte zu kapitalintensiv und zu renditearm, und auch das Management war nicht über jeden Zweifel erhaben, obwohl es in den letzten Jahren bereits nahezu komplett ausgetauscht worden war. Deutschlands größtes Geldhaus zieht sich außerdem aus dem Handelsgeschäft mit Aktien zurück und reduziert auch das Handelsgeschäft mit Zinsprodukten. Dadurch soll der hohe Kapitalbedarf der Bank sinken.

Im Rahmen dieser Neuausrichtung gründet das Institut eine Abbaueinheit namens Capital Release Unit (CRU), in die 288 Mrd. Euro oder 20% der Gesamtverschuldung der Deutschen Bank sowie risikogewichtete Aktiva in Höhe von 74 Mrd. Euro übertragen werden sollen. Hierbei handelt es sich faktisch um eine Art Bad Bank, wie wir sie in den Sanierungsprozessen der Landesbanken auch erlebt haben. Vor allem lang laufende Derivate sollen reduziert werden. Nicht mehr gewünschte Geschäftsaktivitäten werden dabei aus Transparenzgründen vom Kerngeschäft getrennt, bleiben aber in der eigenen Bilanz. Der Abbau der Vermögenswerte erfolgt dann Schritt für Schritt über Verkäufe oder weil die Investitionen auslaufen. Das Ziel ist der Abbau oder der Verkauf dieser Positionen. Die geplante Restrukturierung will die Deutsche Bank aus eigenen Mitteln finanzieren, sie plant also keine Kapitalerhöhung.[3]

Auch andere Institute in Europa haben ihr Geschäftsmodell längst angepasst. Die Deutsche Bank steigt Jahre später in einen Anpassungsprozess ein und steht folglich im Wettbewerb mit effizienteren Banken. Die Schweizer Großbanken UBS und CS haben entsprechende Sanierungsprozesse hinter sich mit harten Einschnitten im Investmentbanking, einer entsprechenden Reduktion der Bilanzvolumina und Konzentration auf das Kerngeschäft der Verwaltung des Vermögens reicher und institutioneller Anleger.

Überhaupt sind die europäischen Banken weit hinter der Entwicklung zurück: Im Verhältnis zu den USA ist in Europa nach der Finanzkrise 2007/08 die Sanierung der Bankenlandschaft höchst unvollkommen. Das sieht man alleine schon an der Anzahl der Banken. Ökonomen werten es negativ, dass nach 2008 nur so wenige Banken verschwunden sind. Die Proportionen sind tatsächlich enorm. In den USA sind seit 2007 fast 40% der Banken verschwunden, vor allem auch kleinere Institute – in der Eurozone hingegen »nur« 13%. Aber relativ zur Größe des Wirtschaftsraumes ist die Europäische Union »overbanked«.

Das europäische Investment Banking schwächelt stark. Mit dem großflächigen Abbau bei der Deutschen Bank verliert Europa seinen größten Mitspieler im globalen Handel mit Wertschriften. Und die Deutsche Bank ist nur das jüngste Beispiel des massiven Aderlasses europäischer Banken, der in den letzten Jahren vonstattengegangen ist.

Es sind zu viele »Zombiebanken« am Leben gelassen worden. Diese untoten Banken sind zwar eigentlich kaputt, aber eben nicht insolvent. Auf der Aktivseite liegen hohe Bestände an faulen Krediten, etwa bei italienischen, spanischen oder eben auch bundesdeutschen Instituten. Weil aber die Regulatoren keinen Druck machen, dass die Verluste realisiert werden, bleiben die Geldinstitute am Leben und vegetieren vor sich hin. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die auch gerne Zentralbank der Zentralbanken genannt wird, warnt, dass schwache Banken die Wirtschaft lähmen.

Mehr noch: Deutschland gilt schon seit Längerem als »overbanked«. Soll heißen: Gemessen an der Zahl der Kund*innen – Unternehmen wie private Vermögensverwaltung – gibt es viel zu viele Banken und Filialen. Entsprechend groß ist der Konkurrenzdruck. Hinzu kommen die Regulierung, die seit der Finanzkrise sehr viel strenger geworden ist, und die niedrigen Zinsen. Vielen Instituten fällt es inzwischen schwer, mit dem Bankgeschäft überhaupt noch Geld zu verdienen. Zudem ist zu befürchten, dass eine sich eintrübende Konjunktur negativ auf die Erfolgsaussichten der Restrukturierung einwirken wird. Und das noch jahrelang andauernde Nullzinsumfeld macht es dem Management auch nicht leichter, seine Ziele zu erreichen.

Das Projekt eines Weltmarktchampions zur Begleitung des exportorientierten Privatkapitals der Bundesrepublik Deutschland ist mithin erledigt. Künftig soll das Geschäftsmodell der Deutschen Bank auf vier Säulen beruhen. Neben der Investmentbank sind dies die Privatkundenbank, die Asset-Management-Sparte DWS sowie neu die Unternehmensbank. Letztgenannte soll die zentrale Einheit für Firmenkunden der Deutschen Bank sowie der Tochtergesellschaft Postbank sein. Dass diese Restrukturierung erfolgreich sein wird, ist keineswegs ausgemacht. Die Ratingagentur Fitch hat die Bonitätsnote der Deutschen Bank auf BBB gesenkt. Das ist nur zwei Stufen über Ramschniveau. Damit steht Deutschlands größte Bank in ihrer Bonitätsnote deutlich schlechter da als die meisten kleinen und mittelständischen Deutschen Kreditinstitute wie Genossenschaftsbanken oder Sparkassen.

Neben einer nachholenden Umstrukturierung muss der langjährige bundesdeutsche Bankchampion auch noch die laufende Modernisierung des gesamten Geschäftsfeldes verarbeiten. Bezeichnend ist, dass bezüglich »Zukunft des Bankenmarktes« nicht mehr von »Bankenmarkt« gesprochen wird, sondern ausschließlich von »Finanzmarkt« oder »finance«. Der Markt und seine Anforderungen verändern sich, Marktteilnehmer von dritter Seite drängen auf den Markt.

Wir sehen auch im Bereich der Geld- und Finanzgeschäfte eine beschleunigte Evolution, Disruption. Die Banken haben lange verschlafen, mit der digitalen Entwicklung der Wirtschaft Schritt zu halten. Diese digitale Entwicklung wird vermutlich das Bargeld in Frage stellen, soziale Netzwerke entwickeln bereits ihre eigenen Kryptowährungen. So hat Facebook z.B. seine Krypowährung namens »Libra« vorgestellt. Nicht herum kommen Banken um das Thema »Klima« bzw. »klimaneutral«. Der Bereich der ethischen und nachhaltigen Geldanlagen boomt geradezu. Irgendeinen Fonds nach diesen Anlagegesichtspunkten hat man bereits im Angebot oder beschäftigt sich zumindest mit einem solchen Angebot.

Das Problem erscheint auch kaum lösbar: Viele Anleger*innen sind mittlerweile gerne bereit, entsprechende Anlagen nach ethischen oder nachhaltigen Gesichtspunkten zu wählen. Das Problem ist nur, dass für die Menge der eingesammelten Gelder (Deckungsstöcke) gar kein entsprechendes Volumen an Investitionsmöglichkeiten in dem Nachhaltigkeitssegment existiert. Der Markt ist viel zu eng. Um Zahlen zu nennen: Das Volumen an den Finanzmärkten betrug bereits vor wenigen Jahren 295 Bio. US-Dollar, davon etwa 149 Bio. US-Dollar auf den Anleihemärkten.

Nicht einfacher wird die weltweite Situation an den Finanzmärkten durch die aktuellen Meldungen, dass US-Unternehmen einen gewaltigen Schuldenberg aufgebaut haben. Dieser soll etwa doppelt so hoch sein wie zur weltweiten Finanzkrise 2007 und kann zu einer überaus ernsten Gefahr für Anleger werden. Allein die Verbindlichkeiten von US-Unternehmen betrugen im Mai laut Fed-Angaben etwa 10 Bio. US-Dollar. Der größte Teil davon liegt in Unternehmensanleihen, etwa sechs Bio. US-Dollar. Davon etwa 1,25 Bio. US-Dollar in »Schrottanleihen« oder »junk bonds«.

Die Stanford-Professorin Anat Admati kritisiert zu Recht die Bankenaufsicht. Auch zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise laufe Vieles im Sektor falsch und funktioniere die Aufsicht nicht. Das sei eine Gefahr für die Realwirtschaft. Es werde im Finanzsektor weitergewurstelt. Solange nichts schiefgehe und keine Bank implodiere, sei die Öffentlichkeit nicht beunruhigt. Es gebe aber viele Institute, die unter normalen Bedingungen nicht existieren würden. Die Maßnahmen, die zu einer Normalisierung führen würden, wären schlecht für die Personen im Umfeld der Bank, aber nicht für die Wirtschaft.

Das Fazit: Die von Banken getriebenen Finanzmärkte müssen durch eine strenge staatliche Re-Regulierung europaweit eingebunden werden. Bei vielen Instituten ist eine Sanierung mit Blick auf den hohen Anteil von problembehafteten Krediten und Wertpapieren überfällig. Die Stoßrichtung der Finanztransaktionssteuer zielt darauf, die Banken der Zukunft auf ihre dienenden Funktionen für die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor zu konzentrieren und Spekulationsgeschäfte dauerhaft auszuschließen.

Gemessen an diesem Leitbild müssen die Banken, die den bisherigen Beinahe-Absturz der Finanzmärkte maßgeblich verursacht haben, zerschlagen werden. Davon betroffen sind vor allem die Banken mit hochriskanten Geschäftsbereichen im Rahmen des Investmentbankings.
Das Projekt eines globalen Bankinstituts wurde in Deutschland begründet mit der Notwendigkeit, die exportorientierten Unternehmen zu begleiten. Mit dem Scheitern wird deutlich, dass diese Gesamtkonzeption keine Zukunft hat.

Oder um es mit Emanuel Macron zu sagen: Die EU müsse ihr Wirtschafts- und Sozialmodell überdenken. Im Mittelpunkt dürfe nicht mehr die Industrie stehen, sondern das Digitale und die Künstliche Intelligenz. Auch die bisherige Ausrichtung auf »Wettbewerbsfähigkeit« sei überholt. Sie stütze sich – so Macron – vor allem auf »Sozialdumping«, insbesondere in Osteuropa. »Das funktioniert nicht mehr«, sagte der Franzose. Vielmehr müsse eine »wahre europäische Sozialpolitik« dafür sorgen, dass auch in Osteuropa die Löhne steigen. »Wir brauchen einen Mindestlohn in allen EU-Ländern.« Auch die Handelspolitik will der Präsident umkrempeln. Es dürfe nicht mehr einfach darum gehen, die Exporte zu maximieren. Künftig müsse die Sozial- und Klimapolitik mitbedacht werden.


[1] Vgl. dazu Joachim Bischoff/Norbert Weber, Ein bundesdeutsche Großbank für das internationale Finanzcasino?, in Sozialismus Heft 5/2019.
[2] Deutschland ist »overbanked«, hat also als Land viel zu viele Banken, weil Fusionen und Übernahmen sowohl bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen als auch bei den privaten Geschäftsbanken als schwierig gelten: Die Zahl der Kreditinstitute ist von rund 3.000 im Jahr 2000 auf rund 2.050 im Jahr 2012 gesunken. Derzeit gibt es laut der Deutschen Bundesbank noch etwa 1.950 Banken zwischen Nordsee und Alpen. Die Konsolidierung des Sektors läuft also, vor allem bei den Genossenschaftsbanken, doch der Rückgang hat sich im Vergleich mit den Jahren 1990 bis 2007 deutlich verlangsamt. Die noch rund 32.000 Filialen teilen sich etwa gleichmäßig auf Sparkassen, Genossenschaften und Kreditbanken auf.
[3] Durch die Transformation der Bank werden bis zum Jahr 2022 voraussichtlich einmalige Belastungen und Kosten aus Wertminderungen, Restrukturierungen und Abfindungen in Höhe von 7,4 Mrd. Euro anfallen. Von diesem Betrag will die Bank etwa 5,1 Mrd. Euro noch in diesem Jahr verbuchen, davon rund drei Mrd. Euro im zweiten Quartal. Für dieses Quartal erwartet die Bank entsprechend einen Verlust von 2,8 Mrd. Euro nach Steuern.

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