20. März 2023 Joachim Bischoff: Vor einem Bank-Run?

Der lange Niedergang der Credit Suisse

Die Credit Suisse (CS) war nach Skandalen und Misswirtschaft schon seit Jahren nicht aus dem Gerede herausgekommen. Jetzt ist sie nach dem Zusammenbruch des US-Geldinstituts Silicon Valley Bank (SVB) in einen weiteren Abwärtsstrudel geraten.

Die Serie von Skandalen und Verlusten hat sie nicht nur viel Kapital, sondern auch viel Reputation gekostet. Unter dem Strich musste die Credit Suisse in den vergangenen zehn Jahren rund 12 Mrd. Franken an Bussen, Vergleichs- oder Schadenersatzzahlungen leisten.

Der Jahresverlust von 7,3 Mrd. Franken in 2022 war der höchste Fehlbetrag seit der Finanzkrise. Über Wochen hatten Spekulanten im Jahr 2022 mit Gerüchten über eine angebliche Pleite die Bank ins Wanken gebracht. Schon im Oktober des letzten Jahres hatte die Credit Suisse mitgeteilt, dass Kund*innen mehr als 80 Mrd. US-Dollar oder 6% der verwalteten Vermögen abgezogen haben.

Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann hat seither betont, dass sich der Vermögensabfluss verlangsamt habe. Bei der Präsentation der Jahresergebnisse im Februar 2023 gab die CS bekannt, dass das Gesamtvolumen der abgezogenen Vermögen im vierten Quartal 110,5 Mrd. Franken betrage – deutlich mehr, als vom Markt erwartet.

Seit Ende Oktober hatte das Bank-Management einen Sanierungsplan verfolgt, mit dem es die Krise überwinden wollte. Dieser Umbauplan hatte drei Elemente:

  • Begrenzung des Investment-Banking. Der Umfang dieser Sparte sollte deutlich verkleinert werden. Die Konzernspitze gab den Anspruch auf, dass die CS eine weltweit führende Rolle im Investment Banking spielen, und zu den großen Playern an der Wall Street gehören solle.
  • Die Kapitalverluste sollten durch eine Erhöhung des Eigenkapitals kompensiert werden. Mit Einschuss von Kapital in Höhe von über vier Mrd. Franken sollte der Umbau abgesichert werden. Der größte Neuaktionär durch diese Operation wurde die Saudi National Bank (SNB), die rund 1,5 Mrd. Franken eingeschossen hat. Sie ist mit einem Anteil von knapp 10% zur Großaktionärin der CS geworden.
  • Die Sparbemühungen und Entlassungen, die im Schlussquartal 2022 eingeleitet wurden, sollten einen Großteil der angestrebten jährlichen Einsparungen von 1,2 Mrd. Franken ausmachen. Rund 2.000 Stellen wurden allein im Schlussquartal abgebaut. Bis 2025 will die CS nur noch 43.000 Vollzeitstellen haben, 9.000 weniger als im Ende September 2022. Mittelfristig will sie die Kostenbasis unter 15,5 Mrd. Franken drücken.

Als systemrelevante Großbank mit einer Bilanzsumme von 531 Mrd. Franken und einer starken Präsenz im Investmentbanking ist die CS geschäftlich mit Finanzhäusern in aller Welt verbunden. Einzelne von ihnen haben am Ende der zurückliegenden Woche offenbar intern schon die Parole ausgegeben, die Geschäfte mit den Schweizern herunterzufahren.

Mitte März 2023 ist die Credit Suisse im Anschluss an den Kollaps der beiden US-Banken Silicon Valley Bank und Signature Bank weiter unter Druck geraten, obwohl die Schweizer Bank keine direkten Auswirkungen zu befürchten hatte. Neben den Vermögensabflüssen erreichten auch die Absicherungskosten für Kreditausfallrisiken der CS neue Rekordwerte. Das Vertrauen der Anleger*innen scheint tief erschüttert. Der Aktienkurs der CS stürzte in den vergangenen Tagen dramatisch ab.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hatten daraufhin angekündigt, dass sie der CS bei Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen. Zudem erklärten sie, die Bank würde die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen in punkto Kapital und Liquidität erfüllen. Die CS teilte im Anschluss mit, sich von der SNB 50 Mrd. Franken leihen zu wollen, um die Liquidität zu stärken. Der Entscheid sorgte nur kurzzeitig für Beruhigung. Am Freitag ist der Aktienkurs erneut unter die 2-Franken-Marke gefallen.

Die Wirkung dieser von der SNB zur Verfügung gestellten Kreditlinie von bis zu 50 Mrd. Franken war nach einer starken, aber kurzen Gegenbewegung der CS-Aktie an der Börse wieder verpufft. Die Aktien der krisengeplagten Großbank erlitten erneut einen großen Kursverlust und verloren 8% ihres Werts. Die SNB-Unterstützung wurde von den Expert*innen nicht als langfristige Lösung gesehen, sondern bloß als Zeitgewinn, damit die Bank eine überzeugende, tragfähige Lösung für ihre Zukunft präsentieren kann.

Das Kernproblem besteht darin, den immensen Vertrauensverlust in die CS-Bank abzustellen. Die Vermögensabflüsse sollen gemäß anonymen Quellen der »Financial Times« (FT) vergangene Woche bis zu 10 Md. US-Dollar täglich betragen haben. Bei einem solchen Volumen von Vermögensabflüsse kann eine Sanierung nicht gelingen.

Die rasche Verflüchtigung der außerordentlichen Kreditlinie der Schweizer Nationalbank für die angeschlagene Credit Suisse alarmierten die Schweizer Politik und die internationalen Finanzbehörden. Die SNB und die Finanzmarktaufsicht dängen auf eine rasche Lösung, um das Vertrauen in den Schweizer Finanzplatz wiederherzustellen. Demnach sahen Regierung, Finma und SNB daher keine andere Möglichkeit als die Fusion des angeschlagenen Bankinstituts mit der zweiten Schweizer Großbank UBS.

Die UBS und die Credit Suisse gehören zu den 30 Banken weltweit, die als »too big to fail« eingestuft werden, da ihre Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Der Druck aus dem Ausland sei zu groß geworden – und die Angst, dass die taumelnde Credit Suisse eine globale Finanzkrise auslösen könnte.

Gemäß einem Bericht der FT ist die UBS bereit, bis zu einer Mrd. US-Dollar für die Übernahme der Credit Suisse zu bezahlen. Der Deal zwischen den beiden Großbanken solle vor Eröffnung der Finanzmärkte am Montag unterzeichnet werden. Die UBS ist demnach bereit, 0,25 Franken pro CS-Aktie zu bezahlen. Der Schlusskurs vom vergangenen Freitag lag bei 1,86 Franken. Die bisherigen CS-Aktionäre werden bei diesem Deal viel Geld verlieren. Die UBS möchte sich laut dem Bericht aber eine Hintertür offenhalten: Sollten nämlich ihre Kreditausfallversicherungen um einen Prozentpunkt oder mehr steigen, könnte der Deal rückgängig gemacht werden.

Denn nebst den operativen Risiken, die Integrationen generell mit sich bringen, müsste eine Käuferin auch die Rechtsrisiken übernehmen, allen voran in den Vereinigten Staaten. Dort haben vergangene Woche amerikanische Aktionäre die Bank verklagt. Die Sammelklage wirft der CS vor, Anleger*innen getäuscht zu haben, indem nicht offengelegt wurde, dass die Bank unter erheblichen Vermögensabflüssen litt und Schwachstellen bei den internen Kontrollen und der Finanzberichterstattung hat.

Um solche Risiken in den Griff zu bekommen, soll die UBS gemäß einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg im Falle einer Übernahme finanzielle Sicherheiten von der Eidgenossenschaft verlangt haben. Diese könnten vorsehen, dass der Staat gewisse Rechtskosten und potenzielle Verluste der Transaktion übernehmen würde. Die Rede ist von Sicherheiten in Höhe von sechs Mrd. Franken. Gemäß den anonymen Quellen würde in einem wahrscheinlichen Szenario die UBS die Bereiche Wealth- und Asset- Management der CS übernehmen und die Investmentbank abspalten. Über die Zukunft der profitablen Schweizer Einheit der CS werde noch verhandelt.

Laut einem Bericht würde der Bund zudem auf Notrecht zurückgreifen, um den Prozess eines Zusammengehens von UBS und CS zu beschleunigen. Damit könnte die Frist von sechs Wochen für die Konsultation des Aktionariats über eine außerordentliche Generalversammlung verkürzt werden. Es wird erwartet, dass der Bund vor Eröffnung der asiatischen Börsen kommunizieren wird.

Die Befürchtungen, dass wir vor einer sich ausbreitenden Bankenkrise stehen könnten, erzeugen den Druck, bei der anvisierten Fusion alle ordnungsrechtliche und Verfahrensvorschriften auszusetzen. Besonders in den Vereinigten Staaten ist die Angst vor einer neuen Finanzkrise allgegenwärtig. Nachdem vergangene Woche die Silicon-Valley-Bank und zwei weitere den Betrieb hatten einstellen mussten, geriet diese Woche die mittelgroße First Republic in Schieflage.

Auch das Rettungspaket über 30 Mr. US-Dollar eines Bankenkonsortiums konnte einen neuerlichen Absturz der Aktien nicht aufhalten. First Republic verloren am Freitag einen Drittel ihres Werts, trotz beschwichtigender Worte von US-Präsident Joe Biden, dass sich die Situation bei den Banken beruhigt habe.

Noch ist keine Beruhigung der Finanzmärkte und der internationalen Aufsichtsbehörden zu erkennen. Ist das das Gröbste überstanden, oder kommt es im Nachgang zum Konkurs der Silicon Valley Bank (SVB) und der Schließung der Signature Bank doch noch zu einer sich verstärkenden internationalen Finanzkrise?

Jedenfalls hat die Credit Suisse das Potenzial zu einer Verschärfung der Gesamtkonstellation. Die Aufsichtsbehörden befürchten zu Recht, dass ein »Bank-Run« und ein daraus möglicherweise über kurz oder lang folgender Zusammenbruch der Credit Suisse nicht nur den Finanzplatz Schweiz stark beschädigen würde, sondern die wegen des Kollapses der Silicon Valley Bank ohnehin angespannte Lage in der Bankenbranche zusätzlich befeuern und so das internationale Finanzsystem erschüttern könnte.

Zurück