4. April 2020 Redaktion Sozialismus: Massive Hilfsprogramme sollen Schlimmeres verhindern

Der US-Arbeitsmarkt kollabiert

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Im März verringerte sich die Stellenzahl in den USA massiv, Amerikas Arbeitsmarkt bricht förmlich zusammen. Die US-Industrie verzeichnet einen massen Rückgang der Auftragseingänge und der Arbeitsmarkt steht bereits im März unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und dem Lockdown der Volkswirtschaft.

Die Pandemie bringt also nicht nur das Gesundheitswesen in den USA an seine Grenzen. Die Corona-Virus-Koordinatorin des Weißen Hauses, Deborah Birx, befürchtet in den kommenden Monaten 100.000 bis 240.000 Tote. Angesichts der bereits rapide ansteigenden Totenzahlen stimmte Präsident Donald Trump die mit Ausgangsbeschränkungen konfrontierte Bevölkerung auf harte Zeiten ein: Die nächsten beiden Wochen würden »sehr, sehr schmerzvoll«.

Nach dem Übergang zu einer offensiven Bekämpfung der Corona-Pandemie sind rund 90% der amerikanischen Bevölkerung aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Vor diesem Hintergrund breitet sich eine Schockstarre der US-Wirtschaft aus. Das Arbeitsministerium hat die zweite Woche in Folge einen Riesenansturm auf Arbeitslosenhilfe vermeldet. Für die am 28. März zu Ende gegangene Woche wurden 6.648.000 Erstanträge auf Hilfeleistungen registriert. »Es ist der erste und sehr deutliche monatliche Stellenverlust seit 2010.« Und die Lage wird sich weiter verschärfen, da der Stichtag für den aktuellen Bericht erst der 12. März ist.

Laut Zahlen des US-Arbeitsministeriums verloren im März landesweit mehr als zehn Mio. Menschen ihre Jobs. Diese Entwicklung ist ein Schock. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gelten als Indikator für die kurzfristige Entwicklung des Arbeitsmarkts in der größten Volkswirtschaft der Welt. Sie deuten inzwischen auf einen dramatischen Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise hin.

Larry Kudlow, Wirtschaftsberater von Präsident Trump, sieht die US-Wirtschaft in einer »sehr schmerzvollen« Schrumpfkur. Es sei auch in den nächsten Wochen keine Besserung in Sicht, äußerte er im Fernsehen, auch wenn es letztlich eine wirtschaftliche Erholung geben werde, sobald die Krise ausgelaufen sei.

Einen schnellen, einfachen Weg aus der aktuellen Wirtschaftskrise gibt es nicht. Eine verfrühte Rückkehr zum »normalen Leben«, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, würde das Leben von Mio. Menschen gefährden – und so auch die Wirtschaft in eine Rezession zwingen. »Für uns ist es wichtig, dass die Menschen zuhause bleiben und dabei nicht pleitegehen«, sagte Cecilia Rouse, Wirtschaftswissenschaftlerin an der renommierten Universität Princeton und ehemalige Wirtschaftsberaterin von Barack Obama, dem Nachrichtenportal Vox. »Je schneller wir diese Pandemie unter Kontrolle bekommen, desto schneller erholt sich auch die Wirtschaft wieder.« Und desto schneller haben die vielen Millionen Arbeitslosen die Chance, in den Beruf zurückzukehren.

Die Trump-Administration hat die Corona-Krise und auch deren wirtschaftliche Folgen lange verharmlost und setzt jetzt auf ein umfangreiches Stützungsprogramm für Unternehmen und private Haushalte. Das erste Programm umfasst 8,3 Mrd. US-Dollar an Sofortmaßnahmen zugunsten der Gesundheitsbehörden. Ein zweites Paket, das einen Umfang von 100 Mrd. US-Dollar erreichen könnte, zielt auf die Gewährung und Finanzierung von bezahlten Kranken- und Familientagen sowie den Ausbau der Arbeitslosenversicherung und auf Lebensmittelhilfen. Schließlich haben sich Republikaner und Demokraten im Kongress auf Vorschlag der Regierung auf ein drittes Hilfspaket im Umfang von 2 Bio. US-Dollar verständigt.

Davon sind 300 Mrd. US-Dollar für Direktzahlungen vorgesehen, die via Internal Revenue Service (IRS – Bundessteuerbehörde der USA) rasch der Bevölkerung gutgeschrieben werden. Laut Finanzminister Steve Mnuchin habe eine vierköpfige Familie der Mittelklasse Anspruch auf insgesamt etwa 3.000 US-Dollar. In der Tat seien es sogar noch etwas mehr, nämlich 3.400 US-Dollar: Die meisten Amerikaner können auf einen 1.200-US-Dollar-Check hoffen, pro Kind soll die Unterstützung 500 US-Dollar betragen.

367 Mrd. US-Dollar gibt es an Überbrückungskrediten für kleine und mittlere Unternehmen, deren Rückzahlung erlassen werden kann, wenn Angestellte auf der Gehaltsliste bleiben. Es handelt sich um Kredite der Small Business Administration (SBA), die über das Bankensystem abgewickelt werden. Firmen mit bis zu 500 Angestellten sollen ausreichend Gelder in Anspruch nehmen können, um während etwa zweier Monate die Löhne und gewisse Unkosten zu decken. Mnuchin verspricht ein unbürokratisches Programm: Jedes Unternehmen könne in der Regel den SBA-Kredit bei seiner Hausbank beantragen und rasch abrufen.

500 Mrd. US-Dollar sollen der Unterstützung von großen Firmen bzw. Arbeitgebern dienen. 75 Mrd. US-Dollar davon sind für direkt vom Finanzministerium vergebene Kredite und Garantien bestimmt, 425 Mrd. US-Dollar als Sicherheit für den Ausbau der Sonder-Kreditfazilitäten der Zentralbank. Damit soll – so Larry Kudlow – die Wirkung des Zwei-Bio.-US-Dollar-Hilfspakets auf insgesamt sechs Bio. US-Dollar »hochgehebelt« werden. Ursprünglich waren kaum Kontrollen vorgesehen, jetzt soll ein Inspektor und ein parlamentarisches Aufsichtsgremium die Kreditvergabe überwachen.

Neben diesen drei Kernelementen sind auch über 200 Mrd. US-Dollar für den Ausbau der Arbeitslosenhilfe und 150 Mrd. US-Dollar an Direkthilfe für Krankenhäuser und das Gesundheitswesen vorgesehen. Verhandelt wurde im Kongress auch noch über eine Aufstockung der Leistungen des Ernährungssicherheitsprogramms Snap sowie über Budgethilfen an Gliedstaaten und lokale Behörden.

Mit diesen Hilfsprogrammen soll der Absturz der US-Ökonomie abgeschwächt und die unzureichenden sozialen Stabilisatoren gestärkt werden. Aber kurzfristig profitieren viele Bürger*innen noch nicht davon. Denn die amerikanischen Behörden sind vollkommen überfordert. Es dauert oft Tage, bis Formulare überhaupt entgegengenommen werden können. In New York zum Beispiel beantragen gerade so viele Menschen Arbeitslosengeld, dass die Websites der Behörden immer wieder über Stunden abstürzen.

Die Stützungspakete sind wichtig, aber der Absturz der gesellschaftlichen Wertschöpfung wird dadurch bestenfalls abgeschwächt. Das »Stimulus Package«, wie der Kongress das Hilfspaket getauft hat, soll nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch Zuversicht an der Wall Street verbreiten und dafür sorgen, dass der private Konsum nicht völlig wegbricht. Deshalb sollen Menschen ihre Jobs behalten können, ohne zu arbeiten oder auch ohne Job noch ein paar US-Dollar in der Tasche haben.

William Rodgers, der ehemalige Chef-Ökonom des US-Arbeitsministeriums, schätzt, dass die Arbeitslosenrate, die im Februar bei 3,5% lag, heute vermutlich bereits bei rund 17% liegt. Die US-Investmentbank J. P. Morgan revidiert wegen der rasanten Ausbreitung des Corona-Virus ihre Wirtschaftsprognosen deutlich nach unten. Für das erste Quartal erwartet das Geldhaus, dass das amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 10% schrumpfen wird. Für das zweite Quartal rechnet das Finanzinstitut sogar mit einem BIP-Einbruch um 25%. Zuvor war die Bank von einem Rückgang um 4% im ersten Quartal und einem Rückgang um 14% im zweiten Quartal ausgegangen.

Die US-Firmen haben wegen der Viruskrise im März erstmals seit Jahren Jobs abgebaut und damit die Entlassungswelle ins Rollen gebracht. Die Stellenzahl verringerte sich um 27.000, wie der Personaldienstleister ADP zu seiner monatlichen Unternehmensbefragung mitteilte. Damit fielen laut ADP erstmals seit September 2017 im Privatsektor unter dem Strich Arbeitsplätze weg. Allerdings spiegeln auch die ADP-Zahlen nicht das gesamte Bild wider, da die Umfragedaten nur bis zum 12. März reichten.

Ausdruck der Entlassungswelle sind die bereits erwähnten Rekordzahlen der Anträge auf Arbeitslosenhilfe: Sie stiegen bereits in der Woche zum 21. März auf knapp 3,3 Mio. und wurden in der Woche zum 28. März mit 6,65 Mio. noch deutlich übertroffen. Die Arbeitslosenquote dürfte bis Mitte des Jahres auf einen Wert steigen, wie er das letzte Mal in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre gesehen wurde. Prognosen von 15% bis 20% sind keine Seltenheit mehr.

Mit dieser Entwicklung ist der jahrelange Boom am US-Jobmarkt jäh in Massenarbeitslosigkeit umschlagen. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote bei 3,5%, was praktisch Vollbeschäftigung entspricht. Der Boom seit Beginn der Amtsübernahme von Trump, der allerdings nicht auf einer Prosperität der US-amerikanischen Industrie gründete, sondern zu einem großen Teil auf höhere Staatsausgaben und schuldenfinanzierte Steuersenkungen, hat sich blitzartig verflüchtigt. In den zurückliegenden drei Jahren wurden per Februar 2020 netto sieben Mio. Stellen geschaffen. Nun haben innerhalb von nur zwei Wochen 10 Mio. Amerikaner*innen Arbeitslosenhilfe beantragt, die Arbeitslosenquote ist auf 10% hochgeschnellt. Die US-Wirtschaft hat schlagartig den Schein einer tief verankerten Prosperität verloren.

Wegen der anhaltenden Corona-Krise rechnen Wirtschaftsexperten sogar damit, dass bis Ende April 20 Mio. Menschen in den USA ihren Job verloren haben könnten – das wären mehr als doppelt so viele wie während der »Great Depression« in den 1930er Jahren. Die Arbeitslosenquote könnte auf 15% steigen – und damit über das Rekordhoch von 10,8% aus dem Jahr 1982.

Führende Währungshüter der US-Notenbank Federal Reserve schließen auch einen noch höheren Anstieg der Arbeitslosenquote nicht aus. Das hohe Tempo der Entlassungen ist frappierend und stellt alles in den Schatten, was die USA am Arbeitsmarkt jemals erlebt hatten. Die US-Wirtschaft habe in der zweiten Märzhälfte »eine Vollbremsung« vorgenommen. Selbst wenn jetzt die Stützungspakete rasch umgesetzt werden, ist nicht sicher, dass dieser Kollaps des Arbeitsmarktes gestoppt werden kann.

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