6. Februar 2025 Klaus Bullan: Befunde einer aktuellen Jugendstudie
Die junge Generation vor den Bundestagswahlen 2025
Wenige Wochen vor den Bundestagswahlen wirft eine Jugendstudie[1] einen aktuellen Blick auf die Befindlichkeiten und Orientierungen der jungen Generation der 16- bis 35-Jährigen in der Bundesrepublik Deutschland.
Angesichts der Wahl von Donald Trump in den USA, dem Scheitern der Ampelkoalition in Deutschland und den bevorstehenden Bundestagswahlen am 23. Februar wird mit Spannung erwartet, ob der Siegeszug der AfD sich in der jungen Generation so fortsetzt, wie er bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr begonnen hat.
Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik weiter verschlechtert, 2024 zu einem weiteren Jahr der Rezession geführt und die Aussichten auf 2025 sind kaum besser. Der Industriestandort Deutschland ist gefährdet, Großunternehmen kündigen im Wochenrhythmus massiven Personalabbau an.
Die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes bzw. um die Chancen, überhaupt einen zu finden, hat in der jungen Generation deutlich zugenommen. Obwohl vor allem wegen des demografischen Faktors die Gefahr des Arbeitskräftemangels beschworen wird, ist die Arbeitslosigkeit zur Jahreswende auf drei Millionen gestiegen. Die Mehrheit der jungen Menschen schätzt es so ein, dass »es sicher nicht leichter wird, einen Job zu bekommen« bei der sog. Generation Y, den 26- bis 35-Jährigen sind das noch deutlich mehr.
»Die derzeitige Krisensituation belastet viele junge Menschen: Sie sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft, die Arbeitsmarktchancen und die Möglichkeit, in einer stabilen Welt zu leben. Diese Ängste sind real«, so Klaus Hurrelmann, wissenschaftlicher Begleiter der Studie.
An erster Stelle der Zukunftserwartungen steht die Sorge über die wirtschaftliche Lage in Deutschland, sie wird von 60% dieser Generation geteilt. Es folgen »die Wahlerfolge von BSW und AfD, die US-Wahl, das Scheitern der Ampel, der Krieg in der Ukraine, in Nahost und die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich, Italien oder im europäischen Parlament« mit jeweils um die 50% der Antwortenden.[2] Junge Frauen und die 26- bis 35-Jährigen sorgen sich häufiger als Männer und die 16- bis 24-Jährigen.
Auch wenn die generellen Zukunftserwartungen in der jungen Generation überwiegend positiv sind, gehen diese Zahlen gegenüber dem Vorjahr zurück und die Sorgen verstärken sich.
Das Scheitern der Ampelkoalition wird von vielen jungen Leuten als Versagen »der Politik« wahrgenommen. Fast zwei Drittel zeigen sich enttäuscht von den Akteuren, die nicht in der Lage sind, »zum Wohle des Volkes zusammenzuarbeiten« und parteipolitische Interessen über das »Wohl des Volkes« stellen. Dennoch hält die Hälfte der Befragten es für richtig, die Koalition zu beenden.
»Diese Enttäuschung ist bei den jungen Leuten deshalb sehr groß, weil die drei Parteien der Ampel-Regierung bei der letzten Wahl von ihnen jeweils besonders stark gewählt wurden. Die Themen, wegen der sie diese drei Parteien gewählt haben, sind nach Einschätzung der jungen Leute aber nicht effektiv bearbeitet worden. So kommt dieses negative Votum zu Stande. Das kann mittelfristig zu einem tiefen Vertrauensverlust auch gegenüber künftigen Regierungen führen. Die starke Resonanz für die Parteien AfD und BSW deutet schon darauf hin.« (Hurrelmann)
Stabilität ist für die junge Generation nicht nur durch die rezessive wirtschaftliche Entwicklung, das Scheitern der Ampel und die Wahl Trumps in den USA gefährdet, sondern auch durch die Kriege in Nahost und der Ukraine, in die auch Deutschland involviert ist. Klare Mehrheiten unter den jungen Leuten sind der Meinung, dass zu wenig an einer diplomatischen Lösung gearbeitet wird (56% gegenüber 12%, die das nicht finden).
54% finden, auch das Vorgehen Israels im Nahostkrieg müsse hinterfragt werden (13% dagegen) und 39% lehnen Waffenlieferungen an Israel ab (27% sind dafür). Gleichzeitig will eine Mehrheit, dass in Deutschland strenger gegen antisemitische Demonstrationen vorgegangen werden sollte. Waffenlieferungen an die Ukraine sind in der Jugend umstritten. Auffällig ist, dass jeweils ein Drittel der Jugendlichen sich nicht zu all diesen Fragen positionieren kann oder will.
Klimawandel und Umweltschutz sind offenbar so stark von anderen Problemen überlagert worden, dass in der Studie dieses Thema bei den Problemen nicht auftaucht. Die Befragung nach dem eigenen Konsumverhalten hinsichtlich der Umwelt zeigt ein nach wie vor hohes Problembewusstsein bei der jungen Generation, was den sparsamen Verbrauch von Energie und Wasser sowie die Vermeidung von Müll und Plastik betrifft. Gleichzeitig ist jeweils nur die Hälfte der befragten Jugendlichen zum Wechsel zu Ökostrom, Reduzierung des online-shoppings oder den Verzicht auf das Auto bereit.
Wie schon in den zurückliegenden Jugendstudien ist festzustellen, dass sowohl die Generation Y (die 26- bis 35-Jährigen) als auch die Generation Z (die 16- bis 25-Jährigen) politisch wach, interessiert und aufmerksam sind. Auch diese Untersuchung zeigt, dass junge Frauen ein höheres Problembewusstsein haben und weniger anfällig für rechtspopulistische Angebote sind.
Insgesamt führt die höhere Politisierung auch zu einer größeren Polarisierung unter den jungen Leuten. Während die Hälfte der Befragten die Erfolge der AfD (und des BSW) mit Sorge betrachtet, finden immerhin 36% insgesamt (mehr als 40% bei den Männern und der Generation Y), dass »Parteien wie AfD und BSW die Probleme in Deutschland am besten lösen können«. Ein Drittel stimmt der Aussage zu: »Mir ist egal, wer regiert. Die Unterschiede sind ohnehin gering.«
Gerade wenn man die politisierte Polarisierung so kurz vor der Bundestagswahl betrachtet, sind die Beteiligung bei Veranstaltungen der Linkspartei durch viele junge Leute und die zahlreichern Neueintritte aus den Generationen Y und Z sowie die massenhaften Proteste gegen die Zusammenarbeit von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit der AfD im Bundestag, die wir in den letzten Tagen gesehen haben und an denen sehr viele junge Menschen beteiligt waren, ein nicht zu unterschätzendes Zeichen dafür, dass eine weitere Mobilisierung gegen Rechts die Haltung vieler junger Wähler*innen beeinflussen könnte.
Anmerkungen
[1] Generation Future 2025, Schörghuber-Studie, 2025.
[2] Gefragt wurde hier erstaunlicherweise nach den Wahlerfolgen links- und rechtsextremer Parteien.