25. Mai 2025 Joachim Bischoff: Deutsche Militärausgaben steigen

Die Rolle der EU im Zollkrieg mit den USA

Zu Jahresbeginn hatten viele Ökonom*innen eine leichte Belebung der Konjunktur erwartet. Mit der sprunghaften Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump haben sich die Aussichten für die exportstarke deutsche Industrie jedoch deutlich verschlechtert. Trotz des Hoffnungsschimmers zum Jahresbeginn droht der deutschen Wirtschaft 2025 somit das dritte Jahr ohne Wachstum in Folge – das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Das Statistische Bundesamt lieferte jetzt unerwartet einen Lichtblick. Die chronisch stagnierende deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal mit 0,4% doppelt so stark gewachsen wie zunächst geschätzt. Steigende Exporte und höhere Konsumausgaben der Verbraucher*innen sorgten für Auftrieb beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal. Grund für das höhere Wachstum sei die »überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März«, erläuterte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand.

Besonders die Exporte, etwa von Autos und Arzneien, stützten im ersten Quartal die Wirtschaft. »Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben.« Die privaten Konsumausgaben stiegen zudem um 0,5% zum Vorquartal. Mit der abflauenden Inflation und deutlich gestiegenen Löhnen in einigen Branchen haben viele Menschen mehr Geld in der Tasche. Auch wuchsen die Investitionen sowohl in Bauten (plus 0,5%) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7%).

In diese positive Stimmung platzte die Meldung aus Washington: Der US-Präsident verkündete Zölle in Höhe von 50% auf alle EU-Einfuhren ab dem 1. Juni. Allerdings deutete US-Finanzminister Scott Bessent an, dass sein Chef mit dem Zoll-Knaller vor allem die lahmen Verhandlungen mit der EU-Kommission im Visier hatte. In Brüssel und anderen Hauptstädten Europas wird weiterhin gehofft, dass mit einer kraftvollen »Krisendiplomatie« das Steuer noch herumgerissen werden könnte.

Amerika ist wichtig, dass unfaire Handelspraktiken wie hohe Zölle, regulatorische Barrieren, versteckte Steuern und politische Einflussnahmen eliminiert werden, kommentierten US-Beobachter*innen. »Trumps Drohung ist Teil einer umfassenderen Strategie, den Einfluss der USA im Welthandel auszuweiten – und er will anhaltend hohe Handelsdefizite, besonders mit der EU, ausgleichen!« Zwar hat Trump manche Aufschläge auf Importe in die USA vorerst ausgesetzt. Doch mit dem allgemeinen Basiszoll von 10% bleibt das Niveau hoch, zudem haben die USA Einfuhren etwa von Autos und Stahl verteuert.

Auf seiner Plattform Truth Social dekretiert Trump: »Es gibt keine Zölle, wenn das Produkt in den Vereinigten Staaten gebaut oder hergestellt wird.« Er zeigte sich in der Vergangenheit eigentlich optimistisch, mit den Europäern eine Lösung im Zollstreit zu finden. Als Frist galt bisher der Monat Juli. Zu den laufenden Verhandlungen schrieb er nun aber, dass diese zu nichts führten. Es ist indes unklar, ob die Strafzölle in Höhe von 50 Prozent ab Juni wirklich in Kraft treten.

Trump hat in der Vergangenheit regelmäßig mit hohen Zöllen gedroht – und im Anschluss eine Kehrtwende vollzogen. Die EU hat auf Trumps Ankündigung vorerst keine offizielle Antwort gegeben. Die Kommission plant allerdings zwei Zollpakete, mit denen amerikanische Waren im Umfang von 22 Mrd. US-Dollar und 95 Mrd. US-Dollar mit Einfuhrabgaben belegt werden sollen. Die Zölle sollen in Kraft treten, falls die EU mit den USA in den kommenden Wochen keine Einigung erzielt. Betroffen wären Industrie- und Agrargüter.

Keine Frage: Eine Unterwerfung unter das Diktat des US-Oligarchen Trump wäre keine Lösung, sondern eröffnete weitere Runden der Erpressung. Europa, einer der größten Profiteure der Globalisierung, steht vor Herausforderungen. Seit den späten 1970er-Jahren beruhte das globale Handelssystem auf einer bestimmten Architektur: Eine kleine Gruppe von Ländern – primär die USA und Großbritannien – nahm anhaltende Handelsbilanzdefizite in Kauf, damit andere Länder – China, Deutschland, Japan oder Südkorea – große, strukturelle Überschüsse erzielen konnten.

Diese Überschuss-Volkswirtschaften unterdrückten systematisch ihren Binnenkonsum zugunsten eines exportgetriebenen Wachstums, indem sie niedrige Löhne, unterbewertete Währungen und Industriepolitik einsetzten, um ihre Produktion zu stärken. Da diese Instrumente die Inlandsnachfrage dämpfen, müssen die Überschüsse ins Ausland abgeführt werden: Wenn einige Länder mehr produzieren, als sie konsumieren, müssen andere mehr konsumieren, als sie produzieren.

Letztere Länder waren vor allem die USA und ihre angelsächsischen Partner. Mit liquiden, flexiblen Finanzmärkten und offenen Grenzen für Kapital wurden sie zu den Zielorten für die Ersparnisse der Überschussländer. Hunderte Milliarden US-Dollar an ausländischem Kapital flossen in ihre Volkswirtschaften, ihre Währungen wurden aufgewertet, und ihre Handelsbilanzdefizite wuchsen. Die Vorteile dieses Systems – billige Importe, reichlich Kapital – waren real, aber ebenso die Kosten: Deindustrialisierung, Ungleichheit, steigende Haushalts- und Staatsverschuldung. Diese Ära geht nun zu Ende.

Unter der Trump haben die USA deutlich gemacht, dass sie ihr Handelsbilanzdefizit verringern und ihre Industrie wiederbeleben wollen. Dieser Wandel stellt eine Abkehr von der traditionellen Rolle Amerikas als »Konsument letzter Instanz« der Welt dar. Wenn Washington beginnt, sich gegen das Aufnehmen fremder Überschüsse zu wehren, hat das Folgen – besonders für Europa und Deutschland.

Handel muss auf globaler Ebene ausgeglichen sein. Wenn die USA ihr Defizit verringern, müssen Überschussländer ihre Überschüsse abbauen oder neue Defizitländer finden. Beides ist nicht einfach. In den europäischen und ostasiatischen Volkswirtschaften sind die Überschüsse struktureller Natur. Sie beruhen auf gedrückten Löhnen, Exportförderung und schwachem Binnenkonsum. Ein Ausgleich erfordert schmerzhafte Veränderungen: Reformen der Arbeitsmärkte, eine Neuausrichtung der Finanzpolitik und vor allem eine Umverteilung der Einkommen vom Unternehmenssektor hin zu den Haushalten.

Europa gerät zwischen die Fronten: einerseits ein Amerika, das die heimische Produktion wiederbeleben will, und andererseits ein China, das zur Wahrung innenpolitischer Stabilität seinen Exportüberschuss aufrechterhalten muss. Ohne eine koordinierte und strategische Antwort droht Europa zur Knautschzone für die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte zu werden.

Bisher fiel Europas Reaktion unzureichend aus. Das Gerede von »strategischer Autonomie« mag den innenpolitischen Druck mindern, ersetzt aber keine Neuausrichtung der wirtschaftlichen Strategie. Auch die verstärkte Militarisierung ist nur eine illusionäre Flucht in eine gesellschaftliche Sackgasse.


Neue Rüstungsspirale: Deutschlands Militärausgaben 28% höher als im Vorjahr

Deutschland verbrauchte laut dem Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) 88,5 Mrd. US-Dollar (rund 77,6 Mrd. Euro) für das Militär und lag somit zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung vor allen anderen Ländern Zentral- und Westeuropas. Laut Bericht gab die Bundesrepublik 2024 insgesamt 28% mehr für das Militär aus als im Vorjahr.

Mit einem Anstieg zeigte das 2022 beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr seine Wirkung. Trotzdem blieb die Bundesrepublik mit 1,9% knapp hinter dem NATO-Ziel, 2% des BIP in die Verteidigung zu stecken. Deutschland rückte damit in der weltweiten Rangliste der Staaten mit den höchsten Verteidigungsausgaben vom siebten Rang im Vorjahr auf den vierten vor – hinter dem Spitzenreiter USA sowie China und Russland auf den Plätzen zwei und drei. Die Bundesrepublik überholte den SIPRI-Zahlen zufolge damit Großbritannien, Saudi-Arabien und Indien.

Greenpeace kritisierte die steigenden Militärausgaben Deutschlands. Friedensexperte Thomas Breuer sagte: »Statt dringend in Bildung, Klimaschutz oder soziale Sicherheit zu investieren, verschulden sich Länder wie Deutschland weiter, um ihre Rüstungshaushalte mit enormen Summen auszubauen.« Dies führe zu »einer neuen Rüstungsspirale, die Misstrauen zwischen Staaten schafft und damit zu wachsender Unsicherheit führt«.

Was Europa braucht, ist eine bewusste Stärkung der Binnennachfrage. Für Deutschland würde eine stärkere Ausrichtung auf Konsum höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen bedeuten – was kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie schwächen könnte. Gerade diese politische Ökonomie des exportgetriebenen Wachstums macht die Neuausrichtung so schwierig.

Dennoch hat Europa mehr Handlungsspielraum, als es denkt. Ein gut konzipiertes öffentliches Investitionsprogramm in den Bereichen Infrastruktur, Energie und digitale Modernisierung könnte die Inlandsnachfrage steigern, ohne den Außenhandel zu gefährden. Grundsätzlicher aber muss Europa entscheiden, welche Rolle es in der neuen Weltordnung einnehmen will. In Brüssel spricht man davon, Europa zu einem »dritten Pol« neben den USA und China zu machen. Doch ohne tiefere politische Integration und bessere Koordination der finanz- und industriepolitischen Maßnahmen bleibt dieses Ziel leer.

Die EU-Politik läuft seit Monaten darauf hinaus, eine Eskalation zu verhindern. Immer wieder hat die Kommission betont, dass man auf Verhandlungen setze. Deshalb hat sie amerikanische Güter bisher auch nicht mit Abgaben belegt, obwohl die USA bereits auf Waren aus der EU im Umfang von 380 Mrd. US-Dollar einen Zoll verlangen.

Vor einer Eskalation schreckt die EU zurück. Dass man mit dem alten Verbündeten USA im Streit liegt, ist für die europäischen Regierungen und die EU ein riesiger Schock. Sie wünschen sich daher kaum etwas sehnlicher, als zu den alten harmonischen Zeiten zurückzukehren. Entsprechend vorsichtig agieren sie.

Der europäische Staatenbund ist schwach und verletzlich. Die Kommission kommt mit der Stärkung des Binnenmarktes kaum voran und ist daher letztlich nicht so stark, wie sie immer wieder behauptet. Diese tut zwar so, als wäre die EU ein Bollwerk, und verweist dabei auf den Umfang des Binnenmarkts. Dieser besteht aus 450 Mio. Konsument*innen und ist damit grösser als der amerikanische Markt.

Aber die Einheit der EU-Staaten gegenüber den USA ist ständig gefährdet. Jedes Mitgliedsland wacht eifersüchtig darüber, dass es von Gegenmaßnahmen des alten Verbündeten nicht stark überproportional getroffen wird. Zugleich wird in Europa die Stimmung gegenüber den USA feindseliger. Möglicherweise kittet das die EU-Mitgliedsländer zusammen. Es kann aber auch sein, dass der innenpolitische Druck in gewissen Staaten groß wird und die Regierungen in Brüssel darauf drängen, gewisse amerikanische Produkte zu verschonen.

Der Staatenbund gibt sich also weiterhin kompromisswillig. Obwohl die USA bereits europäische Exportgüter im Umfang von 379 Mrd. Euro mit Strafzöllen belegt haben, verzichtet die EU nach wie vor darauf, es dem alten Verbündeten mit gleicher Münze heimzuzahlen. Diese Zögerlichkeit nach Innen beim Ausbau des Binnenmarktes sowie nach Außen im Zoll- und Wirtschaftskrieg gegen die USA kann nicht lange durchgehalten werden. Europa droht auf die Verliererstraße abgedrängt zu werden.

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