26. Juli 2023 Friedrich Steinfeld: Rechtregierung bleibt bei ihrer »Justizreform«

Die Zerstörung der israelischen Demokratie

Das israelische Parlament hat den ersten Teil der »Justizreform« der rechtsreligiösen Regierung unter Benjamin Netanjahu in der abschließenden dritten Lesung mit der Regierungsmehrheit von 64 Stimmen (bei insgesamt 120 Sitzen in der Knesset) verabschiedet.

Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Dieses Gesetz blockiert die Möglichkeit des Obersten Gerichtes, Regierungsentscheidungen als »unangemessen« zurückzuweisen. Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem »nationalen Notstand«. Die sogenannte Justizreform ist nur die Spitze des Eisberges.


Massenproteste der israelischen Gesellschaft

In einem ersten Anlauf im Frühjahr hatten mehrere Gesetze der »Justizreform« der neu gewählten rechtextremen Regierung bereits die erste Hürde genommen, woraufhin Israel die größten Proteste seiner Geschichte erlebte. Pilot*innen der Luftwaffe und Reservist*innen der Streitkräfte verweigerten ihren Dienst, der Dachverband der Gewerkschaften rief den Generalstreik aus. Netanjahu sah sich gezwungen, eine »Reformpause« einzulegen und mit der Opposition über einen »Kompromiss« zu verhandeln.

Mitte Juni ließ dann die Opposition die Verhandlungen scheitern. Staatspräsident Herzog, in dessen Residenz diese stattgefunden haben, rief beide Seiten dazu auf, inmitten dieser »tiefen und besorgniserregenden Krise« an den Verhandlungstisch zurückzukehren, dort sei eine Einigung »in Reichweite« gewesen.

Obwohl der »breite Konsens« nicht zustande kam, den Netanjahu als Ziel ausgerufen hatte, und trotz anhaltender und immer breitere Teile der israelischen Gesellschaft erfassender Proteste hat die rechtsextreme Regierung in einem zweiten Versuch das Gesetzesvorhaben kurz vor der Sommerpause in die Knesset eingebracht. Aus taktischen Gründen wurde das Gesetzesvorhaben dieses Mal in verschiedene Teile zerlegt.

Einen Tag nach ersten Lesung hatte die Protestbewegung »einen Tag der Störung« ausgerufen: Neben Straßenblockaden gab es weitere Protestformen: Berufsgruppen und zivilgesellschaftliche Initiativen bildeten Menschenketten, hingen riesige Poster auf und organisierten Aufmärsche vor Polizeistationen, in denen Demonstrant*innen festgehalten wurden, sowie vor der Knesset und dem Obersten Gericht.

Am vergangenen Wochenende, dem letzten vor der zweiten und dritten Lesung des Gesetzesvorhaben, gingen nochmal über 500.000 Israelis auf die Straße und beteiligten sich an Kundgebungen und Märschen. Die politische Spaltung des Landes hat auch die israelische Armee erreicht. Mehr als 11.000 Armeereservist*innen kündigten über das Wochenende an, den Dienst zu verweigern, sollte das Gesetz endgültig verabschiedet werden.

Eine Reihe ehemaliger Chefs von Armee und Geheimdienst unterstützten die Reservist*innen. Die massenhaft angekündigten Dienstverweigerungen beeinträchtigen die Einsatzfähigkeit der israelischen Armee massiv, und damit die innere und äußere Sicherheit. Die schon lange sozial, religiös und ethnisch tief gespaltene Gesellschaft ist mittlerweile auch politisch so stark polarisiert wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte.[1]

Netanjahu steht unter massivem innenpolitischem Druck: Einerseits drängen seine ultra-orthodoxen und religiös-nationalistischen Koalitionspartner auf sichtbare Erfolge. Bei einem Bruch der Koalitionsregierung hätten er und die Likud-Partei bei Neuwahlen kaum Chancen, wieder stärkste Partei zu werden. Und laut Umfragen lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Pläne der Regierung ab. Insofern bläst ihm andererseits der Sturm der Protestbewegung, die sich über alle gesellschaftlichen Schichten und ethnischen Zugehörigkeiten erstreckt, massiv ins Gesicht.

Bis zuletzt wurde in Sachen Justizreform versucht, einen Kompromiss zu erreichen, insbesondere Staatspräsident Herzog bemühte sich um eine Einigung. Noch unmittelbar vor der Abstimmung in der Knesset am frühen Montagnachmittag hofften Viele auf eine positive Wendung. Vergeblich. Die Hardliner in der Regierung, allen voran Justizminister Yariv Levin (Likud-Partei!), waren nicht bereit, auch nur den geringsten Kompromiss einzugehen.


Ein Staatsstreich von oben

Zweifellos gibt es im israelischen Rechtssystem bisher nicht gelöste Fragen. So verfügt Israel weder über eine zweite Parlamentskammer (föderales System) noch eine Verfassung, in der die Grundrechte festgeschrieben sind. In dem jetzt von der Knesset verabschiedeten Teil der Justiz-Reform geht es konkret um die Aufhebung der Möglichkeit des israelischen Obersten Gerichts, Handlungen der Exekutive mit dem Argument der »Unangemessenheit« gegebenenfalls für ungültig zu erklären.

Die Kritiker*innen des Gesetzes sehen in der Klausel ein wichtiges Instrument, mit dem Amtsmissbrauch, Korruption und die willkürliche Entlassung von Beamt*innen verhindert und vor allem die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte unterlaufen werden kann. Die extremistische Rechte will die Rechte der Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit einschränken. Und es geht um das Thema Gleichberechtigung in der israelischen Gesellschaft, um Frauenrechte, um Rechte von LGBTQI-Menschen.

Zuletzt kam die Unangemessenheits-Klausel zur Anwendung, als das Oberste Gericht die Ernennung des ultraorthodoxen Politikers Aryeh Deri zum Innenminister rückgängig machte. Aufgrund seines Vorstrafenregisters mit Betrug und Bestechung sei dies nicht angemessen, urteilte das Gericht. Nun unterliegt die Regierung nicht mehr solchen demokratischen Gegengewichten. Auch Netanjahu steht seit Langem wegen Korruptionsvorwürfen in drei Fällen vor Gericht, gleichwohl können die Motive für dieses Gesetzesvorhaben nicht auf persönliche Motive Netanjahus reduziert werden.

Die Abschaffung der Angemessenheitsklausel ist lediglich ein Teilaspekt der Reform. Das Gesamtpaket enthält deutlich weitreichendere Gesetze, die eine Entmachtung des Obersten Gerichtes bedeuten. Es geht darum, die Wahl der Richter unter Kontrolle der Regierung zu bekommen, die Überprüfung von Gesetzen auf Grundgesetzkonformität einzuschränken, dem Parlament das Recht einzuräumen, Einsprüche des Obersten Gerichtes zurückweisen zu können, und die Stellung der Rechtsberatung in der Exekutive zu politisieren. Im Ergebnis läuft die Justizreform auf eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit auf die Beseitigung der Demokratie in Israel hinaus. Israel, das oft als die »einzige Demokratie im Nahen Osten« bezeichnet wird, wäre dann de facto keine mehr.


Der Aufstieg des religiösen Nationalismus

Der Eklat um die Justizreform ist der Kulminationspunkt einer langjährigen Entwicklung, die als Kehrseite des politischen Niedergangs der Linken eine massive Stärkung der extremistischen Kräfte bis in die Regierung zur Folge hatte. Der gegenwärtigen Regierung geht es letztlich darum, das Land Schritt für Schritt in eine »illiberale Demokratie« zu transformieren, und die völkerrechtswidrige Besetzung des West-Jordanlandes und Ost-Jerusalems sowie die damit einhergehende Unterdrückung der Rechte der Palästinenser*innen nationalistisch-religiös zu »legitimieren«. Mit dieser Radikalisierung wird auch die Spaltung innerhalb des gesamten Judentums verschärft, das seit dem 18. Jahrhundert eine bedeutsame Rolle gerade bei der Verbreitung des Universalismus gespielt hat.

Netanjahu hat den Kurs der Likud-Partei aktiv betrieben, mit dem Anspruch, die national-religiöse Wählerschaft der Siedler zu vertreten, und die beständige Ausweitung illegaler jüdischer Siedlungen im West-Jordan-Land aktiv unterstützt. Damit rückten Fragen der ethnischen, religiösen und nationalen Identität immer mehr in den Mittelpunkt des politischen Diskurses.

Dies hatte, so die Jerusalemer Soziologie-Professorin Eva Illouz, zwei Folgen: »Zum einen spalteten sie das Gemeinwesen unter dem Banner einer Identitätspolitik noch weiter, erzeugten tiefe Spannungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen wie Mizrachim und Aschkenasen, säkularen und religiösen, patriotischen und antipatriotischen Kreisen und definierten die Eigenschaft, israelisch zu sein, in die Eigenschaft um, religiös jüdisch zu sein. Zum anderen beförderten sie die zunehmende Sakralisierung des Nationalbewusstseins, nicht nur durch den Bezug auf die für das Land Gestorbenen, sondern auch durch eine Aufwertung der rituellen Symbole des Judentums.«[2]

Diese ideologische Operation verhalf dem religiösen Nationalismus, der bis in die 1990er-Jahre hinein als Phänomen einer extremen Randgruppe gegolten hatte, zu einer führenden Rolle in der israelischen Gesellschaft und Politik. Der jüdische Charakter des Staates wurde mit dem seinerzeit bereits hoch umstrittenen Nationalstaatsgesetz von 2018 radikalisiert.

Die Verschiebung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses hin zur extremen Rechten vollzog sich nicht in Form einer Revolution, sondern als langsamer Prozess, der lange Zeit verdrängt wurde, bis es jetzt zum politischen Eklat der Regierung mit der Zivilgesellschaft gekommen ist. Dieses Geschehen zeige, so der israelische Schriftsteller David Grossman, »welch ausgeklügelte Mechanismen der Selbsttäuschung, der Verblendung, der Gehirnwäsche wir durchlaufen haben, um 75 Jahre lang den Ausbruch all dessen zu verhindern [… Wie hohl klingt heute das Mantra Einheit, mit dem man uns jahrzehntelang gefüttert hat […] Jetzt wird uns der Boden unter den Füßen weggezogen.« (FAZ vom 25.7.2023) Der Aufstieg des national-religiösen Extremismus bis ins Zentrum der politischen Macht ist ein Lehrstück in Sachen Rechtspopulismus und Rechtradikalismus.

Der entscheidende zivilisatorische Fortschritt des auf der kapitalistischen Produktionsweise sich gründenden bürgerlich-liberalen Staates besteht darin, wie Marx in »Zur Judenfrage« herausgearbeitet hat, dass die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft nicht in der Befreiung von der Religion besteht, sondern dass die Bürger*innen die Religionsfreiheit erhalten. Die Privatisierung der Religion kann der bürgerliche Staat aber nur dann gewährleisten, wenn er selbst in seinem Kern atheistisch bleibt, es mithin keine Staatsreligion mehr gibt. In dem Moment aber, wo im Namen einer bestimmten Religion versucht wird, sich den Staat wieder unterzuordnen, muss es zur politischen Katastrophe kommen, insbesondere wenn dies mit einem nativistisch geprägten Nationalismus verbunden wird.

Vertreter*innen der Opposition, die Anwaltskammer sowie mehrere Nichtregierungsorganisationen kündigten am Montag an, wegen des Gesetzes das Oberste Gericht anzurufen. Dies kann zu der widersprüchlichen Situation führen, dass das Oberste Gericht über die massive Einschränkung seiner bisherigen rechtlichen Befugnisse selbst urteilen muss. Sollte das Oberste Gericht diesen Teil der Justizreform als unrechtmäßig zurückweisen, und die Regierung eine solche Entscheidung nicht akzeptieren, droht ein staatspolitischer Eklat.

Auch nach der Verabschiedung zentraler Elemente der umstrittenen Justizreform haben wieder Tausende Israelis gegen die Regierung protestiert. Demonstrant*innen blockierten Straßen und Autobahnen im ganzen Land. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Landesweit sollen am Montagabend mindestens 34 Demonstrierende festgenommen und mehrere Personen verletzt worden sein. Trotzdem soll ein weiteres Kernstück der Reform – eine Änderung bei der Richterbesetzung – nach dem Willen der Koalition bereits in der nächsten Sitzungsperiode im Herbst auf die Agenda rücken.

Die Gefahr des Umschlags der israelischen Staatskrise in einen Bürgerkrieg ist nach wie vor real. Ob der abgewandt werden kann, hängt sicherlich auch davon ab, wie sich die Armee in den sich verschärfenden Konflikten positioniert.


Wirtschaftskrise als Folge

Die zugespitzte innenpolitische Situation hat natürlich Konsequenzen für die israelische Wirtschaft. Shira Greenberg, Chefvolkswirtin im Finanzministerium, veröffentlichte bereits diverse Risikomeldungen. Die Justizreform könne negative Auswirkungen auf die Märkte haben, denn sie beschädige die Stärke und Unabhängigkeit staatlicher Institutionen. Am Ende könne die Kreditwürdigkeit Israels leiden – und damit auch das Investitionsklima.

Dabei ist die Kapitalflucht, wie die Tagesschau bereits Ende Februar (online am 27.2.2023) berichtete, offenbar bereits im Gange: Mehrere milliardenschwere Unternehmen haben angekündigt, Geld aus dem Land abzuziehen. Das Wirtschaftsportal Calcalist berichtete, viele von 37 befragten Unternehmen hätten angegeben, insgesamt rund 780 Mio. US-Dollar aus Israel ins Ausland zu transferieren. Das betrifft vor allem den Hightech-Sektor, der für rund 54% der israelischen Exporte steht.

Auch zahlreiche private Investoren stellen den Berichten zufolge ähnliche Überlegungen an. Aber es gibt nicht nur eine Kapitalflucht. Es ist auch das Humankapital, das Israel den Rücken zuwendet. Menschen erwägen bereits, das Land zu verlassen. Der High Tech Sektor sei ein Juwel, so Yaakov Frenkel, früherer Chef der israelischen Zentralbank. »Wenn die Menschen gehen, geht mit ihnen auch das Wissen. Über Jahre hinweg waren wir stolz darauf, eine Start-up-Nation zu sein. Dass wir der Ort sind, an dem das Wissen entsteht.«

Dem Großteil der aktuellen Regierungskoalition sind solche Warnungen egal: Die Ultrareligiösen kämpfen für weitere Wohltaten für den streng religiösen Teil der Bevölkerung, der kaum etwas zum israelischen Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Die Nationalreligiösen wollen vor allem den Siedlungsbau ausweiten, was zu hohen Kosten führt. Und Netanyahu fällt es zunehmend schwer, die Fassade aufrecht zu halten, die israelische Wirtschaft sei von alledem gänzlich unbeeindruckt. Denn kommt eine schwere Wirtschaftskrise hinzu, die insbesondere die soziale Spaltung weiter befördern würde, bewegt sich Israel noch schneller Richtung Abgrund.


Geo-politische und -strategische Herausforderungen

Die Staatskrise schwächt Israel auch außenpolitisch massiv. Iran, der exponierteste Gegenspieler im Nahen und Mittleren Osten, wird die Konfliktentwicklung genau beobachten. Es ist zu hoffen, dass radikal-islamische Kräfte nicht versuchen, die angespannte Lage militärisch auszunutzen. Denn dies könnte zu einer Stärkung der rechtsextremen Regierung gegen die »äußere Gefahr« führen. Insgesamt würde sich die Gefahr eines Flächenbrandes im Nahen und Mittleren Osten deutlich erhöhen.

Das Agieren in Sachen Justizreform der rechts-extremen Regierung stößt auch in der Biden-Administration auf deutliche Kritik. Kürzlich nannte der US-Präsident sie eine »der extremsten« in Israels Geschichte, seine Regierung drängt auf den »den breitestmöglichen Konsens« bei der Justizreform. Netanjahu wurde nach seiner Wiederwahl bisher nicht ins Weiße Haus zu einem Antrittsbesuch eingeladen.

Die USA sind der stärkste Garant der Existenz Israels. Das Land erhält jährlich eine Militärhilfe von fast fünf Mrd. US-Dollar. Allerdings ist der geo-strategische Einfluss der USA im Nahen und Mittleren Osten deutlich gesunken. Auf Initiative Chinas haben die »Erzfeinde« Saudi-Arabien und Iran die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Und Saudi-Arabien, einstmals der engste Verbündete der USA am Golf, kooperiert eng mit Russland im Rahmen der Opec+, um durch Kürzung der Fördermengen die gesunkenen Erdöl-Preise zu stabilisieren bzw. wieder zu steigern.

Wie die Reaktionen in den USA ausfallen werden, sollte Netanjahu ihrer Aufforderung, einen möglichst breiten Konsens bei der Justizreform herzustellen, nicht nachkommen, bleibt abzuwarten. Der Umgang der Führungsmacht des »freien Westens« mit einer weiteren »illiberalen Demokratie« in der eigenen Gefolgschaft im geo-strategischen Kampf gegen autoritäre und aggressive Regime wird wieder zu einem Testfall, ob die liberalen Werte des Westens oder (erneut) die realpolitisch-strategischen Interessen der USA die Oberhand gewinnen.

Allerdings weiß Netanjahu auch, dass im nächsten Jahr Präsidentenwahlen in den USA anstehen und einer seiner Brüder im rechtsradikalen Geiste, Donald Trump, wieder kandidieren will. Trump hatte in seiner Amtszeit mit dem (nicht realisierten) Vorschlag eines »Jahrhundert-Deals« in der Palästinenser-Frage seinerzeit schon die angespannte Lage im Nahen und Mittleren Osten angeheizt.

Auch die deutsche Bundesregierung sowie das grün besetze Außenministerium wird sich gegenüber dem rechtsextremen Regime in Israel außenpolitisch neu positionieren müssen. Israel kann unter diesen Bedingungen kein »strategischer Partner« mehr sein.

Deutschland liefert seit Langem Rüstungsgüter, insbesondere auch U-Boote, andererseits beabsichtigt Deutschland, selbst auch israelische Waffensysteme zu kaufen. Für vier Mrd. Euro soll das israelisch-amerikanische »Arrow 3«-Raketenabwehrsystem erworben und zu einem Pfeiler des NATO-Schutzschildes werden. Finanziert wird die Anschaffung aus dem »Sondervermögen Bundeswehr«, das nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine aufgelegt wurde. Für Israel ist der »Arrow 3«-Verkauf an Deutschland der größte Rüstungsdeal seiner Geschichte.

Das Land hat seine Rüstungsexporte in weniger als zehn Jahren verdoppelt und im letzten Jahr Waffen im Wert von 12,5 Mrd. US-Dollar verkauft. »Arrow 3« soll Ende 2025 einsatzfähig sein. Angesichts der innenpolitischen Entwicklung in Israel müssen die gesamte Rüstungskooperation und die wechselseitigen Waffenlieferungen politisch neu bewertet werden. Es kann nicht sein, dass Deutschland im Umgang mit einem rechtsextremen Regime in Israel gerade im Rüstungssektor weiterhin »business as usual« betreibt.

Darüber hinaus muss Druck ausgeübt werden, um die andauernde völkerrechtswidrige Besetzung des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems und die damit einhergehende Unterdrückung der Rechte der Palästinenser*innen zu beenden und sich einer konstruktiven Lösung – derzeit wohl nur in Form einer Zwei-Staaten-Lösung – zuzuwenden.

Die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser*innen mit ihren alltäglichen Erniedrigungen ist ein zentraler Faktor für den Aufstieg der nationalistisch-religiösen Strömung in Israel. Diese innenpolitische Radikalisierung ist, so Eva Illouz, »Ausdruck eines tiefen Wandels der Identität des Staates von einem Repräsentanten des Volkes zu einem Staat, der sich durch Annexionen, die Verletzung des Völkerrechts, Ausgrenzung und Diskriminierung vergrößern will. Der Populismus, der in seinem Zentrum steht, ist kein Faschismus. Aber er ist die Präambel dazu.«[3]

Anmerkungen

[1] Siehe hierzu ausführlicher: Friedrich Steinfeld, Israel vor einem Bürgerkrieg?, in: Sozialismus.deAktuell vom 2.4.2023.
[2] Eva Ilouz, Undemokratische Emotionen. Das Beispiel Israel. Aus dem Englischen von Michael Adrian. Berlin 2023, S. 186.
[3] Ebd., S. 204f.

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