23. April 2025 Ulrich Duchrow: Zum Tod des prophetischen Papstes Franziskus
»Diese Wirtschaft tötet«
Es ist vielleicht ungewöhnlich, dass eine sozialistische Zeitschrift einen Nachruf auf einen Papst veröffentlicht. Noch ungewöhnlicher aber ist es, dass die Kardinäle am 13. März 2013 nach zwei sehr konservativen, ja betont anti-kommunistischen Päpsten den aus dem sozialen Kontext der Armut kommenden, befreiungstheologisch orientierten Argentinier Jorge Mario Bergoglio in das höchste Amt der Römisch-katholischen Kirche wählten.
Ungewöhnlich ist auch, dass er auf seiner ersten Reise im Juli 2013 die Flüchtlingsinsel Lampedusa besuchte und angesichts der tausenden ertrunkenen Flüchtlinge an Europas Grenzen gegen die »Globalisierung der Gleichgültigkeit« protestierte.
Geradezu revolutionär ist es jedoch, dass seine erste große öffentliche Erklärung nur acht Monate nach seiner Wahl im November 2013 das Thema der kapitalistischen Weltwirtschaft kritisch in den Mittelpunkt rückt. Der Apostolische Brief Evangelii Gaudium (die Freude des Evangeliums) entfaltet die zentrale Aussage »Diese Wirtschaft tötet« mit vier klaren Neins: »Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung – Nein zur neuen Vergötterung des Geldes – Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen – Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt.«
Nach dem Solidaritätszeichen gegenüber den Schwächsten und dem klaren Einsatz für die soziale Gerechtigkeit gegen die Mammonswirtschaft folgt als weiterer Schwerpunkt der Einsatz für die von eben dieser Wirtschaft zerstörten Natur. In seiner 2. Enzyklika Laudato si konzentriert er sich auf Mitwelt- und Klimaschutz. Hier knüpft er an Franz von Assisi an, der Mutter Erde als »gemeinsames Haus« besang.
Und klagt erneut unser Wirtschaftssystem an, das den Menschen als »Herrn und Eigentümer der Natur« (Descartes) ansieht und dadurch diese zerstört. Und er bestärkt die Hoffnung: »Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen.«
Schließlich ist er unermüdlicher Mahner zum Frieden, zuletzt in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag im Januar 2025. Dabei sieht er den Frieden ganzheitlich und wendet sich gegen »die unmenschliche Behandlung von Migranten, die Umweltverschmutzung, die durch Desinformation schuldhaft erzeugte Verwirrung, die Ablehnung jeglicher Art von Dialog und die beträchtliche Finanzierung der Militärindustrie«.
Er fordert nicht nur einen Schuldenerlass für die verarmten Länder, sondern: »Lasst uns wenigstens einen festen Prozentsatz des Rüstungsetats für die Einrichtung eines Weltfonds verwenden, der den Hunger endgültig beseitigen und in den ärmsten Ländern Bildungsmaßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen soll, die dem Klimawandel entgegenwirken.«
Requiescat in pace – Möge er in Frieden ruhen.
Ulrich Duchrow ist apl. Prof. für systematische Theologie und Sozialethik, arbeitet mit der ökumenischen Basisbewegung Kairos Europa und Attac. Gerade erschienen vom ihm im VSA: Verlag unter dem Titel »Gerechtigkeit, Frieden, (Über)Leben« seine Erfahrungen, Kämpfe und Visionen in der weltweiten Ökumene. Zuvor hatte er bereits im Jahr 2017 die Flugschrift »Mit Luther, Marx & Papst den Kapitalismus überwinden« veröffentlicht.