4. Oktober 2018 Ulrich Bochum: Koalitionseinigung im Diesel-Streit

Diesel, Diesel an der Wand, wer ist der Sauberste im ganzen Land?

Foto: geralt/Pixabay

Die Koalition hat sich in einer nächtlichen Sitzung auf ein Maßnahmenpaket zur Vermeidung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge geeinigt.

Dies war dringend notwendig, weil in insgesamt 28 Großstädten die Luftbelastung mit Stickoxiden zu hoch ist und daher Gerichte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen – zuletzt verkündete ein Gericht mögliche Fahrverbote ab 2019 für Frankfurt am Main.

Kontrovers wurde im Vorfeld über Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen und Kauf- bzw. Umtauschprämien für Neufahrzeuge diskutiert. Letzteres wurde vom Bundesverkehrsminister favorisiert, während die Umweltministerin sich für Nachrüstungen aussprach. Herausgekommen ist nun ein Mix aus beiden Maßnahmen.

Die Konzernbetriebsratsvorsitzenden von BMW, Daimler und Volkswagen hatten sich vorab in der Bild-Zeitung eindeutig gegen Nachrüstungen und für Umtauschprämien ausgesprochen und auf die ausländischen Hersteller verwiesen, die ebenfalls in die Pflicht genommen werden sollten.[1] Porsche hatte bereits erklärt: »Von Porsche wird es künftig keinen Diesel mehr geben. Wir haben nie selbst Dieselmotoren entwickelt und produziert. Dennoch hat das Image von Porsche gelitten. Die Dieselkrise hat uns viel Ärger bereitet.«

In der Tat. Viel Ärger haben auch die Käufer*innen und Besitzer*innen von neueren Dieselfahrzeugen, die diese im Vertrauen gekauft haben, mit diesen Fahrzeugen die Abgasnormen erfüllen zu können. Es ging daher auch um die finanzielle Belastung dieser Autokäufer – entweder für eine Nachrüstung oder für ein Neufahrzeug. Olaf Scholz hatte erklärt, die Autokonzerne müssten die Kosten dafür selbst tragen.

Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten, heißt es im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses. Anders als bei Prämien in der Vergangenheit soll der Tausch gegen ein anderes Gebrauchtfahrzeug möglich sein, nicht nur gegen ein Neufahrzeug. Von einer finanziellen Verpflichtung für Nachrüstungen ist allerdings nicht die Rede. Zentral ist die Aussage, dass im Falle der Nachrüstung die Haftung bei den Herstellern der Nachrüstsätze läge – damit wollen die Fahrzeughersteller jedoch nichts zu tun haben. Sie sprechen von einem Eingriff in die Struktur des Fahrzeugs und damit erlösche die Typengenehmigung.

Allerdings ist auch klar, dass die Emissionsgrenzwerte unter realen Bedingungen um ein Mehrfaches überschritten werden und selbst neue Euro-6-Dieselfahrzeuge die Grenzwerte nicht einhalten können. Da erwarten die Kunden schon, dass die Konzerne sich nicht auf formaljuristische Positionen zurückziehen, sondern Abhilfe geschaffen wird.

Nachrüstungen beträfen vor allem Fahrzeuge, die nicht die neue Emissionsnorm Euro 6 erreichen. Diese Fahrzeuge müssten mit einer Art Katalysator-System (Ammoniak Generator) ausgerüstet werden. Dabei wird eine wässrige Harnstofflösung (AdBlue) durch ein Dosiersystem in den Generator eingesprüht. Für die thermische Umsetzung des Harnstoffs wird Abgas und bei niedrigen Temperaturen elektrische Energie zugeführt. Das so erzeugte Gas wird dem Abgasstrom zugeführt und bewirkt im serienmäßigen Katalysator eine erhebliche Stickstoffminderung. Die Kosten für eine solche Nachrüstung betragen für einen Passat knapp 1.700 Euro.[2] Experten gehen von etwa 2,5 Mio. Fahrzeugen aus, die umgetauscht oder nachgerüstet werden müssen. Die Kosten beliefen sich für die Autobauer auf bis zu 12,5 Mrd. Euro.

Sowohl der Umtausch als auch die Nachrüstungen brauchen Zeit und daher wird unmittelbar keine Verbesserung der Schadstoffbelastung in den betroffenen Städten zu erreichen sein. Daher wird auch weiterhin mit Fahrverboten zu rechnen sein.

Auch wenn die Fähigkeit der Koalition, jetzt im Zusammenhang mit dem »Dieselproblem« Lösungen zu finden, allseits gelobt wird, so weist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags auf das tiefer liegende Problem der Mobilität hin. Eine Verkehrswende sei dringend notwendig, denn die Städte ersticken am Verkehr.

Das Mobilitätskonzept der Zukunft sieht offensichtlich anders aus, als das des motorisierten Individualverkehrs, der die Infrastrukturen moderner kapitalistischer Länder und ihrer Städte geprägt hat. Überall mit dem Auto hinzukommen, kann nicht mehr das Ziel sein, sondern die Unterstützung der Herausbildung eines »kollaborativen Verkehrsmarktes«, wo Produkte geteilt und ein Austarieren von individuellem Privatverkehr, öffentlichen Verkehrsmitteln und besseren Nutzungsformen von Fahrzeugflotten durch digitale Vermittlungsplattformen stattfindet.

Am Dieselproblem zeigt sich einmal mehr das Gewicht der bundesdeutschen Autoindustrie – sowohl hinsichtlich der industriellen Wertschöpfung als auch hinsichtlich der Beschäftigung. Daher will die Politik die Branche nicht zu sehr belasten. Es gibt aber schon einen erheblichen Druck zur Strukturveränderung durch die von vielen Untersuchungen bereits konstatierten Mobilitätstrends: Elektrifizierung, digitale Vernetzung, autonomes Fahren und die Verschiebung hin zu einer Nutzen-statt-Besitzen-Einstellung bei den Kunden. Was sich aus diesen »Trends« hinsichtlich der Beschäftigung bei den Fahrzeugherstellern ergibt, ist insgesamt noch gar nicht bezifferbar. Wenn also der Konzernbetriebsratsvorsitzende von VW, Bernd Osterloh, in der Dieselvereinbarung eine gute Nachricht für die Job-Sicherheit sieht, dann dürfte das etwas zu kurz gedacht sein.

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