13. März 2025 VSA: Verlag | Redaktion Sozialismus.de
Einnerung an Peggy Parnass
Wir trauern um unsere Nachbarin Peggy Parnass (1927–2025), Mitstreiterin bei zahlreichen Stadtteilaktivitäten in Hamburg St. Georg und bis zum Schluss aktive Kämpferin gegen Rechts.
Auf die Frage von Sharon Adler im Deutschland Archiv, ob ihr der Rechtsruck in Deutschland und Europa Angst mache, antwortete sie noch 2024: »Ich hatte immer mit Widerstand zu tun. Sonst hätte ich gar nicht hier leben können. Ich kämpfe immer noch.«
Peggy Parnass starb in ihrer Geburtsstadt am 12. März im Alter von 97 Jahren. Zu ihrem hohen Alter sagte sie in einem letzten Interview mit der ZEIT: »Was interessiert mich mein Alter? Es gibt junge Alte und alte Junge. Ich sage anderen immer: Wenn es für dich wichtig ist, ist es für dich wichtig. Mich interessiert es nicht. Ich lebe schrecklich gern.«
Geboren wurde sie am 11. Oktober 1927 in Hamburg als Kind von Eltern jüdischer Herkunft, die die Nazis in Treblinka ermordeten. Mit ihrem Bruder kam sie in einem Kindertransport nach Schweden und lebte dort in Waisenhäusern und Pflegefamilien, bevor ein Onkel in England sie kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs aufnahm.
Peggy ging zurück nach Schweden, wurde schwedische Staatsbürgerin, studierte in Stockholm, London, Hamburg und Paris, arbeitete als Sprachlehrerin, Filmkritikerin, Kolumnistin und Dolmetscherin für die Kriminalpolizei. Zurück in Deutschland begleitete sie als Gerichtsreporterin unter anderem Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher.
Dazu sagte sie in dem eingangs erwähnten Gespräch mit Sharon Adler später: »Die Prozesse, die ich sehen wollte, sind nicht geführt wurden. Ich dachte ja anfangs, dass da lauter NS-Prozesse stattfinden würden. Es waren in all den Jahren von insgesamt 500 aber nur drei Prozesse. Bis heute sind die meisten Nazis nicht verurteilt worden und konnten jahrzehntelang unbehelligt in Deutschland leben. Ich sammelte Urteile. Schnitt sie mir fast täglich aus, um sie gegeneinanderzuhalten und zu belegen, dass einfache Kriminalität sehr viel härter bestraft wird als die unglaublichsten NS-Taten. Außer mir schien das nur wenige zu interessieren.«
Außerdem trat Peggy als Sängerin auf, spielte in Filmen mit und schrieb zahlreiche Artikel und Bücher. Nicht für unsere Zeitschrift und auch nicht im VSA: Verlag. Aber sie beteiligte sich als Autorin gern an Veröffentlichungen des Verlages zum Stadtteil, moderierte Buchvorstellungen im benachbarten Kirchturm und erkundigte sich bei jeder Begegnung, wie es dem Verlag geht. Nicht nur wir werden ihr Engagement und ihre Zuneigung vermissen.
Dass auch die aktuellen obersten Repräsentanten der Stadt sie nun würdigen – frühere sind nicht immer pfleglich mit ihren Aktivitäten umgegangen –, unterstreicht, dass eine wichtige Mitstreiterin gegen das Vergessen und für mehr Gerechtigkeit gegangen ist: »Wir trauern um eine außergewöhnliche Bürgerin unserer Stadt«, sagte der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher. Und die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft (des Landesparlaments), Carola Veit, würdigte sie für ihren »unermüdlichen Einsatz für Toleranz und Vielfalt« und als »feste Größe in der Hamburger Kulturszene«.
Die Feier in Erinnerung an Peggy Parnass findet statt am 18. März um 11:00 Uhr in der Trauerhalle des jüdischen Friedhofs Ohlsdorf, Ilandkoppel 68.