21. Juni 2021 Erklärung von Attac zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Entspannung mit Russland statt Kaltem Krieg 2.0!

Am 22. Juni 2021 ist der Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion 80 Jahre her. Aus diesem Anlass hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits am 18. Juni im Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst eine beachtenswerte Rede gehalten, in der er sich in »Trauer vor den ukrainischen, belarusischen und russischen Opfern – vor allen Opfern der ehemaligen Sowjetunion« verneigte. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ruft aus dem gleichen Anlass in der nachfolgend dokumentierten Erklärung zu »Entspannung mit Russland statt Kaltem Krieg 2.0« auf, die wir gern unterstützen. In der Juli/August-Ausgabe der Zeitschrift nimmt Micha Brumlik in einer Besprechung des Buchs von Hannes Heer/Christian Streit Vernichtungskrieg im Osten ebenfalls zum »Kolonialen Völkermord im Osten Europas« Stellung.

Am 22. Juni jährt sich zum 80. Mal der Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion. Von Anfang an war dieser Krieg - anders als der im Westen – als rassistisch motivierter Vernichtungskrieg geplant. Im sog. Generalplan Ost war die Auslöschung von 50–60% der »slawischen Untermenschen« im europäischen Teil der Sowjetunion vorgesehen, weitere 15% bis 25% sollten hinter den Ural vertrieben werden. Die übrigen sollten zu Arbeitssklaven der »arischen Herrenrasse« gemacht werden.

Zur psychologischen Kriegsvorbereitung der deutschen Bevölkerung wurden die Ideologien von den slawischen Untermenschen und der »jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung« propagiert. Das deutsche Barbarentum kostete 27 Millionen Menschen in der Sowjetunion das Leben.

Diese Gräuel dürfen nicht vergessen oder relativiert werden. Auch wenn die Singularität der Shoah nicht in Frage steht, so ergibt sich doch auch aus dem Vernichtungskrieg im Osten eine moralische und politische Verantwortung für uns heute.

Das heißt heute Akzeptanz des Prinzips der ungeteilten Sicherheit, wie in der Ostpolitik Willy Brandts praktiziert, d.h. die Einsicht, dass Sicherheit nur miteinander und unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der anderen Seite erreicht werden kann.

Das heißt aktive Entspannungspolitik statt NATO-Aufmarsch, Aufrüstung und Kalter Krieg.

Das heißt politischer Dialog zur Lösung von Konflikten statt Konfrontation und Lagerbildung.

Das heißt Kooperation und gut-nachbarschaftliche Beziehungen statt Sanktionspolitik.

Und es heißt auch, die Feindbildpropaganda in Politik und Medien und das dünkelhafte Überlegenheitsdenken einzustellen, das heute gern im Gewand »europäischer Werte« auftritt, etwa wenn es aus Brüssel heißt »unserer Softpower ist die beste in der Welt« (so die ehem. Außenbeauftragte Mogherini) und Außenminister Maas von »europäischem Patriotismus« schwärmt.

Vor dem Hintergrund globaler Probleme wie der Klimakatastrophe, der dramatischen Umbrüche im Internationalen System, der neuerlichen Zunahme der Atomkriegsgefahr durch die Kündigung der Rüstungskontrollabkommen und neue Militärtechnologien sowie der Herausforderungen durch Pandemien, wachsende Armut und wachsenden Reichtum, ist ein neuer Kalter Krieg purer Wahnsinn.

Wir rufen deshalb zur Beteiligung an den Gedenkveranstaltungen auf, die aus Anlass des Jahrestages in mehreren deutschen Städten stattfinden.

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