14. September 2017 Bernhard Sander

Erste Kraftprobe für Macron

Bildquelle: MathieuMD | Wikimedia Commons

Die Ordonanzen der Regierung des französischen Premierministers Édouard Philippe zu den sogenannten Arbeitsmarktreformen stoßen auf wenig Akzeptanz in der Welt der Arbeit. Doch der gewerkschaftliche Protest hielt sich am ersten Aktionstag in Grenzen. Dies ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: die Spaltung der Gewerkschaften und einige von der Regierung auf den Weg gebrachte Modernisierungen.

Die spannende Frage bleibt, ob sich die Mobilisierung ins politische Feld übersetzt, wenn am 23. September »La France insoumise« mit Jean-Luc Mélenchon »Gegen den sozialen Staatsstreich« demonstrieren wird. In den Demonstrationszügen gingen prominente Partei-Leute wie Pierre Laurent (PCF) oder der PS-Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon mit, der mittlerweile seine Partei verlassen hat. In Straßburg waren fünf PS-Europa-Parlamentarier dabei, obwohl es in der Arbeitnehmerschaft immer noch grummelt, wenn die Sprache auf den PS kommt. Auf dem traditionellen Fest der Humanité wird sich jedenfalls kein wichtiger PS-Funktionär blicken lassen.

Der Krieg der Zahlen wird immer absurder: Waren es in Marseille nun 7.500 (nach Angaben der Polizei) oder 60.000 wie die Gewerkschaft CGT behauptet? Der CGT zufolge sollen es landesweit 500.000 TeilnehmerInnen gewesen sein, während offiziell 224.000 gezählt wurden. Macron hatte im Vorfeld mit seiner Aussage Öl ins Feuer gegossen, er werde den »Faulenzern, Zynikern und Extremisten nicht weichen«. Die Stimmung auf den Umzügen schwankte deshalb zwischen Ausgelassenheit und Militanz. Damit hat sich die CGT jedenfalls als vitaler und mobilisierungsfähiger erwiesen als angenommen.

Denn der erste Aktionstag im vergangenen Jahr gegen die El Khomri-Arbeitsmarktgesetze, das erste Gesamtpaket der damaligen PS-Regierungsmehrheit unter Präsident Hollande, hatte unter Beteiligung aller Gewerkschaftsbünde (CGT, CFDT, FO, UNSA, FSU, CGC, SUD) auch nicht viel mehr auf die Beine gebracht. Heute versuchen alle Gewerkschaften immer noch, Präsident Macron auf dem Verhandlungswege Zugeständnisse abzuringen – und nur die CGT mobilisiert. Doch war auch in den bisherigen sozialen Kämpfen gegen die Folgen der Globalisierung (Bourdieu) seit 1995 die Einheit unter Gewerkschaften eher eine Ausnahme. [1] In einigen Fällen führte dies durch Übertritte ganzer Gewerkschaftssektionen in die CGT zur zeitweiligen Schwächung von FO und CFDT.

Die Verordnungen zur Modernisierung des Arbeitsrechtes finden durchaus Zustimmung. Das französische Arbeitsrecht gilt als stark überreguliert, unübersichtlich und wenig angepasst an die Erfordernisse der Unternehmen. Es trägt in seiner jetzigen Gestalt zu den Rahmenbedingungen bei, die die Entwicklung gerade junger, kleiner und mittlerer Unternehmen erschweren. Die starren Regeln wirken nach dieser Ansicht gerade bei mittelständischen Unternehmen als Einstellungsbremse, weil Entlassungen in schwierigen Zeiten kompliziert und in ihren auch finanziellen Folgen wenig überschaubar sind. Die Deckelung der Abfindungen, der Verdienstausfall für die ehrenamtlichen Arbeitsrichter und andere Maßnahmen gelten als Fortschritt im Sinne der Unternehmer.

Zudem hat die Regierung während des gesamten Sommers intensive Gespräche und Verhandlungen mit allen relevanten Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbänden geführt – ein wahrer Konsultationsmarathon mit 48 Gesprächen, bei dem auch alle strittigen Fragen zur Sprache kamen. Dieses Verfahren, das sich von der Praxis früherer Regierungen abhebt, ist von allen Beteiligten einhellig als ehrlicher, offener Dialog gelobt worden – auch von den Gewerkschaften, die den Reformplänen skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

Die Regelungskompetenzen der Branchen werden nicht angetastet, aber die Unternehmen erhalten neue Möglichkeiten, einige Fragen wie z.B. Lohnzulagen oder Arbeitszeitregeln auf ihrer Ebene zu regeln und dabei in bestimmten Fällen von der Branchennorm abzuweichen. In Kleinunternehmen unter 50 Beschäftigten (also etwa drei Viertel der Unternehmen) kann der Unternehmer künftig mit allen Beschäftigten oder einem Belegschaftsvertreter direkt verhandeln. Dieser muss nicht mehr wie bisher von einer Gewerkschaft mandatiert sein.

Mikroselbständige, Freiberufler und Werkvertrags-Scheinselbständige werden nicht mehr in einer eigenen Kasse erfasst, sondern künftig in die allgemeine Renten- und Krankenversicherung einbezogen. Dies bringt für Menschen mit Einkommen unter 4.000 Euro Beitragssenkungen mit sich, stößt aber die Tür zur »Uberisierung« weiter auf, also der von digitalen Plattformen vermittelten Arbeitsverträge an den günstigsten Arbeitskraftanbieter, denn nur für bestimmte Freiberufler gelten noch gesetzliche Gebührenordnungen. Diese Neuregelung betrifft ca. 2,8 Mio. Aktive und etwa ebenso viele RentnerInnen. Die für das kommende Jahr angekündigte Erhöhung der Allgemeinen Sozial-Steuer dürfte einen Teil der so vom Staat ausgeschütteten 200 Mio. Euro Beitragsersparnisse wieder einkassieren. Gleichzeitig werden die Einkommenssteuerfreibeträge für diese Selbständigen erhöht.

Die Freibeträge für die Taxe d'Habitation, eine Art Grundsteuer B, werden auf 27.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen für Alleinstehende und 43.000 Euro für Paare angehoben. Das Parlament wird, voraussichtlich im Oktober, die Verordnungen zum Arbeitsrecht ratifizieren, d.h. endgültig billigen, damit sie Gesetzeskraft erlangen. Dies erscheint angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung als sicher. Die Linke (Sozialisten, Kommunisten, La France insoumise) lehnt ebenso wie der Front National die Reform vehement ab. Indessen sind vor allem Sozialisten und der Front National nach den für sie empfindlichen Wahlniederlagen stark mit sich selbst beschäftigt.



[1] Vgl. Grafiken hier: www.lemonde.fr/les-decodeurs/article/2017/09/12/front-syndical-uni-des-manifestations-rares-mais-qui-mobilisent_5184480_4355770.html.

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