1. November 2019 Joachim Bischoff: Konjunkturstützung der US-Notenbank

Fed senkte Leitzins erneut – und hilft Trump

Donald Trump und Jerome Powell (Foto: dpa)

Angesichts schwächeren globalen Wachstums, sinkender Exporte und der anhaltenden Handelskonflikte hat die US-Notenbank Fed ihren Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Die Rate der dritten Zinssenkung in Folge seit Juli liegt damit zwischen 1,5 und 1,75%. Die Zentralbank will dem moderaten Wachstum der US-Wirtschaft neuen Schwung geben.

Der Leitzins, die sogenannte Federal Funds Rate, ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken über Nacht Geld leihen. Eine Senkung des Zinssatzes verbilligt Kredite, weswegen Firmen leichter investieren können und viele Bürger*innen weniger für den Schuldendienst ausgeben müssen – sie haben so mehr Einkommen zur Verfügung.

Notenbankchef Jerome Powell signalisierte außerdem, dass nun zunächst keine weitere Absenkung des Leitzinses geplant sei. Die gegenwärtige Geldpolitik werde »wahrscheinlich angemessen bleiben«, solange es keine unerwartete und drastische Veränderung der Wirtschaftsentwicklung gebe, erklärte er. Die Geldpolitik sei nun »gut positioniert«, um moderates Wachstum, einen starken Arbeitsmarkt und eine Inflationsrate nahe dem Zielwert von 2% zu garantieren. Zwei Mitglieder des Zentralbankrats stimmten der Fed zufolge gegen die Absenkung und wollten den Leitzins unverändert belassen.

Powell verweist auf die Entspannungssignale im Wirtschaftskrieg mit China: Es zeichne sich mit China, der zweitgrößten Volkswirtschaft, eine Entspannung ab. Das geplante Teilabkommen – das Mitte November abgeschlossen werden soll – würde die Spannungen im Handelsbereich und die daraus resultierende Unsicherheit für Unternehmen reduzieren. Sollte das Handelsabkommen unterschrieben werden, dürfte das die Wirtschaft stützen. Auch nach der Unterzeichnung des Teilabkommens bleiben allerdings bedeutende Strafzölle beider Seiten zunächst bestehen. Zudem sind anvisierte Einigungen in der Vergangenheit nicht immer zustande gekommen. Beide Seiten wiesen sich dafür die Schuld zu.

Die Fed zeigte sich zuversichtlich, dass die US-Wirtschaft trotz bestehender Unsicherheiten auch weiter moderat wachsen werde. Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr und Konsumenten geben weiter fleißig Geld aus. »Im Kontrast dazu bleiben Investitionen der Unternehmen und Exporte schwach und die Produktion des verarbeitenden Gewerbes ist im vergangenen Jahr zurückgegangen«, räumte Powell ein. »Schwaches Wachstum im Ausland und Handelsentwicklungen haben diese Sektoren belastet.«

Die Fed bemüht sich mit ihrer Geldpolitik, das nunmehr seit einem Jahrzehnt anhaltende Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten – es ist die bislang längste dokumentierte Phase kontinuierlichen Wachstums in den USA. Die Notenbank hatte daher nach Jahren stagnierender oder steigender Zinsen im Juli die Kehrtwende eingeleitet.

US-Präsident Donald Trump kritisiert die von der Regierung unabhängige Notenbank für unzureichendes Handeln. Er fordert, den Leitzins auf Null zu senken und die Konjunktur zudem über Anleihekäufe anzukurbeln. »Die Fed ist ahnungslos!«, schrieb er etwa auf Twitter. Über Twitter und mit öffentlichen Aussagen macht US-Präsident Donald Trump immer wieder deutlich, dass er vom Fed viel weitergehende Zinssenkungen erwartet und beleidigt den von ihm selbst eingesetzten Powell. Schon einmal hatte er die Frage aufgeworfen, wer sein schlimmerer Feind sei, Powell oder China.

Trump erhofft sich von tieferen Zinsen nicht nur eine weiter aufgeheizte Wirtschaft, sondern auch einen schwächeren US-Dollar. Im von ihm selbst angezettelten Handelskrieg stört sich der US-Präsident daran, dass ein sich im Vergleich zu anderen Währungen teurerer US-Dollar die US-Produkte im Export preislich benachteiligt, wo er doch mit Zöllen auf ausländischen Produkten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der US-Exporteure steigern will.


US-Ökonomie im Sinkflug[1]

Für das dritte Quartal 2019 bestätigte sich der abflachende Wachstumstrend für die US-Wirtschaft. Die aufs Jahr hochgerechnete Zunahme des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) um 1,9% ist eine Verlangsamung gegenüber den Vorquartalen. Auch der geldpolitische Ausschuss des Federal Reserve System (Fed) jedenfalls betrachtet die Konjunkturlage weiterhin als anfällig und entschied, sie mit einer weiteren vorbeugenden Leitzinssenkung zu stützen.

Die US-Wirtschaft konnte ihr Wachstumstempo im Sommer dank eines robusten Privatkonsums in etwa halten. Anders als in Europa werden Wachstumszahlen in den USA auf das Jahr hochgerechnet. Sie geben damit an, wie stark die Wirtschaft wachsen würde, wenn das Wachstumstempo ein Jahr lang anhielte. Das Wachstum im dritten Quartal ist den anhaltend hohen privaten Konsumausgaben zuzuschreiben, während die Investitionen der Unternehmen zurückgingen. Die Investitionen sind ein wichtiger Indikator für zukünftiges Wachstum. Angesichts des Rückganges der Investitionen rechnen Experten für das vierte Quartal mit einer weiteren Verlangsamung.

Zwar hält die Laufzeit des Wirtschaftszyklus an – der längste in der US-Wirtschaftsgeschichte. Die Dynamik ist aber bescheiden und stützt sich vor allem auf den privaten und staatlichen Konsum. Die Regierung Trump behauptet, die USA litten unter einer zu straffen Geldpolitik und der Schwäche der Weltwirtschaft.

Hinter den Wachstumsfaktoren privater und öffentlicher Konsum steht zum einen die niedrige Arbeitslosigkeit und zum anderen eine massive Ausweitung der Staatsausgaben. Die Kauflaune der Amerikaner*innen stimmt nach wie vor. Ihre Ausgaben stiegen zuletzt um 2,9%. Den Konsument*innen ist es zu verdanken, dass die Bremsspuren in der amerikanischen Volkswirtschaft nicht längst tiefer sind: Der Binnenkonsum macht in den USA rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung aus. Die Arbeitslosenquote liegt mit 3,5% auf einem historischen Tiefstand. Und der Wohnungsbau hat dank der gesunkenen Zinsen angezogen.

Washington schließt das Haushaltsjahr 2019 mit einem alarmierend hohen Defizit von 4,6% des BIP ab. Ein extrem hohes Staatsdefizit ist problematisch, weil die gute Konjunkturlage der vergangenen Jahre eigentlich zu einem Defizitabbau hätte führen können. Stattdessen ist das Loch im Haushalt nun das vierte Jahr in Folge gewachsen und beinahe so groß wie in den Jahren 2009-2012, als die USA mit der schwersten Rezession seit den 1930er Jahren zu kämpfen hatten. Der Hauptgrund für den Anstieg sind Mehrausgaben (beim Militär), aber auch die Einnahmen (aufgrund von Trumps Steuersenkung) gingen gemessen am BIP zurück.

Die Haushaltszahlen widerlegen auch die Behauptung, der Handelskrieg und insbesondere die Strafzölle auf Güterimporten aus China spülten Massen von US-Dollars in die Staatskasse. Zwar stiegen die Zolleinnahmen 2019 von 41,3 Mrd. US-Dollar auf 70,8 Mrd. US-Dollar (in der Obama-Ära betrugen sie etwa 35 Mrd. US-Dollar), aber die Zölle werden in erster Instanz von US-Importeuren bezahlt und taugen nicht zur Sanierung der öffentlichen Finanzen. Angesichts dieser Ruinierung der Staatsfinanzen dürfte es in einer Rezession schwerfallen, die politischen Kräfteverhältnisse für ein Konjunktur- oder Infrastrukturprogramm zu mobilisieren. Trump ist zur Stützung seines Wahlkampfes auf die Gefügigkeit der Notenbankpolitik angewiesen.

Die Konjunkturstützung über die Geld- und Kreditpolitik ist zweifellos sinnvoll. Aber diese erneute Fed-Zinssenkung trotz einer passablen Lage an den Arbeitsmärkten und einer bemerkenswerten Wachstumsrate der Wirtschaft bleibt problematisch, weil die Fed ihren Bewegungsspielraum im Falle einer weiteren Verschlechterung einengt.

Noch läuft die US-Wirtschaft rund, wenn auch mit abnehmender Beschleunigung, doch die Risiken werden größer. Der Handelskrieg mit China lastet auf der Konjunktur, genauso wie geringere Investitionen der Privatwirtschaft und eine konjunkturelle Abschwächung im verarbeitenden Gewerbe.

Die Fed hatte daher bereits im Juli – nach einem Jahrzehnt stagnierender oder steigender Zinsen – eine Kehrtwende eingeleitet. Die Zentralbank gehe von anhaltendem Wirtschaftswachstum aus, »aber es bestehen bei dieser Prognose weiter Unsicherheiten«, hieß es mit Blick auf das global schwächere Wachstum. Der Inflationsdruck sei derzeit gering. Die Fed bemüht sich mit ihrer Geldpolitik, das nunmehr seit einem Jahrzehnt anhaltende Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten.

Es gibt durchaus Hinweise auf ein Ende der Konjunktur- und Wachstumszyklus. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie stand im Oktober deutlich im rezessiven Bereich. Die Unternehmen investieren weniger. Sie stellen zwar nach wie vor ein, aber das Jobwachstum schwächt sich ab; vor allem der Streik beim Autobauer General Motors kostet Stellen.

Die Zinssenkung ist mithin eine präventive Intervention. Die Federal Reserve will verhindern, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet. Die Notenbank ist eingekeilt zwischen schwächeren Wirtschaftsdaten, geringeren Investitionen und einem tiefroten Staatshaushalt. Entgegen Trumps früheren Beteuerungen, die Staatsschulden verringern zu wollen, schießt die US-Staatsverschuldung unter dem Republikaner in ungekannte Höhen. Fast 400 Mrd. US-Dollar pro Jahr müssen die USA allein für Zinskosten aufbringen. Höhere Leitzinsen würden den Schuldendienst weiter verteuern.

Das konjunkturelle Umfeld bleibt kritisch: die Globalökonomie schwächelt deutlich, und die Impulse von Trumps Steuersenkungsprogramm aus dem Vorjahr laufen aus. Der Handelskrieg schwelt weiter. Die Unsicherheit nimmt zu.

Anmerkung

[1] Siehe hierzu auch meinen Beitrag »Akkumulation im Abwärtstrend und Systemdefekte. Ende der langen Prosperitätsphase«, in: Sozialismus.de, Heft 11/2019.

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