5. Januar 2023 Redaktion Sozialismus.de: Eine weitere Folge von Donald Trumps Politik

Fiasko und Blockade bei den US-Republikanern

Den Republikanern in der großen Kammer des US-Kongresses ist der Start in die neue Legislaturperiode gründlich misslungen. Sie hatten zwar in einem harten Wahlkampf eine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert, konnten sich bislang aber trotz wochenlanger Verhandlungen auch im sechsten Wahlgang nicht auf die Wahl eines Speakers einigen.

In der ersten Abstimmung verpasste der langjährige Fraktionsführer Kevin McCarthy die notwendige Mehrheit von 218 Stimmen klar. Während alle 212 Demokraten geschlossen hinter ihrem Kandidaten Hakeem Jeffries standen, erhielt McCarthy nur 203 Stimmen. 19 rechte Republikaner wünschten sich einen anderen Speaker. Auch im zweiten und dritten Wahlgang blieb die Hürde für McCarthy zu hoch.

Überraschen kann diese politische Bauchlandung nicht. Schon bei der Nominierung im November hatte sich die rechtskonservative Strömung in der Fraktion quergestellt, und McCarthy musste sich einer Kampfabstimmung stellen. Er schlug den Abgeordneten Andy Biggs mit 188 zu 31 Stimmen. Biggs ist der Vorsitzende des Freedom Caucus, einer Vereinigung von besonders konservativen Abgeordneten.

Es handelte sich um eine geheime Abstimmung, bei der McCarthy lediglich eine einfache Mehrheit benötigte. Angesichts dieses deutlichen Signals von Flügelkämpfen in der Partei und 31 Gegenstimmen lavierte der langjährige Fraktionsführer seither hinter den Kulissen darum, die nötigen Stimmen zusammenzubringen. Aber trotz wochenlanger Verhandlungen konnten die konservativen Abgeordneten nicht auf die Wahl eines Speakers im Repräsentantenhaus einigen.

McCarthy kämpft seit längerem darum, Mehrheitsführer und damit auch Vorsitzender der großen Parlamentskammer zu werden. Dafür versuchte er auch den rechten Flügel seiner Partei für sich zu gewinnen. Unter den nationalkonservativen Trump-Republikanern gibt es bis heute Zweifel an dem Parteiführer aus Kalifornien. Kurz nach dem Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 kritisierte er Trump scharf dafür, vollzog wenig später allerdings eine spektakuläre Kehrtwende und kann sich offenbar eine erneute Kandidatur des ehemaligen Präsidenten vorstellen.

Um die kleine rechtskonservative Strömung einzubinden, hatte McCarthy den rechten Flügelleuten weitgehende Zugeständnisse gemacht. So versprach er Abgeordneten vom äußersten Rand der Partei u.a. einflussreiche Posten in Kongressausschüssen. Zudem soll er auch parlamentarischen Untersuchungen gegen den Präsidentensohn Hunter Biden und zur Rolle des FBI und des Justizministeriums bei der Aufarbeitung des Sturms auf das Capitol zugestimmt haben. Und er war offenbar zudem bereit, die Hürde für die Ansetzung eines Misstrauensvotums gegen ihn auf lediglich fünf Abgeordnete herabzusetzen.

Der hartnäckige rechtskonservative Widerstand gegen McCarthy hat die Partei zu einem politischen Fiasko geführt, so dass die Sprecherwahl zunächst scheiterte. Nach dieser Schmach erhielt er Schützenhilfe von Ex-Präsident Donald Trump: »Es ist jetzt an der Zeit, dass alle unsere großartigen republikanischen Abgeordneten für Kevin stimmen, den Deal abschließen, den Sieg mitnehmen«, schrieb Trump in einem Beitrag auf seiner Medienplattform »Truth Social«. Die Republikanische Partei solle »einen großartigen Triumph nicht in eine riesige und peinliche Niederlage [verwandeln]. Es ist Zeit zu feiern, ihr verdient es. Kevin McCarthy wird einen guten Job machen und vielleicht sogar einen großartigen Job – wartet es nur ab.«

Trotz Trumps Unterstützung scheiterte McCarthy auch nach der Unterbrechung des Wahlgangs am zweiten Tag der Abstimmung erneut an den Gegenstimmen aus den eigenen Reihen. Noch ist kein Ende des Abstimmungsmarathons in Sicht. Selbst wenn er sich letztendlich durchsetzen könnte, hat die Machtdemonstration des rechten Flügels der »Grand Old Party« ihr einen enormen Einfluss auf die Gestaltung der Gesetzgebungs- und Ermittlungsagenda der Partei verschafft.

Und das wird das Image des Extremismus verstärken, das die Republikaner bei den Zwischenwahlen schon begleitet hat, insbesondere in den wichtigsten Swing-Staaten, die wahrscheinlich über den nächsten Präsidentschaftswettbewerb entscheiden werden: Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Georgia und Arizona. Politisch offenkundig ist, dass McCarthy in der Partei unbeliebt ist und sich ein solcher Kompromisskandidat gegenüber dem rechtsextremen Trump-Flügel schwer durchsetzen kann.

Für die Republikaner bedeutet dieser Fehlstart eine weitere Imageschädigung mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024, bei der Trump sich erneut um eine Kandidatur bewerben will. Doch eine Mehrheit der Amerikaner*innen verachtet ihn ebenso wie den rechten Parteiflügel der Republikaner, der die gemäßigten Konservativen vor sich hertreibt.

Der Großteil der Republikaner folgte der Parteiführung und vermied eine klärende Auseinandersetzung mit Trump. Diese Loyalität zahlte sich bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November jedoch nicht aus. Trotz hoher Inflation und schlechten Umfragewerten für Joe Biden gewannen die Republikaner im Repräsentantenhaus nur eine hauchdünne Mehrheit und verloren im Senat gar einen Sitz. Die politische Schlussfolgerung konnte nur lauten: Moderate Republikaner und Wechselwähler*innen in den Swing States wünschen sich ein Ende der undemokratischen Trump-Politik mit ihren endlosen Schlammschlachten und substanzlosen Vorwürfen zu gefälschten Wahlen.

Die Ergebnisse der Zwischenwahlen haben viele Wähler*innen aufatmen lassen. Manche Beobachter*innen geben bereits Entwarnung, es drohe keine autoritäre Gefahr mehr für die USA. Die Position des Ex-Präsidenten ist sicherlich geschwächt, aber er muss bis auf weiteres als politischer Führer der amerikanischen Rechten gelten. Die Parteieliten bevorzugen zwar andere Kandidaten, aber Trumps Macht stützte sich immer auf die weiße konservative Wählerschaft ohne College-Ausbildung – die rechte Basis, die ihn weiterhin favorisiert.

In den republikanischen Vorwahlen genügt eine relative Mehrheit, um die Stimmen aller Delegierten eines Staates zu erringen. So sicherte sich Trump 2016 die Nominierung, obwohl seine Zustimmungswerte unter republikanischen Wähler*innen insgesamt nur bei 40% lagen. Dieser Pfad steht Trump auch für 2024 offen. Selbst wenn es gelingen sollte, Trump von der Spitze zu verdrängen: Auf einen Kurswechsel in Richtung der demokratischen Mitte darf man momentan nicht hoffen.

Ohne Trumps unbedingten Willen, sich an der Macht zu halten, wäre es nicht zum Anschlag auf Amerikas Demokratie gekommen wäre. Fest steht aber auch, dass es in der republikanischen Partei keine wirkliche Aufarbeitung gegeben hat. Der Untersuchungsausschuss des Kongresses hat die Beteiligung des Ex-Präsidenten am Sturm auf das Capitol detailliert und mit vielen Beweisstücken herausgearbeitet: Die die Eskalation am 6. Januar 2021 war keine aus dem Ruder gelaufene Protestkundgebung, sondern der letzte Versuch nach einem verzweifelten Plan. Trump wollte jeden erdenklichen Weg beschreiten, um die Wahlniederlage umzustoßen.

Es wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, würde Trump dafür nicht zur Verantwortung gezogen. Das verfassungsrechtlich vorgesehene Instrument wäre die Verurteilung in einem Impeachment-Verfahren, was für die große Mehrheit der Republikaner nicht in Frage kommt. Es ist deshalb folgerichtig, dass der Untersuchungsausschuss die Überweisung an die Strafjustiz anregt.

Auch wenn der Ausschuss politisch wegen der Verweigerung der Mitarbeit der Republikaner einseitig zusammengesetzt war, rechtfertigen die von ihm präsentierten Beweise eine Anklage. Gleichzeitig würde dies die politische Spaltung des Landes nochmals vertiefen. Aber ohne juristische Folgen bleibt der Sturm aufs Capitol, wie sich jetzt an der politischen Erpressung der Republikaner durch die Trump-Anhänger*innen zeigt, eine Deformation der US-Gesellschaft, die Folgen hat. Der Einfluss Trumps auf die amerikanische Politik ist immer noch enorm.

Im Ende Dezember veröffentlichten Untersuchungsausschuss mit 845 Seiten wird Trump eine Verschwörung vorgeworfen, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 aufzuheben. Der Bericht kommt zum Schluss, dass dieser zentral die Geschehnisse am 6. Januar 2021 zu verantworten hat. Schon bei der letzten öffentlichen Anhörung hatte das zuständige Gremium eine strafrechtliche Verfolgung des früheren amerikanischen Präsidenten in vier Anklagepunkten empfohlen.

Gleichwohl hatte Trump nur eine Woche nach den für ihn ernüchternd verlaufenen Zwischenwahlen eine neuerliche Präsidentschaftskampagne offiziell angekündigt. Die Ankündigung schon zwei Jahre vor dem Urnengang erfolgte vergleichsweise früh, aber Trump will damit seine parteiinternen Rivalen ausbremsen und den bei den Republikanern wachsenden Bedenken zuvorkommen. Aus dem Amt geschiedene Präsidenten ziehen sich in den USA normalerweise aus der Politik zurück, anders der ehemalige Immobilienmogul, der einst 74 Millionen Stimmen holte – so viele wie kein Republikaner vor ihm. Und er hat es geschafft, seiner Partei neue Wähler*innengruppen zu erschließen und elektrisiert ihre Basis nach wie vor.

Deshalb haben die Republikaner nicht mit ihm gebrochen. Im von den Demokraten angestrengten Impeachment-Verfahren stimmten im Repräsentantenhaus nur 10 der 211 republikanischen Abgeordneten für eine Anklage gegen Trump und nur sieben von 50 republikanischen Senator*innen für eine Verurteilung.

Seither hat der ehemalige Präsident die Partei wieder fest im Griff. Seine inhaltliche Neuausrichtung gegen Freihandel, Budgetdisziplin und eine interventionistische Außenpolitik hat weiterhin Bestand. Die Verschwörungstheorie über die angeblich gefälschte Wahl ist Teil der republikanischen Politik und führt zu Wahlrechtsreformen in verschiedenen republikanisch kontrollierten Gliedstaaten.

Nur zwei von den zehn Abgeordneten, die Anfang 2021 für das Impeachment Trumps stimmten, überstanden die Vorwahlen. Vier verzichteten auf ein neuerliches Antreten, vier weitere verloren ihre Rennen gegen parteiinterne Widersacher. Allerdings verliefen die Zwischenwahlen für die Trump-Kandidat*innen enttäuschend. In entscheidenden gesamtgliedstaatlichen Rennen unterlagen sie, was die Republikaner die Rückeroberung des Senats kostete. Konservative Beobachter*innen kritisieren deshalb Trumps Rolle und die Auswahl unerfahrener, radikaler Kandidat*innen.

Das schwächt zwar den ehemaligen Präsidenten und gefährdet seine Pläne, erneut ins Weiße Haus einzuziehen. Das aktuelle Fiasko bei der Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses belegt jedoch insgesamt: Ohne eine umfassende juristische und politische Aufarbeitung der Trump-Ära bleibt die Demokratie in den USA äußerst fragil, angreifbar und gefährdet.

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