23. Juli 2019 Ágnes Heller

Frauen, bürgerliche Gesellschaft und Staat

Ágnes Heller auf einer von der Redaktion organisierten Diskussionsveranstaltung im Jahr 1980 in Berlin.

Das Ableben der ungarischen Intellektuellen Ágnes Heller hat in den bundesdeutschen Medien große Aufmerksamkeit gefunden. In den Nachrufen wurde an ihrem Schicksal das Zeitalter der Extreme (Eric Hobsbawm) wieder ins Bewusstsein gerückt:

der Kampf gegen den ungarisch-österreichischen Faschismus, die wenig beständigen Ansätze der nachfaschistischen Volksrepubliken, der alltägliche Kampf gegen das stalinistische System und der chronische Verfall der ökonomisch-kulturellen (ideologischen) Substanz des poststalinistischen Gesellschaften und die wenigen Erfolge des Widerstands der sozialistisch-eurokommunistischen Protestbewegungen in den Zivilgesellschaften und politischen Arenen. Jürgen Habermas würdigte Heller in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als »leidenschaftlich und lebensklug«, für Arno Widmann in der Frankfurter Rundschau dachte sie »schneller als die meisten Zeitgenossen«, Willi Winkler in der Süddeutschen Zeitung notierte: »Sie hat mehr Geschichte erlebt, als Normalsterbliche verkraften«. Gregor Dotzauer erwähnt im Tagesspiegel auch, dass »viele ihrer Bücher im linken Hamburger VSA: Verlag« verlegt wurden. In der Tat waren und sind auch der VSA: Verlag und die Zeitschrift Sozialismus Teil dieser epochalen gesellschaftlichen Transformationen.

Wir haben Ágnes Heller publizistisch unterstützt und von ihr theoretisch viel gelernt: Verwiesen sei als Stichworte auf die Bücher »Theorie der Bedürfnisse«, »Theorie der Gefühle«, sowie die Kritik der poststalinistischen Ideologie. Ergänzend zu der Einordnung vom 21.7. dokumentieren wir Ágnes Hellers Artikel Frauen, bürgerliche Gesellschaft und Staat aus der Juni-Ausgabe 1980 unserer Zeitschrift. Mit ihrer Intervention zur Transformation der Familie vom Standpunkt der Situation der Frauen wollte sie »die These verdeutlichen, dass der ... Wandel ein widersprüchliches Ergebnis in Bezug auf Freiheit, Status und Ansehen der Frauen in der Gesellschaft hatte, indem er in einer Hinsicht die Gleichheit, in einer anderen Hinsicht die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verstärkte.« Der vor fast 40 Jahren erschienene Aufsatz hat wegen seiner theoretisch-geschichtlichen Substanz wenig an Aktualität verloren und verdeutlicht die vor uns liegenden Herausforderungen.

J.B./G.S.

Ágnes Hellers Artikel als pdf-Datei zum Download.

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