11. August 2019 Joachim Bischoff: Rahmendaten der Globalökonomie

Goldpreis als Krisenbarometer

Der Goldpreis hat Anfang August erstmals in sechs Jahren die Marke von 1.500 US-Dollar je Feinunze übersprungen. In den vergangenen Wochen hatten immer neue Signale (Konjunkturabschwächung, Zinssenkungen in den Vereinigten Staaten, Außenhandels- und Währungskonflikte, Unsicherheit an den Börsen) eine rasante Kursrally beim Goldpreis bewirkt.

 

Entscheidend für die Aufwärtsbewegung des Krisenbarometers ist die gewachsene Unsicherheit über die geopolitische und weltwirtschaftliche Lage. Da die alternative Geldanlage mit hoher Sicherheit – Staatsanleihen – wegen der größtenteils negativen Renditen weniger attraktiv erscheint, ist die Anlage im Edelmetall Gold im Trend. Gold wirft keinen laufenden Ertrag ab. Würden Anleihen eine hohe Rendite abwerfen, entginge diese den Goldanlegern – Gold gewinnt also, wenn die Unsicherheit gegenüber Anleihen ausgeprägt ist.

Goldanlage ist mithin eine Ausweichstrategie in Zeiten von negativen Realzinsen. In Europa sind die Zinsen abzüglich der Inflation schon seit Jahren negativ. Das heißt, die Anleger*innen müssen auf einen Teil ihrer Vermögenssubstanz verzichten, wenn sie in Geldpapiere investieren. Das ist langfristig keine komfortable Situation in der kapitalistischen Ökonomie. Man muss sein Kapital mindestens gegen Wertverluste schützen mit Sachanlagen, die ihren Wert beibehalten.

Neben Aktien und Immobilien gehört Gold ganz klar zu diesen Sachwerten und wird dementsprechend auch als Kapitalschutz angesehen. Die sogenannten Realzinsen spielen eine wichtige Rolle, also die Kapitalmarktzinsen abzüglich der Inflation. Sie sind gesunken, in vielen Ländern sind sogar die nominalen Renditen der Staatsanleihen inzwischen negativ. Das lässt den Preis des unverzinsten Goldes leichter auf Krisen reagieren, weil andere »sichere Häfen« wie Staatsanleihen wenig attraktiv sind.

Aktuell zögert selbst der größte Investor der Welt bei Neuanlagen in Aktien oder Anleihen: Warren Buffett lässt den Bargeldbestand in seiner Holding auf einen noch nie da gewesenen Höchstwert anschwellen: 122 Mrd. US-Dollar. Auch andere gewichtige Investmentstrategen setzen in jüngster Zeit vor allem auf Ausweitung der Cash-Bestände, nicht auf Aktienunternehmen oder Anleihen, die an der globalen Konjunktur hängen. In letzter Zeit sind wichtige Aktienbarometer wie der Dow Jones oder der S&P 500 deutlich gefallen, trotz der Zinswende der Notenbanken, die in der Regel für weitere Höchststände der Wertpapiere sorgen.

Noch sind viele Ökonom*innen weiterhin euphorisch über dem vermeintlich nie endenden US-Boom, der jetzt schon mehr als zehn Jahre anhält. Während sich in Europa die Wachstumsdelle mehr und mehr als Beginn einer rezessiven Talfahrt erweist, ist eine Trendwende in der US-Wirtschaft noch nicht klar erkennbar.

Die Dynamik der Preisentwicklung des Goldes ist beachtlich und zeigt Ähnlichkeiten mit dem Rekordanstieg im Jahr 2011. Im andauernden Höhenflug brauchte der Goldpreis etwas mehr als zwei Monate, um die Spanne von 1.300 US-Dollar bis 1.500 US-Dollar zu bewältigen. Bei der Rekordjagd im Jahr 2011 hatte es etwa sieben Monate gedauert, bis diese Wegstrecke überwunden war. Dann dauerte es noch einmal etwa vier Monate, bis der Goldpreis sein bisheriges Allzeithoch im September 2011 erreicht hatte.

Allerdings standen die Finanzmärkte damals unter dem Eindruck der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und der sich zuspitzenden Euro-Schuldenkrise. Augenblicklich existiert an den Finanzmärkten zwar die Sorge vor einem Handelskrieg zwischen den USA und China, auf eine schwere Wirtschaftskrise deutet aber bisher nichts.

 

Die Aktienmärkte in den USA bewegen sich weiterhin auf hohem Niveau. Die Fed hat die Leitzinssenkung zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt vorgenommen, denn die Aktienmärkte in den USA und an anderen Börsen verzeichneten bis dahin Rekordniveaus, und die US-Wirtschaft glänzt mit Vollbeschäftigung. Ausschlaggebend für den Zinswende waren eine hartnäckig tiefe Teuerungsrate in den USA, eine sich abschwächende Weltkonjunktur und der beträchtliche politische Druck aus dem Weißen Haus. Die US-Notenbank Fed wollte damit einer möglichen Abschwächung der Wirtschaft vorbeugen, auch wenn eine solche nicht unmittelbar ausmachbar war.

Die bescheidene Zinswende der FED hat bislang keine wirkliche Stabilisierung gegenüber den jüngsten Kursverlusten gebracht. Ein kritischer Blick auf die Gesamtkonstellation der US-Wirtschaft muss zu der Schlussfolgerung verleiten, dass eine Rezession in den nächsten Monaten immer wahrscheinlicher wird. Der Zinssenkungsimpuls dürfte nur zu einer vorübergehenden Linderung der erfolgten schmerzhaften Rückschläge ausreichen. Fallen in einer rezessiven Phase die Hauptinvestmentgruppen Anleihen und Aktien weg, so ist der Weg geöffnet um den dann erneut auflebenden »sicheren Hafen« Gold wieder zu beleben.

Hinzu kommt der schwächere US-Dollar, der unter der Erwartung sinkender US-Zinsen leidet. Gold wird international in amerikanischen Dollar gehandelt. Ein fallender US-Dollarkurs kommt Anleger*innen außerhalb des Dollarraums entgegen, weil diese günstiger an die US-Währung und damit auch an Gold kommen. Gleichzeitig wird weder in den USA noch in den anderen kapitalistischen Hauptländern ein Zinsanstieg wie noch vor einem Jahr erwartet, sondern weitere Zinssenkungen. Und solange dieses negative Bild für die Wirtschaft und die Erwartung fallender Zinsen anhalten, wird sich der Trend für das Gold nicht umkehren. Hinzu kommt ein ganz neues Problem, was derzeit in der Politik hin und her geschoben wird: das Thema Währungskrieg.

Gold gilt als Krisenwährung. Anleger*innen greifen zu, wenn sie sich absichern wollen. Wenn sie fürchten müssen, dass sie am Aktienmarkt Verluste machen. Derzeit ist es vor allem einer, der die Anleger*innen verunsichert und damit den Goldpreis nach oben treibt: US-Präsident Donald Trump. Neben der ungewissen Entwicklung im Handelskonflikt und der Klage über den zu starken US-Dollar lastet auch die Eskalation zwischen den USA und dem Iran auf der Stimmung der Investoren.

Niedrigere Zinssätze drücken den handelsgewichteten Wert des US-Dollar. Dies treibt in Anbetracht der historisch negativen Korrelation die Aufwärtsbewegung des Goldpreises. Ein Großteil der preisempfindlichen Nachfrage nach Gold stammt nicht aus den USA, und ein schwächerer US-Dollar bedeutet, dass man für den gleichen Betrag seiner lokalen Währung mehr Gold kaufen kann.

Auch die direkte Angebots- und Nachfragesituation beim Edelmetall Gold begünstigt die Preisbewegung. Denn die Minenproduktion geht allmählich wieder zurück, während die physische Nachfrage nach Gold deutlich angestiegen ist. Vor allem die Zentralbanken sind als Käufer zurück. Sie dürften gut 10-13% des Gesamtangebots absorbieren. Die Zentralbanken haben die Geldmengen in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Sie sind in den vergangenen Jahren immer stärker als Käufer von Gold in Erscheinung getreten. Laut World Gold Council (WGC) beliefen sich die Netto-Goldkäufe der Zentralbanken im ersten Quartal 2019 auf 145,5 Tonnen. Dies ist der höchste Wert in einem ersten Quartal seit 2013.

Die Kaufdynamik war eine Fortsetzung des letztjährigen Anstiegs um 74%, als 651 Tonnen Gold angehäuft wurden. Dies war der größte Jahreskauf seit 1971, also dem Jahr, in dem die USA die Umtauschbarkeit des US-Dollar in Gold beendeten. Laut einer WGC-Erhebung von Mitte Juli erwarten die meisten Zentralbanken der Welt für das kommende Jahr einen weiteren Aufbau der weltweiten Goldreserven. Die »Antikrisen-Währung« Gold wird auf absehbare Zeit weiter gefragt sein.

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