3. Juni 2025 Joachim Bischoff: Trump attackiert die Volksrepublik erneut

Handelskrieg zwischen den USA und China eskaliert

Im Handelskonflikt zwischen China und den USA haben sich die beiden Seiten erneut mit Vorwürfen überzogen. Nachdem US-Präsident Donald Trump der Volksrepublik vorgeworfen hatte, sich nicht an die vor knapp drei Wochen in Genf geschlossenen Vereinbarungen zu halten, hat Peking nun seinerseits mit scharfer Kritik an den USA nachgelegt.

Anfang Mai verkündet die US-Regierung einen »Deal« im Handelskrieg mit China. Am 12. Mai hatten sich China und die USA bei Verhandlungen in Genf darauf geeinigt, die meisten der exorbitanten Zölle zunächst nicht zu erheben. Die Einigung schien einen erfreulichen Durchbruch der zumindest unmittelbaren wirtschaftlichen Vernunft einzuleiten. Sie ist aber erst vor allem ein ganz in Trumpscher Manier gehaltener Waffenstillstand. Vereinbart wird – ähnlich wie Trump dies mit den anderen Ländern getan hat, gegen die er »reziproke« Zölle verhängte – eine Frist von 90 Tagen, während der beide Seiten ihre prohibitiven Zölle aussetzen und zum Status vor der Eskalation in ihrem Handelsstreit zurückkehren.

In den kommenden drei Monaten sollten intensive Diskussionen zu einer breiteren Übereinkunft führen, die die Anliegen beider Seiten berücksichtigt. Zum Ende der Genfer Gespräche haben die chinesischen und die amerikanischen Verhandlungsführer gelobt, man verstehe sich besser. Der amerikanische Handelsbeauftragte Jamieson Greer erklärte, man sei zur Einsicht gelangt, dass die Differenzen zwischen beiden Seiten vielleicht nicht so groß seien wie ursprünglich gedacht. Nun wolle man die Ursachen angehen, die zum Trumpschen »nationalen Notstand« geführt hätten.

Entscheidend sollte dabei sein, ob und wie sehr die chinesische Führung unter Xi Jinping bereit ist, trotz aller Rivalität und systemischen Differenzen der amerikanischen Administration zu trauen und mit ihr ein konstruktives Verhältnis zu suchen. In den USA wiederum ist die zentrale Frage, ob sich entgegen allen sicherheitspolitischen Falken die Einsicht durchsetzt, dass der Aufstieg Chinas zu einer leistungsstarken, innovativen Wirtschaftsmacht nicht mehr aufzuhalten ist und man besser konstruktiv damit umgeht.

Diese vor Wochen in Genf ausgehandelte Waffenruhe im Handelsstreit wackelt immer stärker. Denn schon kurz nach der ersten Einigung begann die amerikanische Regierung damit, die Beschlüsse zu torpedieren und damit das Klima zu vergiften. So kündigte Washington an, Exporte von KI-Speicherchips des chinesischen Technologiekonzerns Huawei weltweit zu verbieten. Sollte die amerikanische Regierung ihre Drohung wahr machen, würde dies Chinas Ambitionen, seine neuen, kostenfreien KI-Anwendungen weltweit zu verbreiten, schwer beschädigen.

Darüber hinaus erwägt Trump ein Ausfuhrverbot für Software, mit deren Hilfe Speicherchips entwickelt werden. Zudem wollen die USA keine Flugzeugtriebwerke mehr nach China liefern. Dies wäre ein schwerer Schlag gegen Comac, den chinesischen Hersteller von Verkehrsflugzeugen. Das Unternehmen hatte erst im vergangenen Jahr sein erstes Modell auf den Markt gebracht.

In der vergangenen Woche kündigte der amerikanische Außenminister Marco Rubio schließlich an, die Visa von praktisch allen chinesischen Studierenden in den USA zu annullieren. Derzeit studieren rund 280.000 junge Chines*innen an amerikanischen Hochschulen. Dies entspricht einem Viertel aller ausländischen Studierenden in den USA.

Diese angekündigten Schritte Washingtons zielen allesamt darauf ab, die inzwischen beachtliche Leistungsfähigkeit des chinesischen Technologiesektors zu schwächen. »Wenn die USA auf ihrem eigenen Weg beharren und weiterhin Chinas Interessen schädigen, wird China weiterhin entschlossene und energische Maßnahmen ergreifen, um seine legitimen Rechte und Interessen zu schützen«, hieß es in der Erklärung des chinesischen Ministeriums. Die USA hätten zudem den Konsens verletzt, den es beim letzten Gespräch von Trump und Xi am 17. Januar gegeben habe. Details dazu nannte Peking nicht.

Als Trump Peking beschuldigte, die Zollpause zu verletzen, nannte er keine Einzelheiten. Der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer beklagte jedoch, dass China die Exporte wichtiger Mineralien, die für die Herstellung modernster Elektronik benötigt werden, nicht beschleunigt habe. Dass Peking dies nicht tolerieren würde, war zu erwarten. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die chinesische Regierung konkrete Sanktionen gegen die USA erlassen wird. Wahrscheinlich ist, dass die Ausfuhr von seltenen Erden sowie von kritischen Mineralien und Metallen weiter beschränkt wird.

Die USA brauchen seltene Erden aus China. Die amerikanische Regierung ist dem Vernehmen nach erbost, weil Peking die versprochenen Exportgenehmigungen nur sehr schleppend erteilt. Die amerikanische Rüstungsindustrie und der Technologiesektor sind hochgradig abhängig von seltenen Erden aus China.

Die Situation ist verfahren, ein komplettes Scheitern des in Genf angestoßenen Prozesses ist nicht ausgeschlossen. »Die Gespräche sind zwar noch nicht total zusammengebrochen, und die brüchige Waffenruhe besteht noch«, schreiben Beobachter, »doch das Hin und Her zeigt, wie schnell die Dinge entgleisen können und wie einfach eine Reeskalation beginnen kann.«

Damit die Dinge wieder in Bewegung kommen, wird es wohl ein direktes Gespräch zwischen Trump und Xi Jinping brauchen. Das wäre das optimistischste Szenario, bei dem die USA von der Annullierung der Studentenvisa und den Exportkontrollen Abstand nehmen und China im Gegenzug die Ausfuhrbeschränkungen für seltene Erden spürbar lockern könnten. Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent sagte am Wochenende, ein solches Gespräch werde »sehr bald« stattfinden. »Doch selbst wenn die beiden Staatsführer bald miteinander sprechen, wird der Weg zu einer echten Einigung sehr steinig sein.«

Dass beide Seiten in einer Sackgasse stecken, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die amerikanische Regierung ihren Hebel maßlos überschätzt und denjenigen Chinas unterschätzt hat. Trump ging wohl davon aus, dass Xi wegen der lahmenden chinesischen Wirtschaft seinem Druck schnell nachgeben würde.

»Die neuen Exportkontrollen der USA und die angekündigte Annullierung der Studentenvisa dürften von China als Zeichen der Verzweiflung und nicht als Zeichen der Stärke verstanden werden«, argumentiert ein China-Experte , »vor allem, weil die meisten der von Trump gegen China verhängten Zölle von einem Gericht für rechtswidrig befunden wurden.«

Natürlich schmerzen die amerikanischen Zölle die chinesische Unternehmen und somit die Wirtschaft – aber wie ihre Exportzahlen aus dem April 2025 zeigen, findet China aktuell zunehmend neue Kunden in Schwellenländern. Präsident Trump hingegen spürt einen wachsenden Druck der US-Politik und der Finanzmärkte, aus der Eskalationsspirale herauszukommen, die er selbst angestoßen hat. Derzeit stehen die USA jedenfalls stärker unter Zugzwang als China.

Ein endgültiges Abkommen zwischen den USA und China ist nicht in Sicht. Im besten Fall zeichnet sich eine Art Waffenruhe ab. Die Chines*innen werden jedenfalls ihren Präsidenten nicht für ein PR-Foto mit Präsident Trump nach Washington schicken. Solche Aktionen sind nicht ihr Stil – und nach der Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Oval Office dürften sie ohnehin abgeschreckt sein. Wenn es also zu einem Stillhalteabkommen kommt, dann wird das leise passieren.

Wir stehen vor einem neuen Entwicklungsabschnitt: mehr Unsicherheit, mehr Störungen und mehr Protektionismus. Gleichzeitig ist die Weltwirtschaft heute viel multipolarer als früher. Es entstehen neue Märkte, neue Kunden. Europäische Länder wie die EU insgesamt haben jetzt die Chance, ihre Exporte zu diversifizieren, sich sowohl von China als auch von den USA unabhängiger zu machen. Wir stehen nicht am Ende der Globalisierung – wir treten in ein neues Kapitel ein, diese Entwicklung wird uns weitere Brüche  und Konflikte zumuten.

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