28. März 2022 Redaktion Sozialismus: Die Landtagswahlen im Saarland

Haushoher SPD-Sieg, Einbruch der CDU und Pulverisierung der LINKEN

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Die SPD ist klarer Wahlsieger im Saarland. Sie kann allein regieren. Auch wenn das Saarland nur ein kleines Bundesland ist: Die CDU erleidet einen dramatischen Stimmen-Einbruch, LINKE, Grüne und FDP verpassen den Einzug in den Landtag. Die AfD zieht ins Parlament ein.

43,5% – dieses vorläufige amtliche Endergebnis bedeutet einen Sieg für die SPD bei der Saarländischen Landtagswahl, der in dieser Deutlichkeit selbst die letzten Vorwahlumfragen noch übertrifft. Die Sozialdemokraten um Spitzenkandidatin Anke Rehlinger legen damit im Vergleich zur Landtagswahl vor fünf Jahren um 13,9 Prozentpunkte zu.

Allerdings war die Wahlbeteiligung mit 61,4% deutlich niedriger als 2017 (69,7%), wofür vor allem eine Demobilisierung von CDU-Wähler*innen verantwortlich war.[1]

Das Saarland ist bei der Wirtschaftsleistung seit über zehn Jahren klares Schlusslicht in der Berliner Republik. Von 2010 bis 2019 wuchs das Bruttoinlandsprodukt im Saarland nur um 1,6 Prozent, bundesweit dagegen zehnmal so stark. Auch mit Blick auf Infrastruktur, Investitionen und Demografie liegt Deutschlands kleinstes Flächenland hinten. Der Großteil der Wirtschaftsleistung entfällt auf die Stahl- und Automobilindustrie, was bekanntlich Branchen sind, die vor einer großen Transformation stehen. Das Ford-Werk und der Autozulieferer ZF sind die größten industriellen Unternehmen. Die Transformation der Autoindustrie steckt neben der der Stahlindustrie – tief im industriellen Strukturwandel.

Doch es ist nicht nur die Autoindustrie mit ihren rund 44.000 Beschäftigten, die Sorgen bereitet. Insgesamt sind in den vergangenen 20 Jahren im Verarbeitenden Gewerbe fast 12.000 Jobs weggefallen. »Wir sind innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes nicht sehr breit aufgestellt. Wenn es Transformation an einer Stelle gibt, schlägt das ungebremst auf die Beschäftigten durch«, konstatiert Chefin der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Die Wirtschaft ist wenig diversifiziert und anfällig für weltweite konjunkturelle Störfaktoren. Die politisch Herausforderung besteht mithin darin den industriellen Kern in der Automobil- und Metallindustrie zu stabilisieren und die Veränderungsprozesse hin zu einer auch von innovativen IT- und wissenschaftsorientierten sowie personenbezogenen Dienstleistungen geprägten Wirtschaftsstruktur zu befördern.

Der Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger ist es gelungen, diese Zukunftsorientierung zusammen mit zivilgesellschaftlichen Kräften zu vermitteln. Angesichts des Strukturwandels im Saarland und der lahmenden wirtschaftlichen Entwicklung war die Entwicklung von Arbeitsplätzen ein naheliegendes Thema, das dann aber auch im Wahlkampf immer mehr verfing. Die meisten Befragten hielten es am Ende für das wichtigste Thema. In allen wichtigen Politikbereichen ist die SPD im Saarland nun die Partei, der die Wahlberechtigten am häufigsten die besten Lösungen zutrauen – selbst in klassischen CDU-Kompetenzfeldern.

Das Bundesland Saarland hat – von den drei Stadtstaaten einmal abgesehen – die höchste Pro-Kopf-Verschuldung mit fast 15.000 Euro je Einwohner*in. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 6.520 Euro. Und auch der Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt große Probleme: Von 2010 bis 2021 wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um knapp 10%. Deutschlandweit war der Anstieg mehr als doppelt so hoch.

Ein Grund: In kaum einer deutschen Region schrumpft die Bevölkerung so stark. Anfang der 2000er Jahre lebten im Saarland noch weit über eine Million Menschen. Inzwischen sind es nur noch knapp 980.000. Die SPD hat es auch geschafft, die soziale Sicherheit der älteren Bevölkerung programmatisch aufzufangen.

Zu Recht spricht der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil von einem »sensationellen Erfolg« und verweist darauf, dass seine Partei jetzt acht von 16 Ministerpräsident*innen stellt. Dagegen erlebt die Linkspartei mit 2,6% eine Implosion. Noch 2012 erreichte man unter dem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine über 16%. Friedrich Merz hingegen bleibt gelassen: Zu eindeutig ist die programmatische Verortung des ehemaligen Ministerpräsidenten Hans in jenem Merkel-Lager, das aufzubrechen Merz angetreten ist.

Neben der CDU verliert die LINKE mit mehr als zehn Prozentpunkten bei dieser Wahl am deutlichsten. Die allermeisten Stimmen gehen an die SPD. LINKE-Gründer Oskar Lafontaine, der 2017 immerhin noch für ein Ergebnis von fast 13% gesorgt hatte, trug erst in der vergangenen Legislaturperiode zur Spaltung der Fraktion bei und verließ vor kurzem die Partei. Der Austritt von Lafontaine war der finale Paukenschlag in einem seit längerem zerrütteten Verhältnis zur Partei.[2] Dieser Austritt hat zweifelsohne der LINKEN bei den Wahlen geschadet. Allerdings ist die Partei in einem Abwärtstrend: Auch Lafontaine hat eine grundlegende strategisch-programmatische Selbstkorrektur eingefordert, zu der der Parteiführung bislang die politische Kraft fehlt.

DIE LINKE sinkt über alle Milieus, Altersgruppen und Kompetenzfelder hinweg in die Bedeutungslosigkeit hinab. Selbst ihre wenigen verbliebenen Wähler*innen messen ihr in ihrer eigentlichen Kernkompetenz soziale Gerechtigkeit nur sehr geringe Werte zu. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Jörg Schindler, hat nach den herben Wahlverlusten für seine Partei im Saarland eine Neuaufstellung der dortigen Linken angekündigt. »Wir werden die Partei neu aufstellen müssen«, sagte Schindler mit Blick auf die Linke im Saarland. Die Bundespartei werde dabei »aktiv eingreifen« müssen. Diese Ankündigung könnte eine Trendwende einleiten, allerdings ist der Bundesgeschäftsführer bislang eher durch markige Sprüche als durch kluge politisch-organisatorische Impulse aufgefallen.

Die SPD Saar hat mit diesem Ergebnis erneut bestätigt, dass die Revitalisierung der Sozialdemokratie gelingen kann. Schon anlässlich der Bundestagswahl hatte die Parteiführung bekräftigt, das das Ergebnis nur der Anfang sei. »Ein Sieg bei der Bundestagswahl, das reicht mir nicht, ich will mehr«, sagte Klingbeil. Der Wahlsieg sei eine große Chance, jetzt ein »sozialdemokratisches Jahrzehnt« zu gestalten.

Aus der Sicht der Sozialdemokraten geht es bei dem sozialdemokratischen Jahrzehnt um grundsätzliche Richtungsfragen. »Es gibt die, die den Sozialstaat abbauen wollen. Ihnen setzen wir das Konzept für einen Sozialstaat entgegen, der es allen ermöglicht, den Wandel zu meistern und kommenden Krisen zu trotzen. Denen, die gegen die Krise ansparen wollen, setzen wir zentrale Zukunftsmissionen mit konkreten Investitionsschwerpunkten entgegen. Wir werben darum, sich unserem Streben nach mehr Respekt und einen besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft anzuschließen.«

Anmerkungen

[1] Siehe dazu und zum Folgenden auch den wie immer sehr materialreichenden Wahlnachtsbericht von Horst Jahrs »Die Wahl zum 17. Landtag des Saarland am 27. März 2022«.
[2] Siehe dazu unseren Beitrag Lafontaine bricht mit der Linkspartei (Sozialismus.deAktuell vom 18. März 2022), in dem wir uns ausführlich mit der Rolle von Oskar Lafontaine in der und für die Linkspartei auseinandergesetzt haben.

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