4. März 2025 Björn Radke: Zum Abschluss der COP 16
Immerhin ein Finanzierungsplan für Artenschutz
Die geopolitischen Turbulenzen der jüngsten Zeit wie das Agieren der neuen US- Administration unter Donald Trump, als auch die Migration und die ökonomischen Verwerfungen, haben den Klimawandel und die Bedrohung der Biodiversität und Artenschutz medial in den Hintergrund treten lassen.
Gleichwohl werden weltweit Schritte hin zur Klimaneutralität unternommen, wenn auch die Versuche diese umzukehren oder zumindest zu verlangsamen laut vorgetragen werden. So hat auch die im Oktober 2024 stattgefundene 16. Weltnaturkonferenz (COP 16) in Cali (Kolumbien), die vorzeitig ohne verbindliche Beschlüsse beendet werden musste (siehe dazu meinen Beitrag »Kampf um Erhaltung der Biodiversität stagniert«), nun in Rom ihre Fortsetzung und Abschluss gefunden. Die 150 Teilnehmerländer haben sich auf einen Finanzierungsplan für die nächsten Jahre geeinigt.
Dabei wurden zwei Hauptaktionsbereiche festgelegt. Es geht um die Beschaffung zusätzlicher Mittel in Milliardenhöhe für die biologische Vielfalt und die Entscheidung über die Institutionen, die diese Mittel bereitstellen sollen. Die Einigung gelang, kurz bevor um Mitternacht eine Frist ausgelaufen wäre. Beim Treffen vor vier Monaten im kolumbianischen Cali waren die Verhandlungen abgebrochen worden.
Bereits bei der UN-Artenschutzkonferenz in Kanada vor mehr als zwei Jahren war unter anderem das Ziel vereinbart worden, bis 2030 mindestens 30% der Land- und Meeresflächen weltweit unter Schutz zu stellen. Die beteiligten Industrieländer sollten zudem ihre jährlichen Hilfen für den Naturschutz bis zum Jahr 2030 auf 30 Mrd. US-Dollar erhöhen. Es wurde jedoch nicht konkret geklärt, wie die Finanzierung geregelt werden soll.
In Rom gelang es nun, einen Teil dieser Fragen zu beantworten. Susana Muhamad, die frühere Umweltministerin von Kolumbien und Präsidentin der Konferenz, sagte daher: Nun gebe es zum ersten Mal »einen globalen Plan, um den Erhalt des Lebens auf der Erde zu finanzieren«. Konkret sollen ab 2030 jährlich 200 Mrd. US-Dollar in den Artenschutz investiert werden. Dazu sollen die Industriestaaten ab diesem Jahr 20 Mrd. US-Dollar und ab dem Jahr 2030 dann 30 Mrd. US-Dollar beisteuern.
Die USA konnten in dieser Konferenz nicht als Bremser auftreten, da sie nicht Mitglied der UN-Biodiversitätskonvention CBD sind und somit auch nicht an den Verhandlungen beteiligt waren. Dass »der Multilateralismus funktioniert«, wie CBD-Chefin Astrid Schomaker im Anschluss an die Konferenz sagte, ist daher womöglich etwas zu allgemein formuliert und bedarf der Ergänzung »zumindest wenn die USA nicht dabei sind«.
In der umstrittensten Frage gab es zudem keine wirkliche Einigung. Die Industriestaaten wollten, dass das Geld für den Artenschutz wie gehabt von der Globalen Umweltfazilität GEF verwaltet wird. Viele Entwicklungsländer fordern einen separaten Fonds, bei dem sie mehr Mitsprache als bei der GEF haben. Eine Entscheidung darüber wurde jedoch vertagt. Erst 2028 soll abschließend darüber entschieden werden, ob es einen separaten Artenschutzfonds geben wird. »Die Wirksamkeit wird von der Verfügbarkeit von Finanzmitteln und dem politischen Willen der Länder abhängen, ihre Beiträge zu erhöhen«, kommentierte der argentinische Umweltaktivist Oscar Soria vom Thinktank The Common Initiative den Finanzbeschluss.
Zufrieden äußert sich Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland: »Aus Sicht des WWF ist das Ergebnis ein dringend benötigter Erfolg. Mit den Beschlüssen soll das Artensterben nicht nur in den nächsten fünf Jahren gestoppt, sondern die Bewahrung der Ökosysteme auch in den kommenden Dekaden ermöglicht werden. Die Vertragsstaaten haben gezeigt, dass sie globalen Herausforderungen auch in schwierigen Zeiten noch gemeinsam entgegentreten können. Der Verlust der Lebensgrundlagen auf unserem Planeten betrifft alle Staaten. Sie haben sich trotz der großen Unterschiede und verschiedenen Meinungen in Rom zusammengerauft und eine Lösung gefunden.«
»Die Vertragsstaaten haben gezeigt, dass sie globalen Herausforderungen auch in schwierigen Zeiten noch gemeinsam entgegentreten können«, bilanzierte ein Vertreter des WWF Deutschland. »Das ist ein Hoffnungsschimmer für den Artenschutz und damit für unseren Wohlstand, unsere Gesundheit und Sicherheit auf diesem Planeten.«
Greenpeace Deutschland hob hervor, dass sich die Weltgemeinschaft den großen ökologischen Krisen offensichtlich auch ohne die USA stelle, »die bei der Bekämpfung der Artenkrise nicht mitverhandelt und sich vom Pariser Klimaabkommen verabschiedet haben«.
Um was geht es?
Der Artenschwund auf der Erde ist seit Langem als Problem bekannt. Nun hat der WWF 2024 gemeinsam mit der Zoological Society of London den alle zwei Jahre erscheinenden »Living Planet Report« vorgelegt. Danach sind die Bestände von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien weltweit drastisch zurückgegangen. Allein in den letzten 50 Jahren habe der Mensch die untersuchten Wildtier-Populationen im Schnitt um 73% dezimiert.
Für den Bericht wurden fast 35.000 globale Populationen von nahezu 5.500 Wirbeltierarten auf der ganzen Welt ausgewertet. Den stärksten Rückgang verzeichnen danach die Süßwasserökosysteme mit 85%, gefolgt von Land- und Meeresökosystemen mit 69% und 56%. Geografisch am stärksten betroffen sind Lateinamerika und die Karibik (95%), Afrika (76%) und die Asien-Pazifik-Region (60%). Europa ist aktuell weniger betroffen, das Minus beträgt hier »nur« 35% – allerdings laut WWF unter anderem, weil ein großer Teil der Biodiversität schon vor Jahrzehnten verloren gegangen ist.
Die prozentualen Veränderungen spiegeln dabei die proportionalen Veränderungen der Größe der Bestände über einen längeren Zeitraum wider – nicht die Anzahl der verlorenen Einzeltiere oder die Anzahl ausgestorbener Arten.
»Die Doppelkrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise bringt nicht nur einzelne Arten an ihre Grenzen, sondern gefährdet die Stabilität ganzer Ökosysteme«, warnt die Stiftung. Lebensmittelversorgung, Zugang zu sauberem Wasser, Stabilität der Wirtschaft und erträgliche Temperaturen seien abhängig von intakten Ökosystemen und gesunden Wildtierbeständen. »Was wir für ein gutes und sicheres Leben benötigen, steht durch unsere Lebensweise auf dem Spiel.«
Der WWF betont, dass Weichenstellungen in den kommenden Jahren bis 2030 »entscheidend für die Zukunft des Lebens auf unserer Erde« seien. Der Schutz der Natur müsse dabei Hand in Hand gehen mit der Transformation der Nahrungsmittelerzeugung, des globalen Energie- und des Finanzsystems.