26. April 2024 Klaus Bullan: Starke Verunsicherungen unter den 14- bis 29-Jährigen

Jugend 2024: Die AfD ist stärkste Partei

Der spektakulärste Befund der jüngsten Trendstudie »Jugend in Deutschland 2024« ist, dass die AfD bei der Parteienpräferenz der 14- bis 29-Jährigen die Spitzenposition erreicht hat. In nur zwei Jahren ist die Zustimmung zur AfD von 9% auf 22% gestiegen.

Vor allem männliche Jugendliche und junge Männer neigen der Studie[1] zufolge verstärkt zur AfD: Bei den weiblichen Befragten unter 30 Jahren findet die AfD nur halb so viel Zustimmung. An zweiter Stelle rangiert die CDU/CSU mit jetzt 20% gegenüber 16% 2022. Starke Einbrüche erleben die noch 2022 stärksten Parteien in der Generation Z, die Grünen und die FDP, die von 27% auf 18% (Grüne) bzw. von 19% auf 8% einbrechen. Auch SPD und Linke verlieren deutlich an Zustimmung.

Die Parteien der Ampelkoalition, die 2022 zusammen noch eine Zustimmung unter den 14- bis 29-Jährigen von 60% hatten, erreichen nur noch 38%. In diesen Ergebnissen reflektiert sich die Unzufriedenheit auch der Jugend mit deren Problemlösungskompetenz. Das ist nicht überraschend und bestätigt die allgemeinen Meinungsumfragen. AfD und CDU/CSU profitieren vom Verlust des Ansehens der Regierungsparteien in der Bevölkerung. Für die zentralen Probleme, die die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik gegenwärtig belasten, verliert auch die Jugend das Zutrauen, dass die Regierung Lösungen umsetzen kann.

Das Krisenszenario unter den jungen Leuten deckt sich in wesentlichen Punkten mit dem der Gesamtbevölkerung mit einigen bemerkenswerten Unterschieden. Die steigende Inflation seit 2022 bestärkt die Angst, dass das Geld für den Lebensunterhalt zunehmend knapp wird. Besonders die hohen Mieten und der Wohnungsmangel belasten auch die Jugendlichen. Auch eine drohende Altersarmut gehört für die heute 14- bis 29-Jährigen bereits zu den wichtigsten Problemen, fast die Hälfte (48%) macht sich darum Sorgen.

Daneben bestimmen die Angst vor Kriegen mit Blick auf die Ukraine und den Nahen Osten sowie der zunehmende Klimawandel das Bewusstsein der jungen Menschen. Während für 60% die Kriegsangst eine Hauptsorge darstellt, hat sich das Thema Klimawandel in der Prioritätenliste leicht rückläufig entwickelt, was angesichts der akuten Sorgen um den eigenen Lebensstandard und die steigende Kriegsgefahr erklärbar erscheint.

Immerhin die Hälfte (49%) der Jugendlichen macht sich darum weiterhin Sorgen und die Mehrheit (51%) meint, dass »viele Menschen in Deutschland den Ernst der Lage beim Klimawandel nicht erkennen«. Immerhin 44% der jungen Menschen »ist es sehr wichtig, persönlich zum Schutz von Klima und Umwelt beizutragen« und nur 22% eher nicht. Ein Abgesang auf die Kraft der Jugend als Protagonisten der Klimawende kann aus diesen Daten nicht abgeleitet werden.

Die Hälfte hält die »Spaltung der Gesellschaft« für ein Problem. Auch wenn die im aktuellen Diskurs sehr in den Vordergrund gerückte Thematik von Flucht und Migration bei den 14- bis 29-Jährigen 2024 stärker als zuvor problematisiert wird, ist dieses Thema mit 40% noch nicht für die Mehrheit der jungen Leute besonders wichtig.

Dass sich auch hier die Haltung hin zu eher migrationsskeptischen Einstellungen verschiebt, ist zum einen wohl auf den breiten Mainstream in Parteien und Medienöffentlichkeit zurückzuführen, der sich in den letzten Monaten stark auf Begrenzung der Zuwanderung und Rückführung von Flüchtenden verengt hat. Zum anderen ist auch hier von großer Bedeutung, dass es kein Vertrauen in die Regierungsparteien – nicht nur – in der Berliner Republik gibt, die mit Migration verbundenen Probleme zu lösen.

Die Jugend ist bereits von der Corona-Pandemie und ihren Folgen durch den Lockdown stark betroffen worden. Gerade in Schule, Ausbildung und Studium hat sie für die heranwachsende Generation massive Einbrüche gebracht und ihr Leben auf den Kopf gestellt – so das Gefühl bei vielen von ihnen. Vereinzelung und Isolation in dieser wichtigen Lebensphase, verbunden mit gebrochenen Bildungsbiografien, haben zu großen psychischen Problemen bei vielen von ihnen geführt und das Vertrauen in die Zukunft stark geschwächt.

Dann hat 2022 der Krieg in der Ukraine, 2023 der im Nahen Osten, verbunden mit wirtschaftlichen Verwerfungen, dem Reißen von Lieferketten, der Inflation und Sorgen um die Energieversorgung, wirtschaftliche Stagnation und ein Siegeszug der radikalen Rechten in Deutschland und Europa die Verunsicherung weiter verstärkt. Die junge Generation ist in dieser Lebensphase seit dem Jahr 2020 bis heute nur im Krisenmodus aufgewachsen und hat zunehmend Schwierigkeiten, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Die Befunde der Studie 2024 zeigen, dass Stress, Erschöpfung, Selbstzweifel und Hilflosigkeit die Folge davon sind. Mehr als die Hälfte der jungen Generation ist von Stress belastet (51%), jede*r Dritte leidet unter Erschöpfung und Selbstzweifeln. Selbst Suizidgedanken geben mit 8% mehr an als in den Jahren zuvor. Dieses Bild wird in vielen Studien von Schüler*innen, Studierenden und Lehrkräften sowie Ärzt*innen und Therapeut*innen und ihren Organisationen aus praktischem Erleben bestätigt.

Der »Index der gesellschaftlichen Zufriedenheit« zeigt deutlich nach unten und die Einschätzung über die Entwicklung der kommenden Jahre ebenfalls. Zwar ist die Einschätzung der eigenen Lebensqualität noch leicht im positiven Bereich, ist aber seit 2022 massiv gefallen und die Erwartung der kommenden Jahre ist ebenfalls rückläufig. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung ist seit 2022 ins Negative umgekippt.

Der »gesellschaftliche Zusammenhalt« wird stark negativ eingeschätzt und die Beurteilung der politischen Verhältnisse erreicht einen Negativrekord bei den 14- bis 29-Jährigen, wobei hier in den kommenden Jahren von der Jugend noch weitere Verschlechterungen erwartet werden.

Das alles sind wichtige Hinweise darauf, worauf die Erfolge vor allem der AfD bei den jungen Leuten zurückzuführen sind. Das Vertrauen in die Ampelparteien ist weitgehend verspielt und das gibt rechtspopulistischen und autoritären Kräften mit ihren »einfachen« Deutungs- und Lösungsangeboten Auftrieb. Das stößt auf eine schon vorhandene gewisse Polarisierung bei den Jugendlichen. Schon immer gab es einen Teil unter ihnen, der für solche Stimmungen und Bewegungen von rechts empfänglich war. Dieser Teil ist jetzt stark angewachsen.

Die tiefe Enttäuschung darüber, dass die Ampelparteien keine Lösungen für die grundlegenden Probleme der Gesellschaft und der Jugend angeboten haben, ist unter den 14- bis 29-Jährigen stark ausgeprägt, heißt aber nicht, dass diese Altersgruppe in ihrer Mehrheit oder gar dauerhaft dem rechten Lager zuzurechnen ist.

Anmerkung

[1] Simon Schnetzer/Kilian Hampel(Klaus Hurrelmann: Jugend in Deutschland 2024. Trendstudie. Repräsentative online-Befragung von Januar bis Februar 2024.

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