1. Februar 2019 Joachim Bischoff

Kurswechsel in der US-Notenbankpolitik

Jerome H. Powell, Präsident der Fed. Foto:

Die US-amerikanische Notenbank (Fed) hat auf ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr keine Veränderung der Zinsen beschlossen und darüber hinaus der nationalen Kreditpolitik eine »Atempause« verordnet. Der Prozess zur Normalisierung der Zinspolitik und der Fed-Bilanz ist also vorerst unterbrochen.

Der Präsident der US-Notenbank, Jerome Powell, korrigierte die bestehenden Erwartungen: Für weitere Zinserhöhungen bestehe vorerst kein Anlass, und eine Zinssenkung als nächsten Schritt wollte er allerdings nicht kategorisch ausschließen. Auch bei der Normalisierung der Bilanz würde die Notenbank zu einem flexiblen Modus übergehen.

Die konservative Community der Wirtschafts- und Finanzleute sieht sich in ihren Befürchtungen bestätigt: Die »Normalisierung« der Zinssteuerung, seit der großen Finanzkrise des Jahres 2008 praktiziert, habe schon wieder ein politisches Ende gefunden. Der Fed-Vorsitzende sei vor Präsident Trump und der »Wall-Street« eingeknickt. Trump hatte die Notenbank in den vergangenen Monaten mehrfach harsch wegen ihrer Zinserhöhungen kritisiert. Auch an den Finanzmärkten war einiger Unmut zu hören, nachdem die Aktienkurse ab Oktober für einige Zeit deutlich gefallen waren. Trump wörtlich: »Es ist unglaublich, dass mit einem sehr starken Dollar und praktisch keiner Inflation und einer Welt, die um uns herum explodiert – Paris brennt und China ist auf dem Weg nach unten – die Fed eine weitere Zinserhöhung überhaupt noch in Betracht zieht.«

Seit der Sitzung vom Dezember – nach welcher Powell noch weitere Straffungen in Aussicht gestellt hatte – hat sich die Weltkonjunktur merkbar eingetrübt. Die Prognosen für das globale Wirtschaftswachstum sind leicht zurückgenommen worden. In Europa und Deutschland lässt die Akkumulationsdynamik deutliche Spuren zurück. China gab das geringste Wirtschaftswachstum seit 1990 bekannt.

In Europa wird mit der erhöhten Gefahr eines unkontrollierten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union die wirtschaftliche Unsicherheit verstärkt. In den Vereinigten Staaten stand ein Teil der Regierung wegen einer politischen Blockade 35 Tage lang still – und die Aussichten auf eine kooperative Gestaltung der politischen Institutionen sind gering. Als Konsequenz der politischen Konflikte ist das Vertrauen der US-Konsument*innen eingebrochen. Die Risiken für eine Verlangsamung der Wirtschaft sind deutlich gestiegen.

Die Fed betont seit Monaten, dass die Geldpolitik nicht nach einer theoretischen Konzeption, sondern nach Entwicklung der Wirtschaft ausgerichtet werde. Die Gefahr, die Wirtschaft abzuwürgen, ist derzeit größer als die einer unkontrollierbaren Teuerung. Darum ist die Notenbank zu einer Pause im Normalisierungsprozess übergegangen. Ob es nach der Pause mit Straffungen weitergeht, oder ob es gar die Zinsen senkt, wird die Wirtschaftsentwicklung bestimmen. Powell unterstreicht daher: »Wir achten sehr auf die globalen Entwicklungen.« Er signalisierte zudem, dass die Fed bei Bedarf darüber nachdenken wird, den Prozess des Abschmelzens der Bilanz zu überdenken. In der Folge der Finanzkrise hat sich die Bilanz in Größe und Zusammensetzung stark verändert. Die Aktiva der Zentralbank schwollen von 870 Mrd. US-Dollar im August 2007 auf 4,5 Bio. US-Dollar im Januar 2015 an. Die US-Notenbank hat die Wertpapierbestände mittlerweile wieder auf vier Bio. US-Dollar zurückgeführt.

Das Federal-Reserve-System beeinflusst das Zinsniveau also nicht nur über den Leitzins, die Federal Funds Rate, sondern auch über die Bilanz. Die Notenbank kaufte in mehreren Schüben US-Staatsanleihen und hypothekenbasierte Wertpapiere im Wert von Hunderten von Milliarden US-Dollar auf mit dem Ziel, auch die langfristigen Zinsen stärker zum Sinken zu bringen, um so Investoren in riskantere Anlagen zu treiben und den Konsum anzukurbeln.



Nach einem 2017 ausgearbeiteten
Plan wurde das Volumen monatlich um bis zu 50 Mrd. US-Dollar verringert – sehr zum Leidwesen von US-Präsident Trump. Dieser ist ein erklärter Gegner des Bilanzabbaus und von Zinserhöhungen. Er befürchtet, dass dadurch Finanzmärkte und Wirtschaftswachstum Schaden nehmen.

Die Rückführung der Bilanzbestände hat dazu geführt, dass die US-Zentralbank ihre Bestände in Staatsanleihen im Wert von zeitweise fast 2,5 Bio. US-Dollar inzwischen auf 2,2 Bio. US-Dollar und ihre Hypothekenpapiere von fast 1,8 Bio. US-Dollar auf 1,6 Bio. US-Dollar reduziert hat. Die Fed-Bilanz dürfte im Frühling erstmals seit Ende 2013 wieder Aktiven im Wert von weniger als 4 Bio. US-Dollar umfassen.

Die Notenbanken sind mit ihren Versuchen, sich von der exzessiven Geldpolitik des vergangenen Jahrzehnts zu verabschieden, entweder noch nicht sehr weit fortgeschritten, oder sie haben mit der Wende noch gar nicht richtig angefangen. Und die jetzt verkündete Pause im Normalisierungsprozess ist ein Anzeichen dafür, dass die Versuche einer Rückkehr zur früher üblichen Zinssteuerung bereits vorzeitig beendet wurden. Eine wachsende Zahl von Finanzmarktakteuren erwartet einen Politikwechsel als Antwort auf drohende vielfältige Krisen, wie eine Rezession, eine neue Finanzkrise oder auch schärfer werdende soziale Spannungen.

Letztlich bedeutet die neueste Entscheidung, dass der Zeitpunkt für eine Normalisierung verpasst wurde. Je stärker die Realwirtschaft von der Wertpapierökonomie abhängig wurde, desto schwieriger wurde es für das Fed, den Kreislauf zu beenden. Wie vorhersehbar wird nun deutlich, dass die Fed sich nicht traut, angesichts des aktuellen Einbruchs der Aktienmärkte und der erhöhten Konjunkturrisken, die Normalisierungspolitik fortzusetzen.

Die Fed hat also in der ersten Ausschusssitzung des Jahres eine Kurskorrektur eingeleitet, die in dieser Schärfe kaum jemand erwartet hatte. Sollte der Zinszyklus also bereits den Höhepunkt erreicht haben, hätten die Notenbanker bei einem Konjunkturabschwung nur begrenzten Handlungsspielraum – sie müssten von dem niedrigen Niveau aus zu einer Zinssenkungspolitik übergehen. Faktisch sind damit die Chancen über eine Steuerung der Kreditpolitik zu einer Stabilisierung Konjunktur zu kommen, erheblich verschlechtert.

Fed-Chef Powell deutete an, dass die amerikanische Notenbank im Falle eines Abschwungs nicht nur die Leitzinsen wieder senken wird, sondern auch ihr laufendes Programm zum Abbau der Bilanzsumme umkehren könnte. Im Klartext heißt dies: Im Falle einer Rezession würde damit nach einer unvollendeten Normalisierung erneut zu einer expansiven Kreditpolitik übergegangen. Der bürgerliche Traum von einer grundlegenden Sanierung des Banken- und globalen Finanzsystem wäre damit endgültig verflogen. Die US-Notenbanker mögen nicht von Trump zur Umkehr veranlasst worden sein, faktisch hat sich aber die Politik von Trump durchgesetzt: Weil die US-Wirtschaft den »Doppelschlag« der Verknappung der Geldbasis durch das Einstellen der quantitativen Lockerung bei gleichzeitig steigenden Zinsen angesichts einer sich abzeichnenden Akkumulationsschwäche nicht verkraften könne, hat die Notenbank den Kurswechsel eingeleitet.

Zurück