16. Juni 2019 Joachim Bischoff: Trumps Spionage-Phobie beschädigt Wertschöpfungsketten

»Nationaler Notstand« in der US-Telekommunikation

Um dem angekündigten US-Boykott auszuweichen, arbeitet der chinesische Konzern Huawei an einem eigenen Betriebssystem für Smartphones. Das Unternehmen einschließlich seine Tochtergesellschaften weltweit sind von der US-Regierung auf eine schwarze Liste gesetzt worden.

Deren Geschäftsbeziehungen zu US-Partnern will die US-Administration unter Donald Trump strengen Kontrollen unterziehen. Der US-Präsident hat dazu den Nationalen Notstand in der Telekommunikation erklärt und so den Weg zu den Maßnahmen gegen Huawei freigemacht.

Huawei wird von den US-Behörden verdächtigt, seine unternehmerische Tätigkeit zur Spionage für die Volksrepublik China zu nutzen. Beweise dafür wurden bisher der Öffentlich nicht vorgelegt. Die USA drängen auch andere westliche Länder wie Deutschland, Huawei von den Netzen für den neuen Mobilfunk-Standard 5G fernzuhalten.

Trumps Dekret gibt der Regierung die Möglichkeit, gegen ausländische Anbieter aus der Telekom-Branche vorzugehen und Geschäfte von US-Unternehmen mit Firmen aus »gegnerischen« Staaten zu unterbinden. Das Weiße Haus erklärte, damit wolle man das Land vor »ausländischen Feinden« schützen, die Schwachstellen in der Kommunikationstechnologie ausnutzten. Die Maßnahme sei nicht gegen ein bestimmtes Land oder Unternehmen gerichtet.

Die Fronten im Handelsstreit der USA mit mehreren Handelspartnern sind damit weiter verhärtet. Um das Handels- und Leistungsbilanzdefizit vor allem gegenüber China zu verringern, erheben die USA inzwischen Zölle von bis zu 25% auf diverse Produkte aus der Volksrepublik im Handelswert von über 250 Mrd. $. China antwortete auf jede neue Tranche der US-Regierung mit Vergeltungsmaßnahmen und erhebt inzwischen ebenfalls Zölle auf Waren im Wert von über 110 Mrd. $.

Bei dem politisch motivierten Frontalangriff auf Huawei geht es einerseits um die Smartphone-Produktion, das Unternehmen ist Chinas größter Hersteller. Anderseits ist der Konzern eben auch ein führender Weltmarktanbieter für Netzwerkausrüstungen. Mehrere Länder wie Australien, Neuseeland und Japan haben inzwischen angekündigt, auf Produkte von Huawei beim Ausbau ihrer Mobilfunknetze verzichten zu wollen.

Die USA zielen mit ihrer Politik darauf ab, ein eigenen nationales 5G-Netz zu entwickeln, das gegenüber chinesischer Spionage geschützt sei. Bei 5G handelt es sich um den Mobilfunkstandard, der die Basis für autonomes Fahren, das Internet der Dinge oder die virtuelle Realität legen wird. In diesem Zusammenhang ist auch das Veto von Trump vom März dieses Jahres gegen den Verkauf des amerikanischen Chipherstellers Qualcomm für 117 Mrd. $ an den in Singapur beheimateten Konzern Broadcom zu sehen. Qualcomm spielt bei der Entwicklung von 5G eine zentrale Rolle, und das Weiße Haus wollte durch das Veto das Know-how im Land halten.

Die Sanktionsmacht der USA, verstärkt durch die Stärke des Dollars als Weltwährung, zeigt Wirkung: US-Zulieferer von Huawei wie die Chiphersteller Intel, Qualcomm, Xilinx und Broadcom haben begonnen, ihre Geschäftsbeziehungen zu reduzieren. Und Alphabet, die Konzernmutter von Google, hat die Nutzung der Android-Software durch Huawei eingeschränkt. Auch der deutsche Chip-Produzent Infineon gab bekannt, einige in den USA hergestellte Komponenten nicht mehr an Huawei zu liefern.

All diese Maßnahmen stellen eine massive Blockade der Wachstumsaussichten des chinesischen Konzerns für die Verbreitung von Huawei-Smartphones und seiner Rolle in der Netzwerktechnologie dar. Das chinesische Unternehmen ist mit seinen Smartphones, die das von Google entwickelte Betriebssystem Android nutzen, in den vergangenen Jahren weltweit immer populärer geworden. Zusammen mit anderen chinesischen Anbietern wie Oppo, Vivo und Xiaomi hat Huawei die einstigen Platzhirsche Samsung und Apple in Bedrängnis gebracht.

Die chinesischen Smartphone-Hersteller haben zunächst in der Heimat Marktanteile gewonnen, bevor sie ins Ausland expandierten und damit auch Apple in Bedrängnis brachten. Die Amerikaner haben den Nimbus der Unantastbarkeit verloren, weil sie keine wirklich neuen Produkte mehr auf den Markt brachten, mit denen sie sich von der Konkurrenz hätten abheben können. Und auch in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis hat Apple inzwischen einen schweren Stand.

Im Grunde geht es bei Erwägungen der Trump-Administration, noch weitere Unternehmen auf die Blacklist zu setzen, darum, die globale technologische Vorherrschaft zu verteidigen und den Druck z.B. auf Apple zu erhöhen, damit die Produktion von iPhones in die Vereinigten Staaten verlegen wird. Die Drohung, neue Zölle in Höhe von 25% für weitere Produkte aus China zu erheben, bezieht sich auch auf iPhones und iPads.

Obwohl Trump in seinen Twitter-Tweets behauptet, dass China die Zölle tragen müsste, sind es in Wirklichkeit US-Firmen, die die Kosten zu tragen haben, die sie an ihre Kunden weitergeben könnten, was z.B. eine Erhöhung des Verkaufspreises von bis zu 160 Dollar pro Gerät verursachen könnte. Zudem würde Apple viel Zeit brauchen, um die Produktion aus China in die USA zu verlagern.

Sowohl die Smartphones von Apple als auch andere Geräte sollten – so Trumps Vorstellung – wenn schon nicht in den USA dann künftig vorwiegend in Malaysia und teils ebenfalls in Taiwan hergestellt werden. Google und Foxconn hatten in den letzten Jahren sowieso schon an den alternativen Standorten investiert und Kapazitäten aufgebaut. Diese reichen allerdings bei weitem nicht aus, um Googles komplette Produktion zu übernehmen, zumal auch andere Hersteller wegen der Strafzoll-Politik des US-Präsidenten eine Verlagerung anstreben. Insofern haben zahlreiche Chefs von US-Konzernen in einem Protestbrief an Donald Trump angemahnt, die Spirale immer neuer Zölle zu stoppen und wieder mit Peking zu verhandeln.

Trumps Strafzölle und Attacken gegen den chinesischen Huawei-Konzern schaden nicht nur direkt die heimischen Hersteller in nicht zu unterschätzendem Maße. Sie verhindern auch nicht den Abfluss von Technologien und Knowhow an chinesische Unternehmen. So würde etwa Foxconn auch in Zukunft weiterhin fleißig für westliche Firmen produzieren und dadurch Zugang zu deren Wissen bekommen, selbst wenn die Fertigungsstraßen in anderen Ländern als China stehen würden.

Der Schaden der Trumpschen-Strafzoll-Attacken für die Weltwirtschaft ist erheblich. Durch Zölle und weitere Handelsbarrieren werden internationale Wertschöpfungsketten empfindlich gestört, die auf möglichst offene Grenzen angewiesen sind. Die Weltwirtschaft ist heute um globale Wertschöpfungsketten herum strukturiert, die eine immer größere Rolle im internationalen Handel und in der Beschäftigung einnehmen.

Diese globalen Wertschöpfungsketten haben den Welthandel grundlegend verändert, die Vernetzung von Volkswirtschaften verstärkt und zu einer Spezialisierung geführt. Über 70% des weltweiten Handels bestehen aus Zwischengütern, Dienstleistungen und Kapitalgütern. Globale Wertschöpfungsketten verbinden Unternehmen, Arbeitnehmer und Konsumenten über den gesamten Globus und bieten Menschen – in welch unzureichenden und widersprüchlichen Konstellation auch immer – die Chance, an wirtschaftlichen Aktivitäten und gesellschaftlicher Reichtumsproduktion teilzunehmen.

Derzeit sind laut OECD 70% des internationalen Handels für die Produktion in globalen Wertschöpfungsketten bestimmt. Dienstleistungen, Rohstoffe, Vorprodukte und Komponenten werden in der Regel mehrfach über Grenzen hinweg ausgetauscht, bevor sie in ein Endprodukt einfließen, das dann in alle Welt transportiert wird. Der traditionelle Handel von Gütern, die nur in einem Land hergestellt und dann exportiert werden, beträgt nur noch 30% des Gesamthandels.

Der Welthandel hatte bereits vor Trumps Amtsantritt gelitten. Seit 2011 ist der Handel in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP) rückläufig. Neben den protektionistischen Tendenzen ist dies ein weiterer Grund für die Stagnation der globalen Wertschöpfungsketten. Hinzu kommt die Angleichung der Kosten für die Lohnarbeit, was wegen der Verringerung der Gewinnmargen der Unternehmen die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsprozesse wenig attraktiver macht. Lange Zeit nutzten internationale Unternehmen niedrigere Arbeitslöhne in bestimmten Regionen der Welt. Die Löhne in den Fertigungsbereichen etwa in China, Mexiko oder Ostmitteleuropa sind im Verlauf der Zeit jedoch gestiegen. Der große Unterschied, den es noch gibt, liegt bei den Dienstleistungen.

Der US-Präsident Donald Trump versucht, mit der Handelspolitik seiner Regierung eine Re-Industrialisierung für sein Land durchzusetzen, was die internationale Ökonomie schon jetzt erheblich belastet. Strafzölle und die Zerstörung von Wertschöpfungsketten sind keine Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts.

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