28. Januar 2021 Joachim Bischoff: Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie

Perspektiven der Ökonomie hierzulande und weltweit

Der gesamte Euroraum muss für das Jahr 2020 einen massiven Einbruch der Wirtschaftsleistung um 7,2% verarbeiten. Mittlerweile sehen Experten einen deutlichen Wiederanstieg (+4,3%), allerdings ist dies keine vollumfängliche Erholung.

Zudem ist die Corona-Pandemie keineswegs unter Kontrolle und erst für die zweite Jahreshälfte ist mit den Auswirkungen der allmählich einsetzenden Impf-Welle zu rechnen. Der kürzeste und mittelfristig erfolgreichste Weg zur Überwindung der Pandemie liegt im Durchimpfen der Bevölkerungen. Solange im Laufe des Jahres 2021 auf diesem Terrain nicht signifikante Fortschritte verzeichnet werden, können auch die gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesse nicht in die gewohnte Kontinuität zurückgebracht werden. Die aktuelle Zwischenbilanz zum Zustand der Globalökonomie zeichnet ein höchst widersprüchliches Bild.

Auch die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland wurde im zurückliegenden Jahr 2020 stark durch die Beschränkungen infolge der Pandemie geprägt. Laut der Schätzung des Statistischen Bundesamts ist die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 5,0% geschrumpft. Nur 2009 war die Leistung der Wirtschaft noch massiver zurückgegangen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank damals um 5,7%.

Dieser Rückgang im Pandemie-Jahr 2020 zeigt sich – so die Analysen des Internationalen Währungsfonds (IWF) – auch in der Globalökonomie insgesamt. Die Weltwirtschaft ist 2020 um 3,5% geschrumpft, was die gravierendenste globale Kontraktion der Wirtschaftsprozesse in Friedenszeiten seit den 1930er Jahren ist.

In der zweiten Jahreshälfte 2020 setzte jedoch in verschiedenen Regionen der Weltwirtschaft ein Erholungsprozess ein. Gleichwohl kann nicht von einer gleichförmigen Wiederbelebung der gesellschaftlichen Reproduktionsprozesse gesprochen werden. Die wirtschaftliche Erholung verlief alles andere als einheitlich. Zum einen waren das Ausmaß und die Dauer des Pandemiegeschehens höchst unterschiedlich und damit die aufzuholenden Schrumpfungen. Andererseits fielen auch die staatlichen Gegenmaßnahmen und Hilfsprogramme sehr unterschiedlich aus.

Weil sich die Industrieländer umfangreichere Stützungsmaßnahmen leisten können und beim Impfen rascher vorankommen, stehen sie vergleichsweise besser da als die Schwellen- und Entwicklungsländer. Insbesondere die stark auf Rohstoffexporte ausgerichteten Ökonomien und die vom Tourismus abhängigen Volkswirtschaften stehen vor besonders schwierigen Bedingungen für eine langsame Normalisierung beim grenzüberschreitenden Reisen und bei den Rohstoffpreisen.

Für 2021 erwartet der IWF ein Wirtschaftswachstum der Globalökonomie von 5,5%. In der zweiten Jahreshälfte 2020 habe sich trotz einiger weiterer Einschränkungen in einigen Nationalstaaten Regionen übergreifend eine größere Dynamik in der Erholung der gesellschaftlichen Akkumulation gezeigt. Schub verleihen der Weltwirtschaft auch die zusätzlichen Hilfspakete, wie sie etwa in den USA oder in Japan noch Ende 2020 beschlossen wurden.

Gita Gopinath, Ökonomin beim IWF, stellte fest, dass das Pro-Kopf-Einkommen in über 150 Volkswirtschaften in diesem Jahr unter dem Niveau von 2019 verharren wird. 2022 dürfte das noch in 110 Ländern der Fall sein. China ist vor allen anderen großen Volkswirtschaften bereits im vierten Quartal 2020 auf das Vorkrisenniveau zurückgekehrt. Die USA dürften dieses Jahr folgen, mit deutlichem Vorsprung auf die Euro-Zone.

Die wirtschaftliche Konvergenz der vergangenen zehn Jahre ist mindestens vorübergehend gestoppt. Laut dem IWF geraten über 50% der Schwellen- und Entwicklungsländer, die sich von 2010 bis 2020 im Aufholprozess befanden, in der Periode von 2020 bis 2022 wieder ins Hintertreffen. Das äußert sich auch darin, dass von 2020 bis 2021 gegen 90 Mio. Menschen unter die Schwelle extremer Armut fallen dürften.

Die aggregierte Wachstumsrate der Globalökonomie sollte nicht dazu führen, die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zu übersehen. Dies gilt nicht nur bei der Betrachtung der wachsenden Kluft zwischen kapitalistischen Hauptländern und den Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch der unterschiedlichen Entwicklungen der wirtschaftlichen Leistungen der Hauptländer selbst. Selbst in Europa fallen die Unterschiede krass aus.

Vor allem in Europa haben die wegen des Wiederaufflammens der Pandemie zum Jahresende 2020 erneut ergriffenen und verschärfte Shutdown-Maßnahmen eine deutliche Abschwächung im Erholungsprozess ausgelöst. Die kapitalistischen Hauptländer wurden insgesamt durch die erneute Zunahme von Corona-Infektionen im vierten Quartal in ihren Erholungsprozessen zurückgeworfen. Auch in Deutschland lässt ein erneuter Lockdown die Produktion zum Jahresende zurückgehen. Sobald die Infektionsschutzmaßnahmen gelockert werden, dürfte die Erholung zunächst nur langsam in Gang kommen.

Deutschland steht allerdings im Vergleich zu Frankreich, Italien oder Spanien deutlich besser da. Angesichts wesentlich schärferer und längerer Einschränkungsmaßnahmen wird die Wirtschaftsleistung in diesen drei Ländern 2020 annähernd im zweistelligen prozentualen Bereich einbrechen. Für die Berliner Republik dürften die ökonomischen Folgen der Corona-Krise weniger drastisch ausfallen als für andere Länder der Eurozone.

Das IMK rechnet für das turbulente Jahr 2020 mit einer Schrumpfung der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 5%. Zu Recht betonen die Ökonomen: »Die schnelle Reaktion der Wirtschaftspolitik auf deutscher und europäischer Ebene verhinderte einen noch viel stärkeren Rückgang. Die Europäische Zentralbank (EZB) stabilisierte zügig die Finanzmärkte und die Kreditvergabe und die anderen EU-Institutionen trugen mit weitreichenden Stützungsmaßnahmen zur Stabilisierung bei. In Deutschland reichten die Stützungsmaßnahmen von Bürgschaften, Garantien, Liquiditätshilfen und Übernahmen bis zum 130 Mrd. Euro schweren Konjunkturprogramm und der bewährten Kurzarbeitergeldregelung.«[1]

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im vierten Quartal 2020 zurückgegangen, aber auch im ersten Quartal 2021 wird das gesamtwirtschaftliche Ergebnis negativ bleiben. Auch Bundesregierung und Bundesbank rechneten mit einem Einbruch von 5,5% für 2020. Deutlich zurückhaltender als im Herbst fallen die Prognosen für 2021 aus: Ca. 3% werden der bundesdeutschen Wirtschaft angesichts des erneuten harten Lockdowns zugetraut.

Das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geht angesichts des neuerlichen Lockdowns zum Jahresende 2020 von einem Stopp der konjunkturellen Erholung aus. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Schlussquartal wohl wieder geschrumpft sein. Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2020 ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um 5,1%. Für den weiteren Prognosezeitraum wurde unterstellt, dass die seit November geltenden Infektionsschutzmaßnahmen unverändert bis März 2021 in Kraft bleiben und danach allmählich gelockert werden. Vor diesem Hintergrund wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 um voraussichtlich 4,2% steigen.

Ähnlich fällt der Jahresausblick 2021 der KfW Research aus: »Angesichts der Aussicht auf bald verfügbare, wirksame Covid19-Impfstoffe stehen die Chancen gut, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr die Folgen der Corona-Pandemie überwindet. Zuvor steht uns jedoch ein harter Winter bevor. Mit der Rückkehr des öffentlichen und sozialen Lebens ab dem kommenden Frühling dürfte es zu einem Wachstumsschub kommen. KfW Research erwartet für 2021 ein Wirtschaftswachstum von rund 4% nach einem Rückgang von 5,3% im laufenden Jahr. Bis Ende 2021 kann das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden.«

Für die Weltwirtschaft erwartet das IMK für das Jahr 2021 eine deutliche Erholung. Die Normalisierung des Wirtschaftslebens insgesamt hängt an der Bereitstellung eines umfassenden und nachhaltigen Schutzes der Bevölkerung vor Neuinfektionen. Die vielversprechenden Nachrichten über den anstehenden flächendeckenden Einsatz von Impfstoffen lassen eine Rückkehr im Laufe des Jahres 2021 erwarten. In China und anderen Teilen Asiens wurden die Prä-Corona-Niveaus schon 2020 wieder erreicht. Für die Weltkonjunktur kann für das zweite Quartal 2021 mit einer Normalisierung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses gerechnet werden. Auch die gesamtwirtschaftliche Produktion in den USA dürfte sich weiter erholen und 2021 um 3,2% zulegen. Der Welthandel dürfte nach dem Einbruch in 2020 (-10,9%) um 9,3% zunehmen.

Die Wirtschaft in der Währungsunion war zwar im dritten Quartal im Rekordtempo gewachsen. Aber angesichts der Lockdowns in vielen Ländern haben sich die Konjunkturperspektiven wieder eingetrübt. Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung in der Eurozone Ende 2020 geschrumpft ist und die Pandemie-Folgen auch die Konjunktur zum Auftakt des laufenden Jahres belasten.

Trotz dieser partiellen Rückschläge in den kapitalistischen Hauptländern zeigen sich die Ökonomen des IWF optimistischer für den Wirtschaftsprozess als bisher. Mit dem prognostizierten Wachstum der Weltwirtschaft für 2021 von 5,5% sind die Rückschläge keineswegs verarbeitet. Aber zu Recht verweisen die IWF-Ökonomen auf die positiven Wirkungen der anlaufenden Impfkampagnen und die zusätzlich beschlossenen Hilfsprogramme in den USA, Japan und Europa. Der Einbruch der Weltwirtschaft 2020 mit einem geschätzten Minus von 3,5% sei zudem nicht so schlimm ausgefallen, wie in den letzten Prognosen befürchtet.

Nach der IWF-Chefökonomin Gita Gopinath würden die USA dieses Jahr das Vorkrisenniveau wieder erreichen und damit vor der Euro-Zone. Diese hinke deutlich hinterher, die Euro-Länder würden 2021 um 4,2% wachsen, 2022 um 3,6%. Bei aller Widersprüchlichkeit ist dies eine realistische Einschätzung und der optimistische Ausblick sollte Anlass sein, auch die nächsten großen Aufgaben wie den Klimawandel und die überfällige Transformation der gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses anzugehen.

Anmerkung

[1] Sebastian Dullien/Alexander Herzog-Stein/Peter Hohlfeld/Katja Rietzler/Sabine Stephan/Silke Tober/Sebastian Watzka: Erholung setzt sich nach Dämpfer fort. Die konjunkturelle Lage in Deutschland zur Jahreswende 2020/2021, IMK-Report 163, Dezember 2020.

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