7. April 2021 Redaktion Sozialismus.de: Der IWF-World-Economic-Outlook

Positive Konjunkturaussichten und verschärfte globale Ungleichheit zugleich

IWF-Chefökonomin Gita Gopinath (Foto: dpa)

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognosen zur Entwicklung der Weltwirtschaft deutlich angehoben. Er sieht »Licht am Ende des Tunnels«.

Der IWF erwartet nun ein Wachstum der Weltwirtschaft von 6% im laufenden Jahr, wie aus dem neuen »World Economic Outlook« hervorgeht. Und die IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath äußerte, dass wegen der Pandemie die Prognose zwar noch mit großer Unsicherheit verbunden sei, aber »ein Ausweg aus dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise ist zunehmend sichtbar«.

Dass der IWF seine Prognose angehoben hat, hat verschiedene Gründe. Die schnelle Erholung Chinas wie auch das neue US-Investitionsprogramm bringen die gesamte Weltwirtschaft wieder in einen beschleunigten Akkumulationsmodus. China dürfte dieses Jahr um 8,4% zulegen und hat die Krise aus wirtschaftlicher Sicht bereits 2020 hinter sich gelassen. Die USA können der Prognose zufolge in laufenden Jahr 2021 auch ein Wirtschaftswachstum von 6,4% erwarten, das deutlich über dem Niveau der Vor-Corona-Zeiten liegt.

Die USA sei das einzige große Industrieland, in welchem die Wirtschaftsleistung bald wieder das Vorkrisenniveau erreichen und übertreffen wird. Zudem habe sich die globale Industrie inzwischen gut auf Pandemie-Bedingungen eingestellt und läuft einigermaßen reibungslos. Außerdem ist Licht am Ende des Tunnels sichtbarer, weil immer mehr Menschen geimpft werden.

Das Impfen sei der Weg aus der Krise, unterstrich auch Gita Gopinath. Eine noch stärkere Erholung sei bei schnelleren Fortschritten denkbar, allerdings auch eine längere Krise, sollten sich Virusvarianten herausbilden, gegen die die Vakzine nicht wirkten. Grundsätzlich hätten ärmere Länder weniger Impfstoffe und könnten auch der Wirtschaft nur begrenzt Hilfen zur Verfügung stellen. Auf internationaler Ebene gehe es deswegen nun vor allem um eine faire Verteilung der Impfstoffe. »Während einige Länder bis zum Sommer große Teile der Bevölkerung geimpft haben werden, werden die meisten, vor allem arme Länder, wahrscheinlich bis Ende 2022 warten müssen.«

Ohne umfangreiche Hilfen von Regierungen und Notenbanken hätte laut IWF 2020 der Konjunktureinbruch noch deutlich schlimmer, in etwa drei Mal so heftig ausfallen können. Dank der beispiellosen Hilfen in Höhe von etwa 16 Billionen Dollar dürften die Wunden nicht so schlimm sein wie nach der globalen Finanzkrise von 2008. Das gelte allerdings nicht für jedes Land. Die Ungleichheit habe sich verschärft. Besonders negativ seien davon Frauen, Junge und Menschen mit geringer Bildung betroffen.

Die nachholende Konjunkturbewegung könne allerdings nicht ohne weiteres fortgeschrieben werden: Mittelfristig rechnet der IWF mit einem moderaten Wachstum der Weltwirtschaft von 3,3%. Für Deutschland, das bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, geht der  IWF für 2021 von einem Wachstum von 3,6% aus und für 2022 dann von 3,4%. Das sind 0,1 beziehungsweise 0,3 Punkte mehr als noch im Januar prognostiziert.

Doch die Freude über die wirtschaftliche Erholung ist aus Sicht des Währungsfonds nicht ungetrübt, denn die globalen Unterschiede sind gefährlich groß. Tempo und Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung sind global höchst unterschiedlich verteilt – und die langfristigen Folgen erst recht. Zu den vielen Schäden, die Corona hervorgerufen hat, kommt nun auch noch eine wachsende ökonomische Spaltung der Welt hinzu.

Während China bereits wieder das Wachstumsniveau aus Vor-Corona-Zeiten erreicht hat, erwartet der IWF das für die USA noch im laufenden Jahr. Europa hingegen dürfte erst 2022 wirtschaftlich wieder dort stehen, wo es vor Pandemiebeginn war. Für die Euro-Zone soll das Plus mit 4,4% deutlich bescheidener ausfallen als für China oder die USA. Und viele ärmere Länder werden erst 2023 das alte Wirtschaftsniveau erreichen.

Hinzu kommen Unterschiede innerhalb der Staaten. Während reichere Bevölkerungsgruppen relativ glimpflich durch die Krise kämen, seien ärmere Gruppen besonders getroffen: »Die Erholung ist zwischen und innerhalb der Länder gefährlich unterschiedlich«, warnte Gita Gopinath. Die Unterschiede kämen durch das Impftempo, die verschieden großen staatlichen Stützungsmaßnahmen sowie die Abhängigkeit vom Tourismus zustande.

Die USA profitieren nicht nur von dem gigantischen Konjunkturprogramm des neuen US-Präsidenten Joe Biden, sondern auch von der schnellen Impfkampagne dort. Deshalb hat der IWF seine Wachstumsprognose für die USA gegenüber Januar um 1,3 Prozentpunkte angehoben, für Deutschland bleibt die Schätzung mit einem Plus von 0,1 Prozentpunkten nahezu unverändert.

Das vergleichsweise geringe Wachstum ist aus Sicht der Bundesregierung aber kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke. Schon lange verweisen Regierungsvertreter darauf, dass die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Staaten 2020 vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen ist. So fiel etwa der Konjunktureinbruch in Frankreich fast doppelt so hoch aus wie hierzulande. Wegen dieses viel tieferen Einbruchs sei es schlichte ökonomische Logik, dass die Länder jetzt stärker wachsen.

Insgesamt haben die G20-Staaten laut IWF global 16 Billionen US-Dollar für den Kampf gegen die Krise bereitgestellt. »Die Stabilisierungsmaßnahmen der G20 haben gewirkt, sie haben einen viel schlimmeren wirtschaftlichen Verlauf verhindert«, sagt ein deutscher Regierungsvertreter. Allein in diesem Jahr nimmt die Bundesrepublik 240 Milliarden Euro an neuen Schulden auf, so viel wie noch nie. »Das sind Zahlen, die international Freude auslösen«, heißt es in Regierungskreisen. Denn bereits seit vielen Jahren verlangen internationale Organisationen wie IWF oder die OECD und andere Staaten von Deutschland, die Staatsausgaben zu erhöhen, um auch international für mehr Wachstum zu sorgen.

Die Frühjahrsbotschaft des IWF lässt erkennen, dass die massiven Einschränkungen der gesellschaftlichen Reproduktionsprozesse bald der Vergangenheit angehören könnten. Allerdings führen die bisherigen Verluste zu einem deutlichen Rückschlag im Kampf gegen die Armut. Laut der Gita Gopinath sind 2020 weltweit 95 Mio. Menschen zusätzlich in die extreme Armut abgerutscht, abweichend von den Prognosen vor der Pandemie.

Ungleiche Erholungspfade manifestieren sich auch innerhalb der Länder, sei es, weil junge und gering qualifizierte Arbeitskräfte stärker von der Pandemie betroffen sind, sei es, weil insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern die Frauen mehr leiden als Männer. Vorausschauend gibt der IWF zu bedenken, dass die Krise die Digitalisierung und die Automatisierung beschleunigt hat, so dass viele während der Pandemie verlorene Jobs künftig gar nicht wiederbesetzt werden.

Es drohen »gemessen an Vor-Pandemie-Erwartungen deutlich größere Lücken im Lebensstandard zwischen Entwicklungsländern und anderen«, heißt es in dem Report. Alles in allem dürfte der IWF-Prognose zufolge der Einkommensverlust in den ärmeren Ländern pro Kopf 20% des entsprechenden Anteils am Volkseinkommen vor der Pandemie erreichen. Der Fonds geht davon aus, dass bereits 2020 weitere 95 Millionen Menschen in Armut geraten sind und 80 Millionen Menschen mehr als zuvor jetzt unterernährt sind.

Die ärmsten Länder der Welt müssen –so die Prognose – in den nächsten fünf Jahren rund 200 Milliarden Dollar ausgeben, um mit den Folgen der Pandemie fertig zu werden. Weitere 250 Milliarden Dollar seien nötig, um zurück auf den Pfad zu kommen und gegenüber reicheren Staaten den Rückstand auch zu verringern.  Vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer dürften mit »tiefen Narben« aus der globalen Pandemie herauskommen. Die Erholung von der Corona-Krise bleibe eine Herausforderung, besonders für Länder mit begrenzten finanziellen Ressourcen. Staaten, die stark vom Tourismus und körpernahen Dienstleistungen abhingen, seien überdurchschnittlich in Mitleidenschaft gezogen. Als Beispiele nannte der IWF unter anderem die Karibik und viele Inseln im Pazifik.

Der IWF hat zuletzt für 85 Länder neue Finanzierungen im Volumen von über 107 Milliarden Dollar aufgelegt. 29 der ärmsten Staaten wurden zudem Schuldenerleichterungen gewährt. Im Raum steht – nachdem die USA ihren Widerstand dagegen aufgegeben haben – eine Kapitalspritze für den IWF im Umfang von 650 Milliarden Dollar. Deutschland unterstützt das Vorhaben. Nach den Worten eines Regierungsvertreters werde damit gerechnet, dass die Ausschüttung im August über die Bühne gehen werde. 42% der Mittel dürften an besonders arme Länder gehen.

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