18. Mai 2024 Redaktion Sozialismus.de: Wirtschaftskontakte im Mittelpunkt
Putin und Xi betonen Vertiefung der Beziehungen
Beim Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Volksrepublik China haben beide Staaten eine noch engere Zusammenarbeit in verschiedenen Sektoren beschlossen – von Nuklear- und Energiekooperationen über die Lebensmittelversorgung bis hin zu chinesischer Autoproduktion in Russland.
Im Vordergrund des mehrtätigen Besuches, dessen offizieller Anlass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Russland vor 75 Jahren war, standen die im weitesten Sinne wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Xi Jinping stellte bei dem Festakt heraus, dass man die langjährigen Beziehungen vertiefen wolle, wies aber vor allem auch darauf hin, die »tiefen Handelsverbindungen« weiter zu entwickelten und sprach die Steuerung »der globalen Ordnung in die richtige Richtung« an.
Russland hatte zuvor eine Liste veröffentlicht, der zufolge auch bei der Infrastruktur und dem Ingenieurbau eine engere Zusammenarbeit geplant – ebenso zwischen den staatlichen Nachrichtenagenturen Tass und Xinhua. Xi bezeichnete die Beziehungen der beiden Länder als »Win-win-Kooperation« – und hob die ausgebauten Wirtschaftsbeziehungen hervor. Sie hätten »das höchste Niveau aller Zeiten« erreicht und würden »trotz der schwierigen globalen Situation« immer stärker.
Wirtschaftskontakte standen im Vordergrund
In der Tat ist die Volksrepublik in den letzten beiden Jahren zum wichtigsten Handelspartner Russlands geworden. Das bilaterale Handelsvolumen betrug im Jahr 2023 insgesamt 240 Milliarden US-Dollar und lag damit um 26% höher als 2022, wie sowohl Putin als auch Xi bei ihrem Treffen am Donnerstag in Beijing unterstrichen.
Allerdings stellt sich das für beide Länder unterschiedlich dar: Während die chinesischen Exporte nach Russland zwar deutlich stärker gewachsen sind als in andere Länder, verkaufen chinesische Unternehmen laut einem Bericht der FAZ vom 17.5. etwa genau so viel nach Russland wie in die Niederlande und sogar mehr nach Vietnam.
Dagegen ist die Volksrepublik als Abnehmer für russische Rohstoffe ungleich wichtiger geworden. Im Jahr 2023 kamen 19% aller chinesischen Öl-Importe aus Russland. Durch den stark gestiegenen bilateralen Handel versorgt die Volksrepublik zudem Moskau mit dringend benötigtem Geld. Auch kriegsrelevante Güter, sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich genutzt werden können, gelangen aus China nach Russland.
Xi und Putin haben ein gemeinsames Papier mit dem etwas sperrigen Titel »Erklärung über die Vertiefung der gemeinsamen strategischen und umfassenden Partnerschaft für eine neue Ära« beschlossen. Gemäß dem auf der Website des Kreml veröffentlichten Text wollen die beiden Länder künftig auf zahlreichen Feldern enger kooperieren, unter anderem beim Urheberrechtsschutz, bei der Erforschung des Weltraums, bei der Strafverfolgung und beim Umweltschutz. Außerdem soll der bilaterale Handel ausgeweitet werden.
Zudem schlossen China und Russland elf bilaterale Abkommen, unter anderem zur Zusammenarbeit zwischen den Medien der beiden Länder und zum Ausbau der Infrastruktur in Russland. Auch in der Automobilindustrie, bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und im Energiesektor, einschließlich der Nutzung der Atomkraft, wolle man enger zusammenarbeiten.
Putin traf ebenfalls mit Chinas Regierungschef Li Qiang zusammen, der als zweiter Mann hinter Xi für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verantwortlich ist. Während der Verhandlungen würden die Themen Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Priorität haben, zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax Putins Berater Juri Uschakow.
Auch Größe und Zusammensetzung der russischen Delegation machen deutlich, dass Wirtschaftsfragen im Fokus standen, was natürlich auch Verteidigungsfragen einschließt. Auf seiner Reise begleiteten Putin diverse Mitglieder seiner neuen Regierung, unter anderem der neue Verteidigungsminister Andrei Beloussow, der zuvor in seiner Funktion als Erster Stellvertretender Ministerpräsident der leitende Vertreter Russlands in einer gemeinsamen Investitionskommission beider Länder war.
Die Beziehungen beider Länder und der Ukraine-Krieg
Schon vor Beginn des Besuches hatte Xi den chinesischen Staatsmedien gesagt, China werde Russland immer ein guter Nachbar, Freund und Partner sein. Die Beziehungen seien hart erarbeitet worden und sollten von beiden Seiten gepflegt werden. Xi versprach außerdem, mit Putin zusammenzuarbeiten, um ihre jeweiligen Länder zu »verjüngen«.
Putin hatte kurz vor seiner Ankunft in einem Interview mit Chinas amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua gesagt, der Kreml sei zu Verhandlungen über den Konflikt in der Ukraine bereit. »Wir sind offen für einen Dialog über die Ukraine, aber solche Verhandlungen müssen die Interessen aller Länder berücksichtigen, die in den Konflikt involviert sind, einschließlich unserer«, zitierte Xinhua den russischen Präsidenten. Verhandlungen seien von russischer Seite nie abgelehnt worden.
Über die Ukraine sprachen Xi und Putin dann auch. Xi sagte, man sei sich mit Russland einig, dass eine politische Lösung die »richtige Richtung« sei: »Beide Seiten sehen eine politische Einigung als den richtigen Weg, um die Ukraine-Krise zu lösen.« China hoffe, dass Frieden und Stabilität in Europa bald wieder hergestellt seien. Seine Regierung sei bereit, eine konstruktive Rolle zu spielen. Allerdings stärkt China Russland im UN-Sicherheitsrat den Rücken.
Putin dankte China für Initiativen, die zur Lösung des Konflikts in der Ukraine beitragen würden. Die Chinesen hatten vor mehr als einem Jahr dazu bereits einen Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt. Allerdings blieben die Vorschläge vage und stießen deshalb auf internationale Kritik.
Das Treffen der beiden Staatsoberhäupter beschrieb der russische Präsident als »warmherzig und kameradschaftlich«. Es sei von grundlegender Bedeutung, dass die Beziehungen zwischen Russland und China »nicht opportunistisch sind und sich nicht gegen irgendjemanden richten«. Stattdessen sei die Zusammenarbeit »einer der wichtigsten stabilisierenden Faktoren auf der internationalen Bühne«.
Gleichwohl ist nicht zu übersehen: Die USA tragen mit ihrer konfrontativen Politik gegenüber China dazu bei, dass die Allianz zwischen Russland und der Volksrepublik stabil wächst. Die Zusammenarbeit beider Länder ist auch geprägt durch den Krieg gegen die Ukraine und die wirtschaftliche Isolation Russlands im Westen. Dessen Wirtschaft ist durch die westlichen Sanktionen unter Druck, das Wachstum der vergangenen beiden Jahre dürfte sich Prognosen zufolge bereits abschwächen. Das Land ist immer stärker angewiesen auf die enge Zusammenarbeit mit China.
Mittlerweile erhöhen etwa die USA den Druck auf China, um indirekt auf Russland wegen der Lieferung der erwähnten Dual-Use-Güter einzuwirken. Und der Druck macht es beispielsweise chinesischen Banken zunehmend schwer, Geschäfte mit russischen Unternehmen abzuwickeln. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sanken Chinas Exporte nach Russland im März um 15,7% und im April um 13,5%.
Russlands Rolle als Atommacht sehen die Chinesen kritisch
Ein anderes Problem dürfte nicht angesprochen worden sein, aber im Hintergrund – neben Chinas Sorge, selbst von den westlichen Sanktionen noch stärker betroffen zu sein – eine Rolle gespielt haben. Die Volksrepublik ist misstrauisch angesichts des atomaren Potenzials Moskaus und hat den Einsatz von Atomwaffen im Ukrainekrieg in der Vergangenheit als rote Linie beschrieben, die nicht überschritten werden dürfe.
Außerdem wirbt die Führung um Xi derzeit verstärkt um ausländische, vor allem westliche Investitionen. Einen zu engen Schulterschluss mit Moskau, womöglich mit direkten Waffenlieferungen, sieht deshalb die chinesische Führung kritisch. Während Russland völlig rücksichtslos vorgehen kann, weil es in den Beziehungen zum Westen nicht mehr viel zu verlieren hat, will China auf die Absatzmärkte in den USA und Europa Rücksicht nehmen.
Auch im Umgang mit Chinas Nachbarland Nordkorea haben beide Staaten unterschiedliche Interessen. Das auch für die chinesische Führung unkontrollierbare Regime in Pjöngjang gewinnt durch eine engere Kooperation mit Russland Autonomie und neue Stärke für den Ausbau des eigenen Atomprogramms, das China wiederum begrenzen will. Die USA und Südkorea sprechen von Waffenlieferungen im großen Stil, die Russland und Nordkorea miteinander betreiben. Für die neu »vertiefte« chinesisch-russische Freundschaft birgt die neue Nähe zwischen Moskau und Pjöngjang jedenfalls Konfliktpotenzial.