10. Januar 2017 Otto König /Richard Detje: Trojanische Pferde allerorten im Netz

Putins Cyber-War?

Seit fast drei Jahren versucht der NSA-Untersuchungsausschuss (NSAUA) des Bundestages, die Spionage von ausländischen Geheimdiensten in Deutschland aufzuklären. Auf die politische Agenda kam das Thema im Sommer 2013 durch die Enthüllungen von Edward Snowden über die Massenüberwachung durch die National Security Agency (NSA).

Seitdem ist bekannt, dass die NSA ohne jegliche Verdachtsmomente sämtliche telefonische Verbindungsdaten in den USA speichert, die globale Internet-Kommunikation – auch von europäischen Regierungen – mit dem Spähprogramm PRISM abschöpft und US-Geheimdienstmitarbeiter weltweit mehr als 61.000 »Hacker«-Aktionen durchgeführt haben.

Die Ausarbeitung von geheimdienstlichen Bedrohungsszenarien hat Tradition. Den Höhepunkt bildeten kriminelle »Fake-News« von Saddam Husseins angeblichen Massenvernichtungswaffen, um den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Irak zu rechtfertigen.[1] Der damalige US-Außenminister Colin Powell entschuldigte sich später für seine gezielten Lügen im UNO-Sicherheitsrat zur Herbeiführung des »regime change« in Bagdad.

Im US-Wahlkampf entstand ein neues Narrativ. Der spätere Wahlsieger Donald Trump hatte der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton vorgehalten, 200.000 Dollar für eine Rede bei einer brasilianischen Bank kassiert zu haben – Quelle: Wikileaks. Der Vorgang wäre nicht sonderlich erwähnenswert, war doch bekannt, dass Clinton an der Wallstreet teilweise noch höhere Gagen eingestrichen hatte, was für Trump Beleg für seine populistischen Angriffe auf das korrupte und abgehobene politische Establishment in Washington war.

Ein »Fall« wurde daraus erst, als Clinton Trump als »Marionette Putins« gezeichnete, die sich russischer Hacker bediene. Seitdem laufen US-Geheimdienste[2] zu neuen Höchstleistungen mit Berichten über Putins Trojanische Pferde, die die US-Präsidentschaftswahlen zu Trumps Gunsten beeinflusst haben.

Die jüngste Zuspitzung: Der russische Präsident Wladimir Putin habe 2016 selbst die Kampagne zur Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen angeordnet. Ziele waren, »das Vertrauen der Öffentlichkeit in den demokratischen Prozess der USA zu untergraben, (die ehemalige) Außenministerin Hillary Clinton zu verleumden und ihren Wahlchancen und ihrer potenziellen Präsidentschaft Schaden zuzufügen«, heißt im Geheimdienst-Report »Background to »Assessing Russian Activities and Intentions in Recent US Elections«.[3]

Die gehackten Daten seien vom russischen militärischen Geheimdienst GRU über einen »verschlungenen Weg« zu Wikileaks gelangt. Tatsächlich hatte Wikileaks bereits wenige Tage vor der offiziellen Nominierung Hillary Clintons zur Präsidentschaftskandidatin rund 20.000 Mails führender Parteifunktionäre der Demokraten veröffentlicht, die unter anderem zeigten, wie die Parteiführung der Demokraten gegen den eigenen Kandidaten und Sozialisten Bernie Sanders intrigiert hatten. Der Sprecher der Enthüllungsplattform, Julian Assange, versicherte allerdings, dass die Mails nicht von russischer Seite an Wikileaks übergeben wurden.

Im Kern versuchen die Autoren des Reports darzulegen, auf welche Weise sich der ehemalige Dresdner KGB-Resident in die Wahlen einmischte, wie die Störkampagne organisiert wurde und die russischen Staatsmedien manipulieren. Um ihre Erzählungen glaubwürdig wirken zu lassen, werden abgehörte Glückwünsche russischer Regierungsmitglieder und Geheimdienstmitarbeiter zu ihrem Erfolg bei Trumps Wahl angeführt. Doch es gibt, wie die US-Dienste in ihrem Dokument selbst betonen, keine »smoking gun«, also keinen eindeutigen Beweis, dass russische Hacker mit Wissen oder im Auftrag hochrangiger russischer Politiker hinter den Angriffen auf die Demokraten stecken.

Auf dem Jahreskongress des Chaos Computer Club (CCC) in Hamburg löste das direkte Zuschreiben konkreter Angriffe an die russische Adresse Skepsis aus. In Hackerkreisen weiß man sehr wohl, wie schwer es ist, den Nachweis zu führen, aus welchem Land und von welcher Gruppe ein Angriff ausgeführt wurde.[4] Einer der Sprecher des CCC, Frank Rieger, wies darauf hin, dass sich die Hacker aus gutem Grund für alle staatlichen Angreifer interessieren würden: »Wir sehen, dass ein Großteil der Risiken von staatlichen Akteuren kommt, egal, ob das Russen, Chinesen, Amerikaner oder arabische Diktatoren sind.« Früher sei der Verdacht schnell auf die Chinesen gefallen, nun falle er auf die Russen (SPON, 29.12.2016).

Russland, so wird gewarnt, werde auch weiterhin mit Cyberoperationen die USA angreifen, um Beeinflussungsoperationen für militärische und politische Zwecke ausführen sowie den Cyberraum für künftige Krisen vorzubereiten. Doch dies trifft nicht nur auf Russland zu, solche Aktivitäten betreiben die USA ebenso wie andere Staaten mit größeren Geheimdiensten und Cyberkommandos. Hervorgehoben wird natürlich, dass diese für »wirksame Optionen für operationelle Cyberreaktionen auf Bedrohungen von US-Interessen« gesorgt haben, weshalb es wichtig sei, die finanziellen Mittel und die Befugnisse zu haben, um damit erfolgreich zu sein.

Die US-amerikanischen Geheimdienste warnen zudem vor Beeinflussungsversuchen Russlands bei den anstehenden Wahlprozessen ihrer Verbündeten im Jahr 2017. In die gleiche Richtung zielt die Resolution »Strategische[n] Kommunikation der EU«, die vom Europäischen Parlament Ende November 2016 verabschiedet wurde. Auch darin wird Russland des »Informationskriegs« bezichtigt, in dem behauptet wird, »die russische Regierung (setze) in aggressiver Weise eine große Bandbreite an Werkzeugen und Instrumenten ein«, um »die demokratischen Werte infrage zu stellen und Europa zu spalten«.

Auch in Deutschland fürchtet man quer durch die Parteien »Hacking und Desinformation« mit dem Ziel, den Bundestagswahlkampf 2017 zu beeinflussen. Nicht nur die Chefs der deutschen Geheimdienste warnen vor Russlands Hackern, auch BILD warnt vor einem »hybriden Großangriff auf die Wahrnehmung der Deutschen«. Die Einflussnahme des Kreml ziele darauf ab, grundlegende Kritik am deutschen Staat zu fördern, und diejenigen »EU- und Nato-feindlichen Kandidaten zu fördern, die sich für eine weitere Abrüstung Europas einsetzten, die außerdem die EU zerstören möchten und überzeugt für eine Versöhnung Deutschlands mit Putins Russland plädieren«.

Grund genug für die Bundesregierung, ein »Abwehrzentrum gegen Desinformation« im Bundeskanzleramt als Damm gegen die Flutwelle von »Fake News« einzurichten. Alles im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, damit wir nicht eines Morgens im Herbst 2017 aufwachen und feststellen, dass uns jetzt der Kreml regiert? Würde die Bundesregierung der Demokratie einen Gefallen tun wollen, sollte sie damit beginnen, Geheimdienst- und Verfassungsschutzberichte ungeschwärzt vorzulegen, damit Untersuchungsausschüsse (zu NSU) und Gerichte (zu den Spitzeln im NSU-Umfeld) endlich ihre Arbeit tun können.

[1] Vgl. Otto König/Richard Detje: Der Chilcot-Bericht zum Irakkrieg 2003. »Schuldspruch ohne Konsequenz«, Sozialismus Aktuell 25. Juli 2016.
[2] Die USA leisten sich einen riesigen Geheimdienstkomplex mit 17 Geheimdiensten, deren Budget 53 Milliarden Dollar im Jahr 2016 betrug. Dazu kommen die militärischen Geheimdienste, die fast 20 Mrd. Dollar erhalten haben. Allein die NSA soll um die 40.000 Angestellte haben.
[3] Office of the Director of National Intelligence: Background to Assessing Russian Activities and Intentions in Recent US Elections: The Analytic Process and Cyber Incident Attribution, 6.1.2017. Der für die Öffentlichkeit freigegebene Text umfasst fünf Seiten plus 20 Seiten Anhang. In dieser Berichtsfassung gibt es keine Quellhinweise oder sonstige Belege.
[4] Aus kritischen Internetsicherheitskreisen ist zu hören, dass auffällig ist, dass viele Spekulationen, die auf russische Hacker hinweisen, von IT-Sicherheitsunternehmen wie u.a. von Kaspersky Lab kommen, deren Geschäftsmodell es ist, Regierungen und Unternehmen vor Cyberkriminalität und Datendiebstahl zu beschützen.

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