4. Juni 2023 Joachim Bischoff: Einigung zwischen Demokraten und Republikanern

Schuldenkrise in den USA vertagt

In den USA ist ein Systemkonflikt auf die Zeit nach den Kongresswahlen verschoben. Nach langen Verhandlungen ist der erbitterte Schuldenstreit zwischen Demokraten und Republikanern durch einen Kompromiss vertagt worden.

Abgeordnetenhaus und Senat haben einer Aussetzung der Schuldenobergrenze von derzeit 31,4 Bio. US-Dollar (etwa 29,1 Bio. Euro) zugestimmt. Ohne den Schritt hätte die US-amerikanische Regierung in wenigen Tagen keine Ausweitung des öffentlichen Kredits mehr betreiben können. Mit dem abschließenden Votum im Kongress endet eine lange politische Zitterpartie, die in den USA und darüber hinaus große Sorgen vor einer wirtschaftlichen Krise ausgelöst hatte.

Ein Zahlungsausfall der weltgrößten Volkswirtschaft hätte eine globale Finanzkrise und einen wirtschaftlichen Abschwung auslösen können. Die politische Hängepartie in Washington sorgte daher schon während den Verhandlungen an den Börsen für Unruhe. Mit dem Gesetz wurde die Schuldenobergrenze bis 2025 ausgesetzt wird, während zugleich die staatlichen Ausgaben in den kommenden zwei Jahren beschränkt werden.


Der fragwürdige Kompromiss

In den USA legt das Parlament in unregelmäßigen Abständen eine Schuldenobergrenze fest, und bestimmt damit, wie viel Kredite für die Haushaltsführung zulässig sind. Diesmal artete das Prozedere aus in erbittertes parteipolitisches Gezerre und ideologische Grabenkämpfe zwischen Demokraten und Republikanern.

Der nun ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass der Umfang des Bundeshaushalts, den die Demokraten ausweiten wollten, faktisch eingefroren wird. Dafür werden die Budgets vieler Bundesbehörden und Ministerien eingeschränkt. Mit dem Deal sind viele Demokraten wie auch Republikaner unzufrieden.

Linke Demokraten beklagen etwa Kürzungen im sozialen Bereich. Rechten Republikanern gehen die Einsparungen nicht weit genug. Und auch viele moderate Politiker*innen aus der Mitte beider Parteien sind keineswegs begeistert. Angesichts der drohenden dramatischen Konsequenzen durch einen Zahlungsausfall stimmten letztlich ausreichend Kongressmitglieder aus beiden Lagern für den Deal, und sicherten so die nötige Mehrheit im Parlament.

Präsident Joe Biden verteidigte diese Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern: »Niemand bekommt in einer Verhandlung alles, was er will.«. Die überparteiliche Einigung sei ein großer Gewinn für die Wirtschaft und das amerikanische Volk. In dramatischen Situationen führe kein Weg an überparteilicher Kooperation vorbei. »Wir haben eine wirtschaftliche Krise und einen wirtschaftlichen Kollaps verhindert.«

Biden dankte vor allem dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, mit dem er in diversen Verhandlungsrunden um einen Kompromiss gerungen hatte. McCarthy und er seien direkt und ehrlich miteinander umgegangen, beide Seiten hätten ihr Wort gehalten. Im politischen Klima der USA, in dem sich Demokraten und Republikaner – vor allem an den Rändern der Parteien – feindselig gegenüberstehen, sind solche Töne inzwischen selten.

Egal wie groß die inhaltlichen Unterschiede seien – die Parteien sollten einander nicht als Gegner*in ansehen, sondern als Mitbürger*in. Sie müssten einander mit Respekt behandeln und zum Wohle des Landes zusammenarbeiten. Mit Blick auf den Kompromiss sagte Biden: »Keiner hat alles bekommen, was er wollte, aber das amerikanische Volk hat bekommen, was es brauchte.«


Unzufriedenheit in allen politischen Lagern

Das vom Kongress beschlossene Gesetz sieht vor, dass die staatliche Schuldenobergrenze in den USA bis 2025 ausgesetzt wird. Sie lag zuletzt bei rund 31,4 Bio. US-Dollar. Zugleich werden die staatlichen Ausgaben in den kommenden zwei Jahren beschränkt – auf Druck der Republikaner. Sie konnten auch durchsetzen, dass Empfänger*innen bestimmter Sozialleistungen einen Job nachweisen müssen.

Sie haben darauf bestanden, dass hilfsbedürftige Menschen künftig mehr arbeiten müssten, um Lebensmittelmarken oder Beihilfen im Krankheitsfall zu erhalten. Erneut wurde ein überfälliger Ausbau von sozialen Dienstleistungen verhindert. Die Demokraten wollten die staatlichen Einnahmen eigentlich durch die stärkere Besteuerung von Reichen erhöhen. Dagegen stemmten sich die Republikaner entschieden.

Das Abkommen enthalte auch Maßnahmen zur Verbesserung des Stromnetzes der Nation, um erneuerbare Energien aufzunehmen, während die Genehmigungen für Pipelines und andere Projekte für fossile Brennstoffe beschleunigt werden. Außerdem würden die Steuerbehörden nur mit 70 Mrd. zusätzlichen US-Dollars bedacht statt der 80 Mrd. US-Dollar, die Präsident Biden im Rahmen seines Inflation Reduction Act zur Verbesserung der Steuerverwaltung, d.h. des Steuervollzugs, vorgesehen hatte. Die Demokraten argumentieren, die enorme Summe würde sich schnell amortisieren, weil es danach weniger Steuerbetrug gebe.

Die Republikaner dagegen warnen vor einer Flut von Steuerbeamt*innen und vor einer »Steuerdiktatur«. Manche von ihnen beklagen zudem, dass diese »Kürzungen« weitaus begrenzter ausfallen würden als die Budgetkürzungen und sonstigen Auflagen, die sie Anfang Mai im »Limit, Save, Grow Act of 2023« vorgeschlagen und gefordert hatten.

Genauer betrachtet, verdeutlicht die zeitweilige Aussetzung der Schuldengrenze, also des Rückgriffs auf öffentliche Kredite, die grundlegenden Differenzen zwischen Republikanern und Demokraten. Dieser Grundsatzstreit wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den kommenden Wahlkampf zu den Kongresswahlen prägen. Die Argumentation der Republikaner zielt nach wie vor auf die Beschränkung der öffentlichen und sozial-ökologischen Interventionen des Staates.

»Wir haben nicht Tausende Milliarden Dollar an Schulden, weil wir nicht genug Steuern erhoben hätten, sondern weil wir zu viel ausgeben.« Dieses Argument, von Ronald Reagan vor Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt, soll auch heute die Zukunftsgestaltung prägen. Es ist nicht zu bestreiten, dass die öffentlichen Verbindlichkeiten des amerikanischen Staates aufgrund der gigantischen, auf Kredit finanzierten Ausgabenprogramme expandiert sind.

In Zeiten deutlich ansteigender Zinsen wird dieser Schuldenberg zu einer Beschränkung für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bürger*innen. Die Alternative hieße: Kann man den Steuervollzug verbessern und die Praxis der Steuerhinterziehung zurückdrängen, und lassen sich zugleich die Steuern auf höhere Einkommen und Vermögen ausweiten, oder soll der Großteil der Bürger*innen auf soziale Dienstleistungen und staatliche Hilfsprogramme verzichten?

Budgetexperten in den USA taxieren in diesem Jahr das Staatsdefizit auf Bundesebene auf 1,4 Bio. US-Dollar und in den kommenden zehn Jahren sollen die durchschnittlichen Einnahmelücken jährlich 2.000 Mrd. US-Dollar betragen, da die Staatseinnahmen nicht mit den zunehmenden finanziellen Lasten mithalten können. So droht die Staatsschuldenquote selbst unter relativ optimistischen Wachstums- und Konjunkturprognosen auf ein Rekordniveau von dann 120% der Wirtschaftsleistung zu steigen.

Später könnte sie unter Umständen sogar noch deutlich stärker zunehmen, weil das Fremdkapital bei steigenden Zinsen immer mehr kostet und weil die Sozialversicherungen chronisch unterfinanziert sind. Diese müssen früher oder später stärker staatlich alimentiert werden, weil immer mehr Babyboomer ihre entsprechenden Ansprüche anmelden.

Glaubt man jüngst publizierten Schätzungen, so wird den Social Security Trust Funds in weniger als zehn Jahren das Geld ausgehen, weil die hohe Inflationsrate die Verwaltungskosten treibt, und weil sie aufgrund der automatischen Anpassung zu explodierenden Auszahlungen führt.

Das Missverhältnis zwischen staatlichen Ausgaben und den gegenwärtigen Einnahmen müsste grundlegend bereinigt werden. Dies gilt umso mehr als weitere wirtschaftliche Anreize für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur, in die Bekämpfung des Klimawandels, in die Modernisierung des Gesundheitssystems oder auch, um digitale Innovationen, unverzichtbar sind.


Durchbrechen des Teufelskreises?

Will man dem Teufelskreis zwischen rasch zunehmenden Verbindlichkeiten, unzureichenden Einnahmen und steigenden Zinsen entrinnen, d.h. die periodischen Rangeleien über Schuldenkrisen vermeiden, muss eine grundlegende Veränderung in der Besteuerung von Einkommen und Vermögen erreicht werden. Sparpolitik, Schuldenbremsen oder Abbau von öffentlichen Leistungen sind die schlechtere Alternative.

Produktive Gesellschaften stützten sich auf leistungsfähige staatliche Institutionen. Good Governance steht in diesem Sinne für effektive und effiziente Strukturen, die die Bürger*innen optimal darin unterstützen, ein produktives Leben nach ihrem Willen und ihren Möglichkeiten in einem sicheren Umfeld zu führen. Im Kern geht es um das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Arbeit und Sozial- und Rechtsstaatlichkeit.

Präsident Biden betont aktuell zu Recht, die überparteiliche Einigung sei ein r Gewinn für die Wirtschaft und das amerikanische Volk. Aber sollen weitere dramatische Situationen wie die Schuldenkrise vermieden werden, führt kein Weg an einer überparteilichen Kooperation in grundlegenden Fragen vorbei.

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