21. Juli 2023 Göran Therborn: Anschluss an die Hegemonialmacht USA
Schwedens NATO-Beitritt ist unklug und antidemokratisch
Die schwedische Rechte hat ihr Hauptziel seit 1945 erreicht: Teil des amerikanischen Imperiums zu werden. 200 Jahre erfolgreicher schwedischer Friedens- und Neutralitätspolitik wurden zugunsten einer Kriegsallianz unter Führung der USA aufgegeben.
Sollte es zu einem Dritten Weltkrieg kommen, wird Schweden auf jeden Fall dabei sein. Sowohl die bis September 2022 amtierende sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson als auch der jetzige konservative Ministerpräsident Ulf Kristersson, der einer von den rechtsextremen Schwedendemokraten tolerierten konservativ-liberalen Minderheitsregierung vorsteht, haben dies der NATO zugesagt - nicht aber der schwedischen Bevölkerung gegenüber erklärt.
Mit der Dreistigkeit und Macht einer Großmacht, die Sprache nach ihren Interessen zu verdrehen, bezeichnen die USA ihre Vorherrschaft in der Welt als »regelbasierte internationale Ordnung«. Naive schwedische Außenpolitiker*innen nehmen dieses Narrativ als bare Münze. In Wirklichkeit weichen die USA ständig von internationalen Regeln ab. Nach dem Kalten Krieg mit seinen politischen Spaltungen und Sonderregeln sind die USA mit ihren militärischen Invasionen in Afghanistan und im Irak, ihren Truppen in Syrien und ihren einseitigen wirtschaftlichen »Sanktionen« gegen Länder, Organisationen und Einzelpersonen zum Tyrannen der Welt geworden.
Jedes Jahr drängt die UNO die USA, die Sanktionen gegen Kuba aufzuheben, aber ohne Erfolg. Die USA haben auch viel weniger UN-Konventionen ratifiziert als andere Länder. Sie sind weder der Konvention über Streumunition noch dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten und haben zeitweise eine der Chefankläger*innen des Strafgerichtshofs auf die Sanktionsliste gesetzt.
Die Missachtung oder Geringschätzung der Vereinten Nationen als weltweit wichtigster Organisation, die Regeln aufstellt, wurde erst kürzlich wieder deutlich. Nur fünf Länder der Welt haben keinen einzigen Bericht über ihre Arbeit zur Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) vorgelegt, die von der UNO im Jahr 2015 festgelegt wurden: Haiti, Jemen, Myanmar, Südsudan und die USA.
Die Propagierung einer »regelbasierten internationalen Ordnung« ist besonders dreist, weil die USA jetzt nicht nur die von diesem Staat selbst inspirierten Regeln der Welthandelsorganisation gebrochen, sondern das gesamte internationale Spiel auf den Kopf gestellt haben, nachdem China als Gewinner aus der Globalisierung hervorgegangen ist.
Die USA haben sich von einer regulären Weltordnung des freien Handels und des freien Kapitalverkehrs abgewandt und konzentrieren sich jetzt auf ihre nationale »Sicherheitsinteressen«, mit strategischen Export- und Importverboten, Investitionskontrollen, speziellen nationalen Subventionen, Militärbündnissen und dem Machtkampf der Staaten. Selbst die Geographie der Weltmeere wird verändert. Der Indische und der Pazifische Ozean sind nun Teil des Nordatlantiks, in dem die NATO, die Nordatlantische Vertragsorganisation, operieren wird.
Die neue amerikanische Weltordnung ist eine Freund-Feind-Welt, in der es keine universellen Regeln gibt. Sie ist ein strategischer Rückzug, eine Anerkennung der Tatsache, dass die USA nicht die ganze Welt zu ihren Jüngern machen können. Es ist aber auch eine Strategie, um den Rest der Weltmacht zu erhalten.
Die USA sind der letzte Träger einer nordatlantischen Weltmacht, einer weißen christlichen Missionarsdynastie, die vor rund fünfhundert Jahren in Spanien gegründet wurde. Schweden hat sich nun dem fortdauernden Machtanspruch auf die Welt, den diese alternde Herrscherdynastie erhebt, angeschlossen. Das ist eine unkluge und antidemokratische Entscheidung. Auf lange Sicht kann die Welt nicht von einer Machtelite regiert werden, die sich auf ein schrumpfendes Zehntel der Weltbevölkerung stützt.
Göran Therborn ist Soziologe und Politikwissenschaftler, der auf allen bewohnten Kontinenten gelehrt und geforscht hat, zuletzt als Professor für Soziologie an der Universität Cambridge. Seit seiner Emeritierung lebt er in Südschweden. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenpublikationen. Anfang 2023 erschien von ihm die Flugschrift »Die Linke im 21. Jahrhundert. Progressive Selbsterneuerung in aggressiven Weltverhältnissen«. Die hier dokumentierte Kurzintervention erschien zuerst unter dem Titel »Sverige ansluter sig till USA:s härskarmakt« auf der Meinungsseite der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet vom 19.7.2023 (Übersetzung: Hinrich Kuhls).