31. März 2012 Ulrich Bochum: »We are not all in this together«

Sparen und Steuererleichterungen für die Reichen

Der britische Schatzkanzler George Osborne hält traditionellerweise ein rotes Lederköfferchen in die Luft, wenn er seinen Amtssitz in Downing Street verlässt, um seine Haushaltsrede im Unterhaus zu halten. Dabei ist die Entfernung nicht allzu groß, er kann zu Fuß gehen. Es wurde immer gerätselt, was denn in dem Köfferchen drin sein könnte. Mittlerweile ist klar, es sind Sandwiches.

Die Haushaltsrede selbst barg für die Öffentlichkeit keine großen Überraschungen, das meiste war bereits im Vorfeld »geleakt« worden. Der Haushalt 2012 bekräftigt die Austeritätsanstrengungen durch Schuldenabbau und Steuerreformen. Dabei stehen Steuerentlastungen für die oberen Einkommen und Unternehmen, größere Belastungen für RentnerInnen und weitere Kürzungen bei den Sozialausgaben im Mittelpunkt.

In seiner Rede kündigte Osborne an, im nächsten Jahr die Besteuerung von Einkommen über 150.000 Pfund von 50% (»50p tax«) auf 45% zu senken. Diese Besteuerung wurde unter Labour eingeführt und beträgt faktisch ca. 58%. Bereits im Vorfeld der Haushaltsdebatte hatten sich 500 Business Leader in einem offenen Brief gegen diese Besteuerung ausgesprochen und Osborne populistische Politik vorgeworfen. (http://www.telegraph.co.uk/comment/letters/9114040/Cut-the-50p-tax-rate-to-help-boost-business-and-encourage-entrepreneurs.html)

Osborne argumentierte, dass die Absenkung auf 45% nur Einnahmeeinbußen von ca. 100 Mio. Pfund im Jahr verursache, weil die Bezieher von hohen Einkommen sowieso alles versucht hätten, der hohen Besteuerung zu entgehen. Die hohe Besteuerung habe zudem nur ein Drittel der versprochenen Einnahmen von drei Mrd. Pfund tatsächlich erbracht. Einen gewissen Ausgleich für diese steuerlichen Bevorteilungen der Reichen versucht Osborne mit der Erhöhung der Stempelsteuer beim Erwerb großer Anwesen (»Mansion Tax«) von mehr als 2 Mio. Pfund. Diese Grunderwerbssteuer wurde oft umgangen, etwa in dem diese Anwesen durch Briefkasten-Firmen erworben wurden, und soll nun konsequent angewendet werden.

Ebenso werden weitere Absenkungen der Unternehmenssteuern vorgenommen. Unter der konservativ-liberalen Regierung wurden sie in den letzten zwei Jahren bereits von 28% auf 26% gesenkt, nun kündigte Osborne weitere Absenkungen auf 24% ab April an, was ca. 730 Mio. Pfund Verlust an Einnahmen bedeutet. Diese Absenkungen sind dem Bemühen geschuldet, Großbritannien im Wettbewerb um internationale Investoren attraktiv erscheinen zu lassen und insbesondere gegenüber Deutschland und den Niederlanden zu punkten. Großbritannien setzt damit weiterhin auf einen Steuersenkungs-Wettlauf innerhalb Europas.

Einen größeren Aufschrei in der Öffentlichkeit erreichte Osborne mit der Ankündigung, die Steuerfreibeträge für RentnerInnen einzufrieren. Wie Labour hervorhob, bedeute diese versteckte Einführung einer »Granny Tax«, dass etwa 4,4 Mio. steuerzahlende RentnerInnen im Jahr 84 Pfund weniger zur Verfügung hätten.

Das Budget sieht weiterhin vor, die Steuerfreibeträge bei der Einkommensteuer um weitere 1.000 Pfund auf dann 9.205 Pfund (dies sind ca. 11.100 €) insgesamt anzuheben. Damit sollen Niedrig-Verdiener vollkommen aus der Einkommensteuer heraus genommen werden. Dies betrifft 23 Mio. SteuerzahlerInnen und wird 3 Mrd. Pfund kosten.

Insgesamt setzte Osborne's Budget-Rede wenig positive Akzente hinsichtlich einer Erholung der britischen Wirtschaft. Der nationale Infrastrukur-Plan sieht Verbesserungen in den Bereichen Transport-Infrastruktur, Energie- und Wasser sowie bei der Versorgung mit Breitband-Netzen vor. Bisher befinden sich die Vorhaben zur Verbesserungen der Straßen- und Schienen-Infrastruktur allerdings erst im Planungsstadium und beunruhigen muss Osborne's Hinweis, dass der Ausbau der Infrastruktur mit einer wichtigeren Rolle privater Investoren einher gehen soll. Damit droht eine neue Welle der »Public-Private-Partnerships«, die unter Labour ins Rollen gebracht wurden und die auf den europäischen Kontinent herüber schwappte.

Die Resonanz der Budget-Rede in der britischen Öffentlichkeit war weniger positiv als geplant. Die Regierung wollte mit der Steuersenkung für hohe Einkommen und Unternehmen verdeutlichen, dass sie die vermögensbasierte Entwicklung der Ökonomie unterstützt. Die Presse konzentrierte sich jedoch vornehmlich auf die ungerechte Besteuerung der RentnerInnen, so dass der Haushalt insgesamt wie eine Entschuldigung dafür wirkt, dass es schwierig ist, die Reichen angemessen zu besteuern und sie am Abbau der Verschuldung zu beteiligen. Die von der Regierung immer wieder propagierte Formel »We are all in this together« trifft nach diesem Budget immer weniger auf Zustimmung.


Mittlerweile zeigen die Eckdaten der britischen Wirtschaftsentwicklung dauernd nach unten. Die Erholungsperiode nach dem Kriseneinbruch setzte mit dem dritten Quartal 2009 ein. Bis zum dritten Quartal 2010 konnten leicht positive Wachstumsraten erzielt werden – in dieser Zeit betrug das aggregierte Wachstum 3,1%. Hier machten sich noch die Stimulus-Maßnahmen der Labour-Regierung bemerkbar. Ab dem vierten Quartal 2010 bis zum vierten Quartal 2011 greift die Austeritätspolitik der konservativ-liberalen Regierung, in dieser Periode betrug das aggregierte Wachstum nur noch 0,3%. Das erste Quartal 2012 zeigt kaum Besserung, so dass von einer technischen Rezession ausgegangen werden kann. »Die britische Wirtschaft hat Fieber«, meinte ein Kommentator und eine Erholung ist nicht absehbar.

Es spricht im Gegenteil alles dafür, dass durch die steuerlichen Maßnahmen die unteren Einkommen weiter verlieren werden. Vom 6. April an entfallen für erwerbstätige Paare, die im Jahr ca. 18.000 Pfund verdienen, Steuergutschriften in Höhe von 4.000 Pfund. Um diese Steuergutschriften zu erhalten, musste bisher ein Familienmitglied 16 Stunden in der Woche arbeiten, jetzt sollen sie 24 Stunden erwerbstätig sein. Dies erscheint nahezu unmöglich, da eine große Anzahl von Beschäftigten generell mehr Stunden arbeiten möchte und 1,4 Mio. Personen sich in Teilzeitbeschäftigung befinden, weil sie keine Vollzeitstelle finden können.

Die Jugendarbeitslosigkeitquote beträgt 23% und es müssten eigentlich Maßnahmen ergriffen werden, um Unternehmen einen Anreiz zu bieten, jüngere Menschen einzustellen. Hier wären eine Vielzahl von Maßnahmen denkbar, etwa in dem man den Unternehmen für jeden eingestellten Menschen unter 25 Jahren die Sozialversicherungsbeiträge abnimmt oder verkürzt. Für derartige Maßnahmen Steuererleichterungen zu gewähren wäre definitiv sinnvoller als die praktizierten Steuererleichterungen für Reiche.

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